1.1. Cryogenium
Ein Wald im
Mittelgebirge. Ein Hügel. Ende April.
Kreon:
Ein alter
Nazibunker einst gewesen,
und nun mein
Reich. Hier werde residieren.
Einst war der
Erde Kugel Eisball ganz,
doch unterm Eis
begann ein Superplume zu brodeln,
und legte neuem
Leben Wege frei;
mehrzellig
wurde es und kompliziert.
Arian:
Vor Kurzem 13
wurdest du, ich bin noch 12,
und will es
bleiben, komme, was da wolle!
Kreon:
Mein junger
Kronprinz, rechtlos und ein Kind
bleibt nur der
Narr, doch Narrenfreiheit nicht
ist das, was
uns als Menschen ziemt.
Arian:
Dein ist das
Recht: entweder Freiheit oder nicht!
Kreon:
O wahrhaft,
junger Prinz, so will ich herrschen:
nicht
Doppelzüngigkeit regieren soll mein Reich,
die Wahrheit
nur, im Ja und Nein erschöpfend.
Wer ehrlich
ist, braucht Kreon nicht zu fürchten,
und kann mir
jede Meinung sagen ins Gesicht,
und wer mich
narrt, nicht lange soll er leben:
in meinem Wald
für Schlangen ist kein Platz!
Arian:
Da kommt
Henrike, aus dem Bus direkt
setzte gar
flinklings ihren Fuß auf deine Erde.
Kreon:
Henrike soll
mir kommen, Muse soll dir sein,
mein edler
Prinz, des Herz schlägt hoch für sie.
Arian:
Doch ich lieb
zwei, und kann mich nicht entscheiden!
Kreon:
Doch sollst du
tun, bevor die Nacht zu End.
1.2. Ediacarium
Im Walde an der
Schlucht.
Arian:
Hör zu,
Henrike, du bist dünn und fahl,
und wie dein
Haar sich windet, ist ein Fest.
Henrike:
Und doch?
Arian:
Doch merke ich,
befindet als normal
ein Jeder
folgend: Wettbewerb und Test.
Ich mag dich
stärker, als der Baum dort verwurzelt
in Hunderten
von Jahren, doch ich weiß,
dass auch
Leonie die Chance verdient.
Henrike:
Ihr Haar ist
weiß, doch halb so lang wie mein.
Arian:
An Haareslänge
soll es mir nicht liegen!
Um Haaresbreite
stimmt ich Kreon zu,
dass Liebe und
Entscheidung eins-dasselbe,
doch siehst:
ich schwanke.
Henrike:
Sei beruhigt,
du,
bin ungeküsst
und 12, und werd es bleiben!
Arian:
12 bleib ich
auch, und leiste einen Schwur!
Henrike:
Du Dummkopf,
nein, das Ernstere ich meinte:
wozu den
Herzschlag zur Lawine machen,
wenn Warten
hilft, denn Hoffnung stirbt zuletzt.
Arian:
Dass ich
besinne mich? Und was, wen Kreon irrt,
und Leben Spiel
ist, kosmisches Casino?
Das Glück ist
unsres Lebens Schmied, nicht umgekehrt,
und wem soll
ich, Henrike, überlassen,
die zarte
Leonie? Bei allem Glück mit dir
wird dieses
Küken wachsen und entarten.
Henrike:
Mich grauts wor
diesem Wort, wo hast du´s aufgeschnappt?
Doch nicht bei
Kreon? Sieh dich vor, ein Freund ihm sein
du könntest
nie, er nutzt dich, schöner Jüngling,
nur aus,
wobei´s mir Recht sein könnte, denn er fordert,
du dich
entscheiden sollst - für wen? Mich hast du schon,
und Leonie
läufst nach, verlierst uns beide.
Arian:
Ja, schön ist
Kreon nicht, dafür sehr klug.
Will er mein
Glück, so will ich es ablehnen,
will er mir
Böses, ist es offenbar,
dass ihm die
Freundschaft Mittel ist zum Zwecke.
1.3. Kambrium
Parkplatz vor
der Herberge am Waldrand. Anfang Mai.
Friedrich:
Gegrüßt sei
Kreon, übelst harter Hund!
Bekamst die
Zeugnisse, und in derselben Nacht
fuhrst her zu
Rade, nahmst allein den Bunker!
Kreon:
Alsbald mir
eilte in Gehorsam dein Cousin,
der nun mein
Kronprinz, da ich fest beschlossen
am 30. des Juni
fortzuziehen.
Friedrich:
Doch sei Tyrann
in diesem Falle nicht,
denn Mörder
haben die Behausung gebaut,
von welcher aus
du den Wald regierst!
Hörst du
Faschistenmarschmusik im Ohr,
siehst du die
Lager? Rechtsnachfolger nicht
sei ihnen du,
besinn dich zur Vernunft!
Kreon:
Doch kein
Geheimnis, teurer Fritz, wes Urahn fiel
im Kampf mit
den Faschisten, wer für diese!
Du erbst, was
deine Eltern schon, - geraubt
im Kriege
frech, und nie zurückgegeben;
auf Blut und
Knochen ist Millionär
dein Vater,
stolzer Ökofeminist.
Geraubtes gebt
zurück, und ich verlass den Bunker!
Friedrich:
Sei nicht
polemisch, Krieg ist lange her!
Kreon:
So gelte auch
dir dies Argument.
Im Übrigen
stehen wir alle, Junge,
gar auf den
Schultern der Geschichte,
ob wir wollen,
oder nicht, -
doch nicht
Vergangenes soll zählen, nur Gesetz!
Kein Trick,
kein Drohbrief, nichts soll kräftig sein,
als nur der
Mädchen ehrliches Gefallen;
besticht ein
Mädchen wer zum Kusse hier,
dient wie ein
Knecht alsbald zu Fuße mir.
Friedrich:
Ich halte mir
die Optionen offen!
Kreon:
Gewalt? Dass
ich nicht lache, eitler Narr!
Verwundbar bist
auch du, bemerke dies.
Kein Baumhaus
duld ich um den Bunker,
kein Spanner
mir belagern soll die Schlucht.
Arian:
Cousin und
König, schaut auf diesen Bus!
Wie einst im
Kambrium: Explosion des Lebens:
die kecke
Annika rennt Ellie hinterher,
die offenbar
Geheimes hat gestohlen;
der grausamen
Julia schwarzes Haar
verdeckt den
Glanz der Sonne sogar ganz.
Friedrich:
Doch Leonie
gesehen hab ich wenig.
Arian:
Noch weniger
tat ich.
Kreon:
Haltet die Hufe
still,
und scharrt,
wenn´s bittersüß riecht, nicht bevor.
1.4. Ordovizium
Henrike, Ellie
und Julia auf ihrem Zimmer, kurz vor dem Einschlafen.
Julia:
Mach, Ellie,
aus das Licht, so hat Henrike Angst.
Henrike:
Lasst bitte ein
Licht an, das Kleine dort!
Ellie:
Ist Arian nicht
süß? In wen ist er, wenn nicht
ein
Staatsgeheimnis dies, denn eigentlich verknallt?
Henrike
(kichernd):
In mich.
Julia:
Doch kleine
Maus,
ich hört, ihr
wart spazieren, nichts geschah.
Ellie:
Auch ich nicht
sehe deinen schönen Ring.
Vielleicht hat
er´s sich anders überlegt?
Henrike:
Unsicher ist
er, jedoch lieben tut er mich.
Julia:
Das Komische
ist mir, und Ellie, dir nicht auch,
das jene Küken,
in die´s sich verknallt,
auch erste Wahl
sind zum Objekt der Qual?
Ellie:
Was liebenswert
ist, quälenswert somit.
Henrike:
Ich habe Angst!
Hört auf! Was habt ihr vor!?
Julia:
Wir denken laut
nach, mehr ist da nicht.
Ellie:
Ach, wären
Friedrichs Eltern nicht so reich,
dann wäre
stark mein Wille konzentriert
auf Arian
allein, - mein Haar ist dunkelblond,
doch dunkel
nicht mein Kopf, ich weiß Bescheid,
und du Henrike,
bist ja noch ein Kind.
Julia:
Wir werden 14,
Ellie, dieses Jahr,
vier Jahre
noch, und sind erwachsen ganz.
Henrike:
Seid ihr
verrückt? Genießt die Kindheit besser,
denn sie kommt
nicht zurück, so viel ich weiß.
Ellie:
Doch Sieger
stets, wer schneller ist am Ziel.
Julia:
Oder wer gar
nicht spielt? Ich meine Kreon.
Ellie:
Ach, der
besinnt sich noch auf seinen Trieb,
und hat bis
Monatsmitte eins der Mädchen lieb!
1.5. Silur
Mitte Mai. Nach
einer Regenwoche scheint wieder die Sonne. Ein Picnic in der Schlucht
am Bach.
Friedrich
(gemein grinsend):
O wahrlich sag,
wer nannte dich denn so?
Zum Spaße
wurdest Dunkleosteus genannt?
Arian:
Ich kenne
einen, der Odysseus heißt.
Ellie:
Odysseus, war
das auch ein Urzeitfisch?
Dunkleosteus:
Ein schlauer
Kerl war das, die stärkste Festung nahm
er keck mit
List, und vieles hat gesehen.
Friedrich:
So einen hätte
ich in meinen Reihen gern.
Wie räuchern
wir den Kreon dort heraus?
Johannes:
Mit Gas, mit
Gift?
Friedrich:
Du chemisches
Genie,
hast mir den
Alkohol besorgt, um welchen ich gebeten?
Johannes (gibt
ihm eine Flasche Yukon Jack):
Was ich mit
einigem Vergnügen tat!
Dunkleosteus:
Unernstes Kind!
Ihr spielt mit der Gefahr,
und du, Fritz,
14 bald, doch er zwei Jahre jünger,
stellt
unbefangen zur Verfügung dir
all sein so
strebsam angelerntes Wissen,
mit dem du üble
Dinge tun hast vor.
Arian:
Wen soll er
legen flach, der Apfelsaft der Arktis?
Friedrich:
Wen ich mir
wünsche im Gemache nachts.
Johannas:
Leg mir auch
eine flach, und welche, ist egal!
Dunkleosteus:
Ihr mehr
zerstört damit, als euch bewusst!
Friedrich:
Fort,
Spielverderber, geh! Du, Arian, wohin?
Arian:
Er seinen
Anfall kriegt allein und stirbt,
drum bin ich
bei ihm, wenn auch nicht sein Freund.
Ellie:
Ich gehe
schleunigst zu den Mädchen dann:
sie wollen
sicher fort, der Tag ist alt.
Johannes:
Soll ich,
Fritz, hoch mit ihr?
Friedrich:
Begleite sie
nach Oben.
Ich bleibe
hier, und denk mir etwas aus.
1.6. Devon
Kreons Bunker,
der frühe Morgen danach.
Kreon:
Wer meine
Einsamkeit zu stören denn vermag?
Lily:
Kein Dieb, kein
Räuber, nur ein Mädchen klein.
Kreon:
Ich sehe zwei.
Und so geht mein Vertrag:
ich schütz den
Wald, und darf hier übernachten,
doch niemand
sonst mit mir, nur eine Katz.
Wes trägst du,
Mäuschen, ausführliches Gepäck?
Lily:
Noch sah sie
keiner, und tu fürchten viel
ich Julia und
Ellie ihretwegen.
Kreon:
Folterst du
weiter, oder soll ich spannen?
Lily:
Schau ruhig
hin, und lass uns endlich rein.
Kreon:
Ich mache zu, -
schalldichte Panzertür,
und Periskope
sind an allen Wänden;
zwei
Samtpfötchen spür ich in meinen Händen -
ist dies des
Mädchens Gruß, das mich um Schutz ersucht?
Leonie:
Schutz und
Versteck.
Kreon:
Schneeweißchen
leise spricht,
und auffallen
nicht durch ihr benehmen
die
wohlig-eisige Prinzessin tut.
Lily:
Was niedlich
ist, verbirgt das Schöne gar,
die Blüte
keines Weges ganz entfaltet.
Kreon:
Drum höher
dies, als jeder schöne Glanz:
kein Weg
zurück, nur vorwärts ein, zur Frucht.
Lily:
Bekommt die
Maus ein gesondert Bett?
Kreon:
Eine
Beleidigung, dass du nicht davon aus
sogleich
gegangen, tu mit Antwort Buße:
wie alt,
Entschuldigung, wie jung seid ihr?
Lily:
Ich Ende 12,
die Kleine Anfang 12.
Kreon:
In meinen Augen
jedoch eine Elfe.
Du halfst ihr
her, so hilf ihr auch hier:
führe sie ein
ins luxuriöse Gästezimmer.
Leonie:
Mein Dank wird
ausbleiben nicht,
und dieses Wort
ist kindlich.
Kreon:
Verzeih im
Namen aller, die´s nicht so verstehn,
doch deiner
Hände Druck war Dank genug.
Mir, weißes
Wesen, schulden tust du nichts,
denn ich
regiere nicht zum Vorteil, pflichtbewusst.
Lily:
Ich gehe dann.
Kreon:
Gib ihr noch
ein Beispiel:
dein Haar
reicht dir zum Bauchnabel,
ihres tut ihr
nicht.
Lily:
Das Händchen
geht zum dritten Mal bereits
zum Haar, wo
keine Strähne im Gesicht.
Kreon:
Dies mich
erregte nicht, ich war ganz objektiv;
klar weiß ich,
ihren Liebreiz einzuschätzen,
doch deinen
auch, dunkelbraun und tief
sind deine
Augen voller Sehnsucht, Mädchen,
bist zu
verliebt?
Lily (rot):
Ich wüsste
nicht, in wen.
Kreon:
Ich war es nie,
und werd es niemals sein,
Vernunft
regiert in meinem Kopf, und nicht das Herz.
1.7. Hochdevon
Mittag, Wiese
vor der Herberge, Würfelspiel.
Friedrich:
Ich werfe
wieder eine Sechs, was das mir wohl verheißt?
Annika:
Spiel mit dem
Essen nicht, und mit den Worten,
die nichts
bedeuten noch in unsrem Alter.
Johannes:
Kaum 13, schon
so frech?
Annika:
Du Null von
einer 12!
Friedrich:
Sei, Junge
still, mach, Annika dein Spiel!
Ellie:
Kennt jemand
Lily, der ins Bett nicht macht?
Johannes:
Ich kenne sie,
sie ist aus meiner Klasse.
Ellie:
Der Nebensatz
war missverständlich ausgedrückt?
Sophie:
Ich kenne sie,
und wohn mit ihr zusammen
im
Doppelzimmer, oben letzte Tür.
Julia:
Was sie heut
Morgen wohl im Walde suchte?
Sophie (lacht):
Vielleicht mit
Kreon heimlich sie liiert.
Ellie:
Du weißt doch
mehr, doch tust, als wüßtest nichts.
Sophie:
Was Lily ohne
mich macht, geht mich wenig an.
Johannes:
Ihr seid
befreundet eher schwach, entnehm ich dem?
Friedrich:
Sei nicht so
vorlaut, hol uns besser Eis!
Annika:
Das Kind ist
fort, lasst und erwachsen reden.
Wo ist denn
Leonie, wann ist sie angekommen,
bei wem im
Zimmer, und wo Arian ist hin?
Ellie:
Im Pool am Rand
der Wiese tut er schwimmen,
ich seh mit
Fernglas äußerst ganz genau.
Annika:
Was sitzt du
dann noch hier?
Ellie:
Weil er Henrike
küsst.
Nein, Scherz,
sie reden nur, doch soll ich stören,
und fragen, ob
ich störe? Das zu albern mir.
Sophie:
Er soll dich
selbst ansprechen, hab ich Recht?
Julia:
Der Außenseiter
wieder seine Kreise
am Waldrand
zieht, zu was wollte er mit?
Friedrich:
Ein Außenseiter
manchmal auch verknallt,
wenn gar
vergehen Monate und Jahre,
und das
verehrte Mädchen nicht mal merkt,
was mit ihm los
ist. So wohl auch bei ihm.
Ellie:
Ganz schön und
gut, doch ist die Eine hier?
Friedrich:
In unsrem
Kreis? Ich dies zuschärfst vermute.
Annika (lacht
verlegen):
Ich bin es
nicht. O bloß nicht!
Friedrich:
Nein, du nicht.
Bleiben noch
drei. Für ihn ist´s wohl ein Witz,
dass ich allein
hier mit vier Mädchen sitz.
Julia:
Hat er denn je
nur eine angesprochen?
Annika:
Auch Kreon hat
dergleichen nie verbrochen,
doch ihm gilt
Ehrfurcht, dem Geknickten Hohn.
Sophie:
Ich frage Lily
aus, da kommt sie schon.
2.1. Oberdevon
Eine Woche vor
dem ersten Juni. Dunkleosteus zieht seine Kreise um den bewaldeten
Hügel, Arian holt ihn ein.
Arian:
So findest du
im Leben keine Freunde,
wenn du, wie
nun seit Wochen, allen aus dem Weg
entschieden
gehst, und spielst nicht einmal Karten.
Dunkleosteus:
Was ich im
Leben finde nicht, gibt mir der Tod.
Arian:
Bedrückt dich
Sehnsucht?
Dunkleosteus:
Bleib mir weg
mit dieser!
Mich Panik
attackiert, mir bleibt die Luft
dabei nicht
selten weg, ich hyperventiliere.
Johannes (kommt
aus der Herberge direkt hinzu):
Du holst dir so
viel Luft, dass dir gar keine bleibt!
Du holst nur
aus, doch schlägst du niemals zu!
Du bist ein
Feigling, und ein Depp bist du!
Arian:
Recht hat
Johannes, auch wenn´s dich schmerzt.
Dunkleosteus:
Belehrt mich
weiter nicht, oder lasst mich allein!
Johannes:
Allein willst
sein, und deine Ruhe haben?
Wir geben sie
dir gern, gar liebend gern!
Arian:
Ich gehe nicht,
du geh schon, Friedrich wartet.
Johannes:
Was hast du,
angesagter Typ, mit ihm zu tun?
Du, der du
Narziss im Theater spielst,
und von dem
Mädchen träumen nachts und morgens?
Arian:
Ich sorge für.
Dies ist mein Wesenskern.
Johannes:
Grundgütig
bist du nicht, dass tu ich fest vermuten.
Dunkleosteus
(nachdem Johannes geht):
Dein Mentor
Kreon ein gefährlich Psychopath,
und ich der
wahre Diener des Gesetzes,
ein
unbestechlich Hüter der Moral.
In mir ist
Menschheit, auch wenn ich allein,
und bleibe ich
der einzige Gerechte,
so geht Kultur
nicht unter, nicht mit mir.
Das ist der
Grund, mehr Gründe gibt es nicht,
und was sie mir
gegeben, das verwahr ich.
Arian:
Wenn Kreon
austickt, will ich der Erste sein,
der Leonies
Geheimnisse erfährt.
Dunkleosteus:
Mit ihren
leisen Worten tat sie sich versichern
für einen
Notfall, den ich gar nicht kommen seh.
Arian:
Wer Kreon
angreift, wird zugrund gerichtet:
er Gnade kennt
nicht, nur das harte Recht.
Dunkleosteus:
Doch auch Kreon
ist unfehlbar nicht.
Arian:
Der Einzige von
uns, der nichts empfindet,
für keins der
Mädchen schlägt sein stolzes Herz.
Wenn es zum
Kampfe kommt, womit willst du bewegen
zur Gnade ihn,
den nichts kompromittiert?
Dunkleosteus:
Mit gar nichts,
wenn der Kleinen nichts passiert,
doch sollte er
die Grenze überschreiten,
habe ich etwas,
um darauf rumzureiten.
Johannes (kehrt
zurück mit einem Eis für Arian und einem für sich):
Predigt er
wieder dieses wirre Zeug?
Arian:
Prinzipien
nicht hast du im Geringsten.
Johannes:
Ich bin
erfolgsorientiert, sie stören nur,
Berechnungen
hingegen bringen weiter.
Dunkleosteus:
Du widerst
mich, seit ich dich kene, an.
Johannes:
Du kennst mich
nicht, und ich nicht kenne dich.
Du kleine
Nummer mit der großen Klappe,
blidest dir nur
darauf etwas ein,
dass Arian ein
riesengroßes Herz hat -
sogar für
Tiere, und sogar für dich.
Arian:
Genug beleidigt
und genug geschmeichelt.
Kommt mit, das
Abendessen steht bereit.
Dunkleosteus:
Ich komme
nicht.
Johannes:
Du fastest aus
Protest,
dagegen, dass
dich keiner mag, so wie du bist?
Sei eben
anders, sieh, ich machs dir vor:
du Arian bist
nicht, Chamäleon musst du sein!
Dunkleosteus:
Nichts muss
ich, niemals. Lasst mich nun allein.
2.2. Tiefkarbon
Abend des 30.
Mai. Waldspaziergang: fünf Mädchen.
Julia:
Sophie, du
hattest reichlich Zeit, um Lily auszufragen.
Sophie:
Ich habe sie
nicht optimal genutzt.
Ellie:
Sehr schade für
Henrike, diese ängstlich Maus:
wir werden sie
im Walde aussetzten.
Julia:
Noch besser
fesseln.
Sophie:
Mich erpresst
weshalb?
Annika:
Ist sie nicht
niedlich? Wart ihr nicht befreundet?
Ellie:
Auf wundersame
Weise gar, du sorgtest
für sie wie
eine große Schwester, blühtest auf
am Lagerfeuer
letztes Jahr, als schützend in den Arm
sie nahmst und
küsstest zärtlich ihre Schläfe.
Julia:
Das Photo hab
ich noch.
Sophie:
Ihr seid
gemein.
Julia:
Ich geh dir
herlichst mit dem Dank voraus,
sprich weiter.
Sophie:
Lily triebt
Geheimnistuerei
sorgfältig
gar, so kann ich nichts erfahren.
Ellie:
Vier Sorten
Kerzen hab ich mitgebracht:
der einen Kerze
Wachs brennt nur ganz milde,
der zweiten
Kerze Tropfen schmerzen mehr,
der dritten
Kerze Schmelzen ursacht Tränen,
der vierten
Kerze Pein befürchte sehr.
Sophie:
Das tut ihr mir
nicht an, das glaub ich nicht.
Julia:
Wer sprach von
dir? Henrike find ich schöner.
Sophie (greift
Henrike, hält sie von jetzt an am Arm):
Dann quält
doch Lily!
Annika:
Das Problem ist
folgend:
sie sucht oft
Kreon auf, und wird´s ihm berichten.
Ellie:
Sophie, du
schuldest 15 Tage uns.
Julia:
Ein Tag, ein
Tropfen auf den Unterarm.
Sophie (weint):
Was Lily weiß,
gebt zu, ist euch egal -
ihr wollt nur
quälen!
Ellie (küsst
Sophie auf die Wange):
Kostbar deine
Tränen.
Annika:
Der Kuss war
inspirierend, insofern,
dass ihr nicht
auch denkt, was ich denke?
Ellie
(erschrocken):
Was?
Annika:
Sophie hat Lily
unter Fittiche genommen,
die süchtig
sind nach einer neuen Maus.
Julia:
Und weint aus
Schuldgefühl, und nicht aus Sympathie?
Ellie:
Die Nebelkerze
Annika gezündet,
um uns zu
zwingen, der Henrike nichts zu tun.
Uns sind die
langen Fingerchen gebunden,
was Lilys Fall
angeht, - oh, das war kühn!
Annika:
Paranoid ist
niemand hier natürlich.
Ellie:
Wir ängstigen
Henrike ausführlich,
und wachsen sie
am zweiten Juni ein.
Henrike
(ängstlich, kaum hörbar):
Was ist so
wichtig euch?
Julia:
Information.
Annika:
Henrike, schau:
der Arian hat eine
Geliebte, die
er dir vorziehen tut.
Wer ist sie?
Lily selbst? Oder die Kleine?
Ellie:
Zu spielen gut
mit welcher Strategie?
Was ist an dir,
Henrike, nicht genügend?
Sucht er nach
einer Süßeren als dir?
Julia:
Will Arian
vielleicht erwachsen werden,
und findet
kindisch, die er einst gemocht?
Ich will nicht
aufgeben ungefocht.
2.3.
Mittelkarbon
Später Abend.
Ein geingfügiges Gewitter, vor dem Lily in Sophies Bett flüchtet.
Sophie:
Du bist so
kalt, gib mir die kühlen Händchen,
so ist es gut,
vielleicht viel mehr als gut.
Lily:
Worauf du
hinaus?
Sophie:
Ich soll dich
ausfragen.
Lily:
In wessen
Auftrag?
Sophie:
Zwei miese
Miezen sind´s.
Lily:
Geht es um
Arian?
Sophie:
Hast was mit
ihm zu tun?
Lily
(kichernd):
Er mag mich
nicht geringer als Henrike,
doch ich ihm
gehe ständig aus dem Weg.
Sophie:
Du einen
Anderen zum Freunde hast?
Lily:
Du fragst mich
also aus.
Sophie:
Nein, nur für
mich persönlich.
Lily:
Wieso?
Sophie:
Weil wissen
will, ob es sich lohnt.
Lily:
Und was?
Sophie:
Henrikes
Unversehrtheit opfern:
die werden ihr
was tun, wenn du mir nichts erzählst.
Lily:
Dein Plan also,
sie in dem Glauben zu lassen,
du würdest
mich nicht knacken können, doch weshalb?
Sophie:
Dass du und ich
in Ruhe sind gelassen.
Lily:
In Ruhe sind
gelassen - und wobei?
Sophie (lässt
Lily los, schiebt sie sanft aus dem Bett):
Geh schlafen,
Lily, lass mich, ich bin müde.
Lily (den
Tränen nahe):
Es donnert
wieder. Bitte, halt mich fest.
Sophie:
Dein Architekt
verdient sehr viel Respekt,
dass du so nah
am Wasser bist gebaut.
Lily (lacht):
Der Spruch geht
anders. Warum magst du mich denn so?
Sophie (lässt
Lily wieder los):
Ich finde dich
nicht niedlich und nicht süß -
nur vor dem
Donner hab ich dich beschützt,
doch wenn du
willst, kannst du in meinem Bette schlafen.
Lily:
Ich habe
gestern äußerst schlecht geträumt.
Sophie (legt
beide Arme um Lily, zieht sie an sich):
Dein Nachtanzug
ist hauchdünn, dass du nicht frierst...
Lily
(verspielt):
Schon klar. Ich
find dich schön, - dass du mich nicht, enttäuscht.
2.4. Hochkarbon
Vormittag des
31. Mai. Im Walde an der Schlucht. Arian erscheint zu einem
heimlichen Treffen mit Henrike.
Arian:
Wie lange
wartest du, mein bleicher Engel?
Henrike:
Viel länger,
als ein Mädchen warten soll.
Arian:
Alte Gefühle,
wie die großen Dinos
mir sterben ab,
und mein Asteroid
heißt Lily.
Und dich find ich nur noch schön.
Henrike:
Nur schön -
wie Kreon - ohne etwas zu empfinden?
Arian:
Genau dieses
habe ich gesagt.
Cilian (stellt
seit einigen Tagen Henrike nach, will nun endlich mit ihr reden):
Ich habe mich
verirrt, verzeihet mir.
Arian:
Du eine Klasse
bist zu tief.
Cilian:
Henrike heißt
du, oder? Wer ist der Typ?
Henrike:
Wer ihn nicht
kennt,
war nie im
Schultheater, ist gar ein Banaus.
Cilian:
Ach, Narziss!
Ich erinner mich, natürlich.
Arian:
Was sucht du
hier? Nicht eine Spur zu alt
für dieses
Mädchen? Wirst du nicht bald 14?
Cilian:
Das stimmt
soweit, doch Unterschied nicht groß.
Arian:
In unsrem Alter
schon. Du starrst sie an,
als wärest du
ein Geist, den sie gesehen.
Henrike:
Du fingst an
mit "Ich habe mich verirrt".
Du findest auf
dem linken Pfad zurück.
Cilian:
Na gut. Na
schön. Lacht meinetwegen, lacht,
doch sich mein
Herz nichts vorzuwerfen hat,
dass es,
Henrike, dich so sehr begehrt,
dass es
schlaflose Nächte mir bereitet!
Arian:
Komm, Freund,
das kannst du besser.
Cilian (ruft
aus und schweigt verlegen):
Spotte meiner
nicht!
Henrike:
So sprachlos,
wie du bist, sieh dich als ernstgenommen.
Meine Natur ist
schüchtern, doch ich sag´s direkt:
Ich liebe ihn,
den Arian, den Narziss.
Arian:
Das Mädchen
hat gesprochen. Weiche nun!
Henrike (schaut
dem sich entfernenden und leise weinenden Cilian hinterher):
Aus Mitleid
küss ich keinen in den Juni,
das wäre
unaufrichtig, - wie du nickst,
daraus schließe
ich, du siehst es ähnlich.
Er kriegt mich
nicht, ich dich nicht, und du Lily nicht.
Arian:
Gib mir die
Hand und lass uns leis spazieren.
Henrike:
Sehr gern, denn
besser so, als ohne dich.
2.5. Oberkarbon
Kreons Bunker.
Abend.
Lily:
Ein Glück,
dass dunkelt gar so spät,
sonst traute
mich gar nicht in den Wald.
Leonie:
Bist ja nun
hier. Über der Schlucht wird niemand sein.
Kreon:
Das Auge des
Kreon wird nur wachen.
Kurz vor
Mitternacht, Wiese vor der Herberge. Arian schaut abwesend in die
Ferne, Ellie und Julia schleichen sich heran.
Julia:
Du hast Henrike
ganz allein gelassen.
Arian:
Ich liebe sie
nicht mehr, ein Kuss wär falsch.
Ellie:
Die Nacht ist
wichtig, jetzt leichtfertig küssen,
und ganzen
Sommer grollen, mies gestimmt.
Arian:
Drum küsse ich
die Sterne.
Julia:
Viele
gleichsam?
Ellie
(flüsternd):
Das ginge auch
bei Mädchen.
Julia (leicht
erregt):
Hast du´s denn
probiert?
Arian:
Nach euren
vollen Lippen ist mir wahrlich Gier.
Ellie:
Eine Minute
noch.
Arian:
Ich hab es
anders überlegt.
Julia:
Vierzig
Sekunden.
Ellie
(lippenleckend):
Ist doch nichts
dabei.
Julia:
Dreißig
Sekunden, und so lang soll sein der Kuss.
Arian (lässt sich auf einen gleichzeitigen langen Kuss mit Julia und Ellie ein):
Ihr seid zwei
Schätze, die mir nicht entgehen!
Ellie:
War das nicht
schön?
Arian:
Wisst ihr, wen
Lily küsste?
Julia:
Was findest du
an ihr? Sie langweilt mich.
Arian:
Ich stehe auf
Mädchen, du auf Jungs.
Geschmäcker
sind verschieden, klare Sache.
Julia:
Ich fand den
Kuss auch wegen Ellie schön.
Friedrich
(tritt angeberisch heran):
Gar süß
schmeckt Annika in dieser Nacht mir,
und morgen will
Sophie noch was von mir,
und - weiß der
Geier - übermorgen ihr.
Ellie:
Wir küssten
eben Arian zusammen.
Friedrich
(verwirrt):
Ihr beide -
ihn? Das heißt gar, gleich zudritt?
Julia:
Entspricht der
Wahrheit, schön ist´s auch gewesen.
Friedrich
(erzürnt):
Verwöhnter
Bengel! Musst du denn so protzen?
Reicht dir denn
nicht der Ruhm, Henrikes Herz?
Nimmst du mir
Mädchen weg aus purem Spaße?
Ellie:
Wer nimmt dir,
Wichtigtuer, etwas weg?
Wir waren sein,
bevor hierher gefahren.
Friedrich
(stutzt):
Doch einst
versteh ich nicht, ihr fiesen Krähen:
ihr euch die
Augen auskratzen müßtet,
so dass die
Eine nur den Jungen kriegt!
Julia (lacht
verspielt):
Das wäre
unklug, wir kooperieren.
Friedrich
(verzweifelt):
Ich hasse euch!
Arian:
Wir haben dich
verstanden.
Geh nun ins
Bett, und wir spazieren noch:
rechts Julia,
und Ellie links von mir,
und Hand und
Hand, als wären wir verknallt.
Ellie:
Du in uns
beide? Geht das überhaupt?
Arian:
Das Gehen geht,
ihr seht doch, wie wir gehen,
und überdies
mag ich euch beide sehr.
2.6.
Ultrakarbon
Erster Juni,
Mittag. Friedrich sitzt schlecht gelaunt am Pool, Henrike kommt
hinzu.
Henrike:
Ach, Friedrich,
hast du Arian gesehen?
Friedrich:
Versink im
Boden, Schlange! Fort von mir!
Henrike:
Dies zeugt von
keiner guten Kinderstube.
Friedrich
(steht auf und ohrfeigt Henrike):
Ich sagte,
fort! Dein Hahn ist im Bordell
mit zwei
Gespielinnen, die ihn verwöhnen!
Henrike
(weint):
Noch nie hat
einer mich derart behandelt.
Sophie (läuft
zu Henrike):
Und niemals
wird es einer nochmal tun.
Friedrich (hebt
die Faust, setzt sich dann geknickt auf den Boden):
Seid euch nicht
sicher! Ich werd euch vernichten!!
Im Walde an der
Schlucht, etwas später. Sophie trifft Kreon, dem Lily Sophies Wunsch
nach einem Treffen überbrachte.
Kreon:
Ist es denn
wahr? So etwas ist kein Scherz.
Sophie:
Ich sah ganz
deutlich: er hat sie geschlagen.
Kreon:
Null Toleranz
in solchen Fällen, mein Prinzip.
Wer Mädchen
schlägt, verdient es nicht, zu leben.
Sophie:
Verhindere ein
zweites Mal, mehr nicht.
Kreon:
O nein, ich
werde mit der Wurzel ausreißen
den bloßen
Wunsch, so etwas noch zu tun.
Ich stopf ihm
das Geschehene ins Maul,
dass er sich
nie mehr an ein Mädchen traut.
Abend, Kreons
Bunker.
Lily:
Die letzte
Nacht war schön, doch wieder zu Sophie
ich gehen nicht
bloß muss - es zieht mich förmlich hin.
Leonie:
Du bist ja
eifersüchtig auf Henrike!
Lily:
Sophie ist
meine Freundin, mehr ist nicht.
Leonie:
Mehr nicht, als
dich, wie einen Schatz, ans Herz zu drücken?
Lily:
Du duldest wohl
nicht das Geringste neben dir.
Leonie:
Ist gestern
etwa unser Abschiedskuss gewesen?
Lily:
Du machst mir
große Angst, beende dies!
Leonie:
So wär es
besser, noch hat niemand was bemerkt.
In Freundschaft
lass uns nun auseinandern.
Lily:
Hörst du dich
sprechen? Tust du mir das an
aus einer Laune
heraus? Ich kenne dich nicht wieder!
Leonie:
Aufhören soll
man, wenn´s am Schönsten ist.
Kreon (kommt
durch die Tür):
Ich sehe
Tränen. Was geschehen, Lily?
Lily:
Ein großes
Nichts. Bring mich jetzt zu Sophie.
Leonie:
Schließ nur
von Außen ab, hier brennt doch Licht.
15 Minuten halt
ich aus allein.
Lily weint
bitterlich, Sophie kommt in ihr Bett und tröstet sie.
Sophie:
Begreifen tu
ich nicht, was denn so Schreckliches passiert.
Lily
(schluchzt):
Ich sagte:
nichts. Und lass mich jetzt in Ruhe!
Sophie:
Du brichst mein
Herz, das ohnehin schon wackelt.
Henrike erst
geschlagen, nun bist du untröstlich.
Lily:
Beschütze du
dein leichenblasses Küken,
und spring aus
meinem Bett, ich mag dich nicht!
2.7. Überkarbon
2. Juni,
Nachmittag. Kreons Bunker.
Kreon:
Ich hab dich
immer abends abgeholt, warum diesmal so früh?
Leonie:
Ich wollte
meine Ruhe.
Kreon:
Wer hat sie
dir, zartestes Küken, nicht gelassen?
Leonie:
Aus deinem Mund
klingt "zartes Küken" gar perfid.
Kreon:
Ich bin
verlegen, wenn du mir begegnest,
ohne zu
sprechen gar, und so noch mehr.
Leonie:
Kommt mir
gelegen, dass du doch Gefühle hegst.
Kreon:
Ich mag dich,
wie ich meine Katze mag,
mit
allertiefster Ehrfurcht vor der Schönheit.
Leonie:
Und wirst
bezeugen, dass zutiefst verknallt,
und im Begriff,
mein erster Freund zu sein.
Kreon:
Das soll ich
tun? Für dich? Das ist ein Wahn!
Was hast du,
weiße Unschuld, denn davon?
Leonie:
Dies lässt du
meine Sache sein: vertrauen tust du mir,
denn ich die
Einzige, die dein Geheimnis kennt.
Kreon:
Dir glaubt
keiner, und Beweise hast du nicht.
Leonie:
Doch du bist
gütig, und verwöhnst mich gern.
Bring mich
zurück, ich schlaf nicht mehr im Bunker!
Kreon:
Sei´s wie du
willst, soll Arian für mich lügen!
Du bist mein
Liebling, so wie er mein Prinz.
Die Neigung
stützt nur Sitte und Gesetz,
doch ist in
meinem Kopf nicht federführend.
Im Walde an der
Schlucht bei Sonnenuntergang.
Henrike:
Sophie, wir
sind hierher den ganzen Weg gegangen,
und du hast nur
geschwiegen. Was ist los?
Sophie:
Sie hat
Johannes heut nach einem Feuerzeug gefragt,
die grausame
Julia, mein Kind.
Wozu denn
sonst, als Kerzen anzuzünden?
Henrike:
Dein Kind!? Was
reitet dich? Hat Lily dich verlassen?
Sophie:
Ich war mit
Lily nie zusammen, nie!
Henrike:
Sehr schön für
dich, und auch schön für Lily.
Sophie:
Komm auf mein
Zimmer heute Nacht, lass dich nicht quälen!
Henrike:
Weißt du, ich
mag sogar die sehr gemeinen Mädchen:
bei ihnen weiß
ich stets woran ich bin. So wie bei Arian.
Sophie:
Was hab ich dir
getan?
Tat ich nicht
alles nur zu deinem Besten?
Henrike:
Du langweilst
mich. Was willst du noch von mir?
Sophie:
Die Folter mit
dem Wachs erscheint mir unerträglich:
ich will nicht
daran denken, wie du weinst!
Henrike:
Ich werde
weinen ohnehin, der Gründe gibt es viele.
Ein Schmerz,
der fassbar ist, der ist mir gar willkommen.
Und denkst du
etwa, dort Barbaren sind am Werk?
Sie werden mich
ganz sicher nicht verletzen.
Sophie:
Doch bringen
dich zum Weinen ganz bestimmt!
Henrike:
Hast du nicht
zugehört? Und jetzt verschwinde!
Abendrunde im
Konferenzraum.
Cilian (in
gesprächsleitender Position):
Gab es
Beschwerden? Jemand ein Problem?
Arian:
Von denen
leider keins, oder zum Glück,
doch will ich
eine Neuigkeit verlesen,
die von der
handelnden Person autorisiert.
Ellie:
Ich bin nun
ganz gespannt, wenn auch irritiert.
Arian:
Der stolze
Kreon ist in Leonie verknallt.
Cilian:
Was geht es
jetzt die ganze Runde an?
Arian:
Ihr wissen
wolltet, wo die Elfe war
in jener
unheilvollen Nacht zum Ersten Juni -
sie war mit ihm
dort draußen auf dem Berg,
nahm einen Kuss
und einen Ring entgegen,
so ist der
Kreon jetzt ihr erster Freund.
Sophie:
Das ist ja
spannend, doch, was mich beschäftigt,
als von
Abwesenden die Rede war - was machte Lily?
Arian:
Dies ist mir,
ich bedaure, nicht bekannt,
und tut zur
Sache nichts bis äußerst wenig.
Annika:
Das stimmt nur
halb - es ist ja relevant,
wo Leonie war,
dass alle es jetzt wissen.
Arian:
Ich gebe zu, in
Lily bin verknallt,
und will´s
nicht hören, gute Nacht euch allen.
Friedrich
(lächelt endlich wieder):
Der stolze
Kreon - möglich - sich verzieht
tief in sein
Loch die ganze Zeit deswegen:
er Leonie
belästigte mit Mitteln,
die sehr
unredlich sein gewesen müssen,
erpresste sie,
bis sie ihm Freundin ward.
Er schämt sich
nun bestimmt, - Zivilcourage
hat Arian
gezeigt, mein guter Freund.
Obschon im Wald
kein Unglück vorgefallen,
Bunkerbesetzung
sollte werden überdacht,
was hieße: ich
bin brennend heißer Kandidat,
zum Wohle aller
nun im Walde aufzupassen,
und, Leonie, du
solltest ihn verlassen!
3.1. Vorperm
5. Juni, Abend.
Irgendwo im Wald. Annika und Friedrich sondern sich von einer Gruppe
ab.
Annika:
Was komisch
ist: seit Kreon Leonies Freund,
haben sie sich,
soviel ich weiß, nicht mehr gesehen.
Friedrich:
Ach, sie
verließ ihn doch, wie ich geraten!
Annika:
Ich dachte
nicht, dass er den Schwanz einzieht.
Friedrich:
Mich hast du
unterschätzt, ihn überschätzt.
Im Walde an der
Schlucht kurz vor Mitternacht.
Dunkleosteus:
Lass ihn
gewinnen, Kreon, das ist fair.
Kreon:
Ich hielt dich
- offenbar ich dir - für klüger.
Dunkleosteus:
Dass er ein
Mädchen schlug, verzeiht ihm keiner mehr,
er ist genug
gestraft.
Kreon:
Du irrst:
vergessen haben´s alle,
und die Henrike
selbst - ein Leichensack aus Tränen.
Schlüge er
nochmal zu, wär´s ihr egal.
Doch was mich
wundert: du, mein Gleichgesinnter
in Sachen
Werte, Würde und Respekt
spielst dem
charakterlosen Esel in die Karten!
Dunkleosteus
(kopfschüttelnd):
Ich weiß doch
gut, wozu du fähig bist.
Kreon
(gereizt):
Woher denn,
Junge? Los, erzähl es mir!
Dunkleosteus:
Man hört so
Sachen, es wird viel erzählt.
Kreon
(beruhigt):
Verzeih, die
Paranoia ging nun mit mir durch.
Woran ich
dachte, ist mir schon entgangen,
doch gehe
schamhaft mit Privatem um.
Dunkleosteus:
So schamhaft,
dass der Prinz in deinem Namen
erklärt, du
seist mit Leonie zusammen?
Kreon:
Ein Scherz,
mehr nicht. Ein dummer Jungenstreich,
den ich dem
Arian verzeihe gern.
6. Juni,
frühmorgens. Friedrich rennt entsetzt durch die Korridore.
Friedrich:
Mein Tagebuch!
Wer hat´s geklaut, gesehen?
Johannes:
Ich ahne es:
das muss der Kreon sein.
Was steht da
drin?
Friedrich:
Gewisse
Phantasien.
Kreon (betritt
den noch leeren Speisesaal nach Friedrich und Johannes):
Ganz recht, und
manche sehr interessant.
Johannes:
Was forderst du
dafür? Und wer für dich geklaut?
Kreon:
Ich habe weit
mehr Arme, als die Spinnen.
Friedrich, du
kniest dich nieder vor Henrike,
und dich
entschuldigst so, dass man dir glaubt.
Friedrich:
Es tut mir
wirklich leid, ich war frustriert!
Und mehr noch,
glaub, es tat mir leid, als ich sie schlug,
das war nur
Unbeherrschtheit, keine Bosheit!
Kreon:
Lass du das
Mädchen dies entscheiden selbst.
Sieht es nach
Zwang aus, wird dein Tagebuch kopiert.
Kommt deine
Reue nicht von Herzen, werden alle lesen,
was du im Pool
zu treiben wünschtest mit Sophie,
was
leidenschaftlich du an Arian bewunderst,
mit welcher
Lehrerin unsittlich zu verkehren
seit über
einem Jahr dein Herzenswunsch.
3.2. Frühperm
7. Juni.
Abendspaziergang am Waldrand.
Henrike:
Belustigt hat
es mich, den Friedrich so zu sehen.
Johannes:
Ist diese Sache
nun für dich vorbei?
Henrike:
Ich habe ihm
vergeben.
Leonie:
Was ist mit
deinen Augen los? Hast du geweint?
Henrike:
Waren bloß
Kerzen, diesmal Stufe zwei.
Leonie:
Was meinst du
denn damit?
Henrike:
Das war ein
Scherz.
Leonie:
Mir Komisches
passiert vor einer Stunde.
Johannes:
Erzähl, wenn
kein Geheimnis.
Leonie:
Friedrich bat
mich,
zu Kreon in den
Bunker rückzukehren,
dort meine
Nächte wieder zu verbringen.
Johannes:
Warum, weshalb?
Leonie:
Er fürchtet
sich so sehr,
mir nur ein
Haar zu krümmen.
Henrike:
Hat er gar
nicht vor.
Johannes:
So wie bei dir,
doch wenn der Narziss wieder strahlt,
vergisst er
sich, und kennt die Konsequenzen:
sie werden
furchtbar sein, das Tagebuch war nichts.
Henrike:
Hat Friedrich
es zurück?
Johannes:
Schön wär´s
für ihn.
Komm, bringen
wir die Leonie zum Bunker,
sonst ist
Ungnade unser ganz bestimmt.
Später Abend
in Kreons Bunker.
Leonie:
Ich bin zurück,
freiwillig freilich nicht.
Kreon:
Dann geh
dorthin, wo es dir besser geht.
Leonie (nimmt
seine Hände und guckt ihn niedlich an):
So war es nicht
gemeint, wie du verstanden.
Mir seltsam
vorkam, dass sich Friedrich sorgt,
der sonst
leichtsinnig ist, um Konsequenzen.
Kreon:
Wie lange hast
du vor zu lügen, weiße Maus?
Leonie:
Es stimmt doch
- frag Johannes, frag Henrike!
Kreon:
Ich weiß davon
nicht weniger, als du.
Leonie:
Hast du dem
Friedrich wieder mal gedroht?
Womit denn
jetzt?
Kreon:
Das Tagebuch
sich melken
noch lange
lässt, doch das ist nicht der Punkt.
Was du mit Lily
tatest, heiße ich nicht gut.
Leonie:
Niemand darf
wissen, niemand darf erfahren!
Denk doch
daran, was alle werden flüstern
weit über
Ferien hinaus ein ganzes Jahr!
Kreon:
Sind die
Bedenken Mädchentränen wert?
Und leidest du
nicht auch, und unterdrückst es?
Null Toleranz
erhält bei mir Gewalt,
auch jene eines
Mädchens gegen sich.
Leonie (lässt
sich von Kreon in den Arm nehmen):
Gefühle sind
so schrecklichst kompliziert,
doch diesen
Kuss ich werde nie vergessen.
Kreon:
Vergessen?
Keine 16 bist du alt!
Streiche das
Wort aus deinem reichen Schatz,
und such es
wieder, wenn du 20 oder tot!
Sag nun, was
Recht ist, doch ganz aus dir,
nicht meinem
Drängen nach, nicht der Vernunft!
Leonie
(flüstert):
Hol Lily her,
oder mein Herz erfriert.
3.3. Mittelperm
Abend des 8.
Juni. Arian sitzt auf dem 10-Meter-Turm vor dem Pool und weint.
Sophie kommt hinzu.
Sophie:
Ich schließe
mich gern an, so furchtbar unser Chor.
Arian:
Vielmehr wird´s
ein Duett, das überhört wird.
Sophie:
Ich liebe Lily,
du?
Arian:
Ich tu es auch.
Woher die
Offenheit, es so direkt zu sagen?
Sophie:
Dass ich ein
Mädchen liebe? Wohl aus der Verzweiflung:
sie schlief die
Tage noch in ihrem Bett,
und ließ mich
nicht zu ihr, obwohl sie weinte,
doch wenn sie
einschlief, hielt ich ihre Hand.
Arian:
Nun ist sie
fort?
Sophie:
Zu Kreon
umgezogen.
Arian:
Zu welchem
Zweck?
Sophie:
Weil Leonie
dorthin.
Arian:
Und du
vermutest nichts?
Sophie:
Ich glaube
eher,
dass wir
zudritt in Lily sind verknallt:
du, ich und
Kreon, und der Mächtigste gewinnt.
Arian:
Und Leonie?
Sophie:
Um alle
abzulenken.
Du halfst ja
mit, sehr freundlich war´s von dir.
Arian:
Er bat mich, so
ich tat, gedankenlos:
ich wusste
nicht, dass Lily seine Beute.
Sophie:
Sprichst du
denn mit Henrike noch? Ich sorge mich.
Arian:
Wir reden
wenig, viel tu ich sie sehen
mit Ellie,
Julia, kichern, lachen, spielen.
Sophie:
Was sagst du
da?
Arian:
Henrike mag
sie, mehr als ich sie mag;
mich reizt an
ihnen ihre grausame Seite,
das
Unberechenbare liegt mir sehr.
Sophie (weint):
Nun bin ich
ganz zerstört und lieg am Boden.
Arian (küsst
sie):
Und doch mit
mir über der Erde schwebst.
Friedrich und
Johannes im Zimmer.
Johannes:
Verlang sein
Ehrenwort, dass er es nicht kopiert!
Friedrich:
Ja, Ehre hat
er, ehrlich und genau
ist dieser
harte Hund, doch hat mich in der Hand.
Mach in den
falschen Schritt, bin ich erledigt,
und weiß gar
sicher: jeder Schritt ist falsch.
Johannes:
Dann nimm es
mit Humor, erzähl es allen,
was du
geschrieben hast, und nenn es Kunst!
Er steht
schlecht da, und du entsprechend gut;
ihm nimmt man´s
übel, du bist wieder König!
3.4. Hochperm
Später
Nachmittag des 9. Juni. Parkplatz vor der Herberge. Leichter Regen.
Friedrich:
Betrachte,
Cilian, die Sache so:
du hast
gefunden, was am Boden lag,
und teilst es
mit, nicht wissend, was da steht.
Johannes:
Vermute in der
Runde laut, es sei von Friedrich.
Friedrich:
Und dann
enthüllst du, selber überrascht,
dass dies ein
Liebesbrief von Kreon ist.
Wenn uns die
Fälschung glückt, ist er erledigt.
Cilian:
Und Arian
erzählt dann alles mir
über Henrike,
was mir hilfreich wäre?
Friedrich:
So läuft der
Deal.
Dunkleosteus
(kommt vorbei):
Was heckt ihr
wieder aus?
Beendet diesen
Krieg, bevor zu spät!
Johannes:
Wie rührend du
dich, Opa, um uns sorgst!
Dunkleosteus:
Beim Opa,
zugegeben, muss ich schmunzeln,
doch gut ist
nur mein Rat, verderben will ich nichts.
Friedrich:
Wir denken kurz
darüber nach und sagen: nö.
Johannes:
Dem schließe
ich mich an.
Cilian:
Dann steht der
Plan.
10 Juni,
Vormittag. Starker Regen. Kreon tritt in die Spielhalle, alle lachen.
Kreon:
Was habe ich so
Lustiges verpasst?
Ellie:
Du schreibst
Henrike solche Briefe, Hengst,
da möchte ich
höchstselbst Henrike sein!
Johannes:
Zwar schwerlich
lesbar deine Schrift, und doch
entziffert
haben wir so manches Wort,
das Friedrichs
Tagebuch um Längen toppt.
Kreon (zu vier
kleineren Jungs):
Wenn dem so
ist, verteilt nun die Kopien.
Friedrich
(während alle lesen):
Jetzt sehen
alle: du bist nur gemein,
und jeder hat
doch seine Phantasien.
Kreon:
Zwei Seiten
hinten ganz, feinsäuberlich geklebt
an Rändern
aneinander, schwer zu finden,
kopieren tat
ich auch, Annika, pass auf,
du kannstest
doch das kleine Mädchen aus dem Zoo,
das dort vom
braunen Bären ward zerfleischt, -
wie kannst du
sie nicht kennen, deine Schwester!
Dunkleosteus:
Das geht zu
weit, besinn dich zur Vernunft!
Kreon:
Was weißt du
von Vernunft, du feiger Streber?
Verteilt es,
Jungs, und das Original
bekommst du,
liebe Annika, persönlich.
Friedrich:
Haltet sie auf!
Sie verbreiten Lügen!
Wer es bekam,
zerreiß das Blatt sofort!
Kreon:
Das Blatt, wo
steht: "das Kind ist hingefallen,
und ich sitz am
Gehege ganz allein.
Da kommt der
Bär, ich spür die Angst des Kindes,
und helfen
will, doch in der Hose rührt sich was:
ich bleibe
sitzen, wohliges Gefühl.
Der Bär kommt
nahe, noch ist jede Chance,
das Kind dort
wegzuziehen, zum Erfolg verdammt.
Ich bleibe
weiter sitzen, bis nur ein Moment
das Kind vom
Bären trennt, und mich vor dem Orgasmus!
Ich bleibe
sitzen, es fließt warm mein Bein herunter,
ich stöhne,
und das Tier das Kind zerbeißt,
zerreißt,
zerzerrt, da komme ich nochmal".
Friedrich
(weint laut):
O nein! Du
Irrer! Was hast du gelesen!?
Kreon:
Nur, was du
schriebst, im Gegensatz zu dir:
der Liebesbrief
war gestern arg gefälscht -
ich schrieb nie
einen, nie in meinem Leben.
Doch was ich
rede noch mit dir, du Psychopath?
Es tut mir,
Annika, für dich unendlich leid.
Arian:
Unendlich leid?
Du auf Gefühlen trampelst
wie ein
verrückt gewordner Elefant!
Kreon:
Des
Kinderquälers Seite du gewählt?
Wohl deshalb,
weil dir das Gelesene gefällt?
Sag ehrlich,
Friedrich, du hast es behalten,
um dich - mit
Stolz, dass es real passiert -
daran, sobald
langweilig, aufzugeilen?
Johannes:
Er bricht
zusammen, hör gefälligst auf!
Kreon:
Gefallen tun
bin nicht hierher gekommen.
Doch Rache
nehmen? Nein: der Liebesbrief ein Witz.
Ich war
schockiert, und da die Vorgeschichte kenn ich,
dass Friedrichs
Urahn mordete bereits
in Lagern
Kinder, konnte ich nicht anders,
als zu
entüllen, heute, hier und jetzt,
was dieses
reiche Söhnchen treibt zum Spaße.
Cilian:
Der
Krankenwagen ist bereits gerufen,
sein Kreislauf
ist vollkommen kollabiert.
Kreon:
Du leidest mit
dem Mörder, und das Kind,
des Tod er hat
genossen, dir gleichgültig?
Ellie:
So hart das
ist, was Kreon sagt, hat er doch Recht:
vorhin war es
nur Spiel, jetzt ganzer Ernst.
Sophie:
So ein
Perverser, ich bin fassungslos.
Julia:
Wird so etwas
genetisch übertragen?
Der Arian ist
Friedrich sein Cousin.
Kreon (wandert
zum Ausgang):
Das konnte
Arian, verdammt nochmal, nicht wissen.
An Fakten
haltet euch, und urteilt nicht so streng.
3.5. Oberperm
Abend in Kreons
Bunker.
Lily:
Sophie,
Henrike, hört, ich lud euch ein,
zu übernachten
bei des Alptraums größtem Schreck,
der uns
beschützt vor bösem Schweigen jener,
die sicher
wissen müßten, was der Friedrich tat.
Sophie:
Wen haben seine
Eltern denn bestochen,
damit die
Wahrheit überall getilgt,
und nur im
Tagebuch noch da aus purer Dummheit?
Kreon:
Mich reizt das
Thema nicht zum Dialog.
Vergesst es mit
der Zeit, verdängt es nicht gewaltsam.
Träumt ihr
davon, so könnt ihr´s mir erzählen.
Henrike:
Das sowas
rumgelaufen frei, unfassbar sehr!
Leonie:
Kommt mit zu
mir und Lily, lasst uns wie vier Kätzchen
den Horror
auskuscheln, bis er ganz verschwunden.
Kreon:
Ihr habt die
Katzen gegenseitig an euch selbst,
und ich hab
meine Katze hier, den schwarzen Tiger.
11. Juni,
Mittag am Pool.
Julia:
Der Hunger euch
vergangen?
Johannes:
Jener nicht, -
jedoch der Appetit für lang verschwunden.
Arian:
Wer hätte das
gedacht? Wer hätte vorgestellt,
dass einer, der
so jung wie wir, zu sowas fähig?
Ellie:
Doch musste
dieser Zeitpunkt so gewählt?
Das riecht nach
Wahrheit nicht - nach Strategie.
Julia:
Ja, Kreon hat
sich mit sich selbst verschworen,
und wartete den
Zeitpunkt taktisch ab.
Sag, glaubst du
das wirklich? Noch zu retten?
Johannes:
Das klingt mir
auch nach Verschwörungstheorie.
Damit
Verschwörung wahr, muss jemand sein im Bunde
mit ihm, - wer
kann es sein? Ist Arian der Held?
Arian:
Du spinnst
gewaltig! Irrst rekordverdächtig!
Cilian (setzt
sich hinzu):
Der
Dunkleosteus Andeutungen gemacht,
doch will mit
Kreon erst allein er reden.
Johannes:
Was weiß schon
der? Bestimmt was ausgedacht,
um mehr zu
gelten, als die runde Null.
Annika:
Es ist mir,
ehrlich, absolut egal,
ob Kreon
abgewartet hat, oder es las
aus purer
Fassungslosigkeit in dem Moment.
Johannes:
Er hat es
immerhin kopiert, sprich Stunden sind vergangen.
Später Abend
am Parkplatz vor der Herberge.
Dunkleosteus:
Ich habe ihn -
was seltsam - nicht erreicht.
Er hatte keine
Zeit, um mich zu treffen.
Arian:
Ich sah ihn
Wilderer vertreiben mit der Flinte.
Er trug sie so
schockierend routiniert.
Johannes:
Und schoss er
jemand ab?
Arian:
Es fiel kein
einzig Schuss.
Dunkleosteus:
Er ist der
Sieger, und bekommt Allüren,
doch seine
Zunge mäßigen er wird.
3.6. Endperm
Abend des 12.
Juni, vor Kreons Bunker.
Kreon (kommt
mit Lily und Leonie hinaus):
Vier Jungs, ein
Mädchen. Wie originell.
Cilian:
Doch umgekehrt
kann auch reizvoll sein.
Kreon:
Zeugt deine
Rede von Unreife nur,
oder bist du
auf Friedrichs linker Spur?
Arian:
Was triebst du
denn, wenn nicht das, was vermutet?
Kreon:
Ich las ein
dickes Buch die ganze Zeit.
Lily:
Ja, er hat
Recht.
Leonie:
Ja, leider hat
er Recht.
Dunkleosteus:
Wie dem auch
sei, wenn du so hoch die Wahrheit,
o König,
hältst, verrate sie uns ganz!
Johannes:
Bin ganz
Ohrmuschel. Was hast du zu sagen?
Kreon:
Nicht das
Geringste, alles ist gesagt.
Dunkleosteus:
Du irrst, und
ich erinnere dich ernsthaft
an deine
Pflicht, wahrhaftig stets zu sein.
Annika:
Hat er wen
umgebracht? Was hat er angerichtet?
Kreon:
Du, Annika,
bist hier, und wo Sophie?
Arian:
Tut nichts zur
Sache. Schwimmt im Pool ein Bisschen.
Kreon:
Das heißt,
Henrike absolviert die Phase drei?
Arian:
Sie tut
freiwillig alles, was sie tun lässt, -
wehrlos zu
sein, ihr offenbar Genuss.
Dunkleosteus:
Ich wiederhole
nun zum letzten Male,
dass du nicht
ausweichen meiner Mahnung,
und aufrichtig
Wahrheit sprechen sollst.
Kreon:
Hört diesen
Freak, was hat er denn getrunken?
Johannes, etwa
deinen Yukon Jack,
von dem die
Hälfte purer Ethanol ist?
Johannes:
Die Flasche
Friedrich ehrlich austrank allein,
und sah von
jedem Missbrauch strengstens ab.
Annika:
Ich möchte
gehen. Die Versammlung ist umsonst.
Dunkleosteus:
Die Wahrheit,
die mir Leonie erzählt,
ich werde
sprechen nun, mir reicht´s des Drumherumes.
Kreon:
Was hast du
denn von Leonie erfahren?
Was weiß das
kleine Mädchen schon von mir?
Dunkleosteus:
Leonie sagte,
dass du 28,
und spielst den
Jungen vor, der du nicht bist.
Kreon
(höhnisch):
Urkomisch.
Lacht denn niemand?
Arian:
Jetzt macht so
vieles auf einmal einen Sinn.
Annika:
Ich glaube dem
irren Typen, und verstehe,
was hier
gespielt wird, langsam aber klar.
Kreon (zornig):
Und schneller
denken könnt ihr nicht, ihr Welpen?
Ist euer
Vorwurf mir, dass ich zu alt?
Zu alt wofür?
Zu alt, normal zu leben,
nicht wie im
Altenheim, normal, wie ihr!?
Dunkleosteus:
So großes
Mitleid nicht das größte Herz
kann in sich
fassen, das ich jetzt empfinde,
denn weder böse
noch Experiment
dein Spiel war
Kreon, - lediglich Verzweiflung.
Cilian:
Das lässt mich
ohne Worte staunend stehn.
Johannes:
Und wie ich war
noch davon überzeugt,
dass dieser
dunkle Geist erbärmlichste Gestalt,
die auf Erden
wandert, wie ich irrte!
Kreon:
Verschwindet!
Fort von euch! Ihr Mädchen auch!
Was steht du,
Leonie, noch rum, die mich verraten?
Ich hatte eine
Kindheit wahrlich nie,
so war es
ungerecht von mir, zu lügen?
Anstatt
Rasierschaum flossen mir die Tränen
über den
täglich neu gewuchert Bart.
Ich hielt die
Form, und hatte etwas Glück:
an Riesenwuchs
mein Körper kaum litt,
so dass behielt
ich eines Jungen Maße,
und war ein
Junge! Oder etwa nicht?
Was zählt ist,
was getan, nicht, wer gewesen!
Doch nun zählt
nichts mehr, meine Messe ist gelesen.
3.7. Finale
Extinktion
Später
Nachmittag des 13. Juni. Im Walde an der Schlucht.
Kreon:
O tiefe
Schlucht, erfülle meine Sehnsucht!
Nein, warte,
jemand hör ich kommen, der dir nimmt
die Bürde,
eine alte Leiche herzubergen.
Leonie:
Verzeih mir,
bitte.
Kreon:
Nichts ist zu
verzeihn.
Nicht dir,
nicht mir. Geh fort in deine Kindheit,
und lass mich
hier. Mein Platz ist längst im Grab.
Leonie:
Warum ich dich
verriet, erzähl ich dir:
Mitte April im
Fahrstuhl, weißt du noch?
Wir fuhren
hoch, und ich nahm deine Hand,
weil ich
bemerkte, wie mich angesehen
die ganze Zeit
du hast, und wie egal
der Umstand war
dir, dass ich kaum 12.
Kreon:
Diese Berührung
riss mich hin zum Plane,
mich
einzuschleichen in die Schülerschaft,
und mit euch in
die Ferien zu fahren,
doch auch ein
zweiter Weg ward mir eröffnet.
Wie reut es
mich, dass ich ihn nicht genommen!
Leonie:
Wenn du für
mich empfindest, komm mit mir!
Kreon:
Du Närrin,
nein, Verzeihung, Kind, das tat ich nie!
Doch diese
Sehnsucht nach der Kindheit, die du wecktest,
die ich nicht
hatte, riss mein Leben fort
vom dumpfen
Altern in das Reich der Hoffnung,
auf Erden dass
ein zweites Leben möglich sei.
Leonie:
Doch ich -
gestehe - mich in dich verknallte,
als wir
hochfuhren, doch unheimlich war es mir,
und ich mich
fürchtete vor meiner dunklen Seite.
Ich hatte mich in einen alten Mann verliebt,
und fürchtete
mich, etwas zu empfinden,
das einem
kleinen Mädchen nicht gebührt.
Kreon:
Du hattest
Angst, du hättest mich verführt?
Leonie:
Und du mit
halber Kraft nur widerstanden.
Das hätte dich
und mich sofort zerstört.
Kreon:
Versprich mir,
dass du Lily nicht verlässt!
Leonie:
Ich mag sie,
aber lieben tu ich dich:
du bist nicht
albern, sondern gar vollkommen,
ruhst in dir
allgenugsam.
Kreon (springt
in die Schlucht):
Du hast dich
getäuscht!
Ich bin ein
Loch, dass schwarz im Nichts nur klafft,
und dieses Loch
wird endlich nun geschlossen!
Leonie
(verspielt):
Hättest im
Fahrstuhl nur gefragt, ich hätte dich gestoßen
mit
allergrößter Zärtlichkeit vom Dach.
Nichts ist das
Alter, das Besondre zählt,
doch dessen
Makel, dass den Tod es wählt,
und zieht dem
Leben fröhlich vor, was ewig,
was nicht
vergeht. Leb endlich wohl, Tyrann!
2.2012