Donnerstag, 24. März 2022

Der Toddler

 

 

 

Dieser Wichser hat mein Leben zerstört, erzählt Karsten. "Ein dreijähriger Wichser!?" Ach, halt die Fresse! ...Es war also so: wir verabredeten uns bei Heinz. Wir wollten Pornos gucken. Ich bin 13 geworden und hatte das Recht auf Sex, oder etwa nicht? Wir holten uns "Filthy Girls", das aber nicht so gut war, weswegen wir uns stritten. Heinz sagte noch: "Es gibt doch so einen Film, wo diese Bitch richtig misshandelt wird", aber er machte es nur noch schlimmer, weil er den Titel nicht kannte. Ok, was solls, dann halt Filthy Girls.

Ich kam, ich komme ja immer zuerst, dann war da die Cousine von Heinz, die Elke, die war schon 14, Ken, der Cousin n-ten Grades kam, um auf uns Kinder aufzupassen, er war schon 16. Er wollte auch nicht mitgucken. Tim kam, der war noch 12, hatte aber den längsten von uns allen, und wichste schon dreimal täglich, achja, und die Bitches aus meiner Klasse, Sexeen und Leckie, so nannten wir sie. Nur Jennifer kam halt nicht. Gut, wir tranken Bier, wir setzten uns, machten den großen Bildschirm an, und dann kam ER aus irgendeiner verdammten Hölle gekrochen. Scheiße! Er wollte ein Glas Milch, Heinz gab ihm Milch und schickte ihn schlafen. Er kam aber wieder, der widerliche Hurensohn. Er wollte spielen. Verdammt, wer will denn jetzt mit ihm spielen?

Ich würde den ganzen Abend auf den Kleinen aufpassen, wenn Jennifer da wäre. Aber wo bleibt sie? Das ist unfair. Dann ist mir auch egal, dann lese ich halt ein Buch.

Ken ist halt sehr introvertiert. Er war im Nebenraum und las. Aber er war halt pro forma da, um auf uns aufzupassen. Er war in Jennifer verknallt. Eigentlich pädophil: er schon in der 10-ten, sie noch in der 7-ten, wie wir. Verdammt, warum stand er nicht auf den Toddler? Er hätte ihn in der Zeit locker durchnehmen können, und, glaub mir, das wäre besser für ihn gewesen. "Besser?" Du scheiß Priester bist doch auch ein Kinderficker, etwa nicht? "Leider wurde ich als Messdiener missbraucht, aber ich habe selber Kindern nichts angetan". Du Opfer! Sorry. Soll ich weiter erzählen? Gut, wir tranken natürlich weiter, ist ja klar, wir mussten uns die dicken Mädchen und die hässliche Elke ja schöntrinken. Und ich hatte bei Gott und Jesus endlich mal das Recht auf meinen ersten Blowjob!!

Ich würde den nicht so vernachlässigen, wenn er mein kleiner Bruder wäre. Aber Jennifer hat doch versprochen, zu kommen. Sie bricht gerade mein Herz.

Da kam er also wieder und ich sagte, Heinz, mach was, dass dieser Toddler hier wegkommt. Was, der will mitgucken? Nein, das ist nicht Harry Potter. Was er mit Bailey macht? Er fickt sie in den Mund, was sonst. Was ficken ist? Vergewaltigen. Heinz, stopfst du ihm das Maul oder soll ich ihm eine verpassen? Scheiße. Jetzt wollte er Eis. Also gut, Heinz, wenn du zu sehr damit beschäftigt bist, mit Sexeen zu knutschen, dann gebe ich deinem Bruder Eis. Und ich gab ihm eine ganze Schüssel voll, alles, worauf der kleine Wichser Bock hatte. Als ich zurück im Wohnzimmer war, da bliesen die beiden anderen beide Tim! Beide, Elke und Leckie, Tim! Und mir!? Ich hatte ein verdammtes Recht auf meinen hart verdienten Blowjob. Und da kam ER wieder und beschwerte sich.

Warum schreit ihr ihn an? Warum droht ihr ihm, dass seine Mama stirbt? Warum lügt ihr ihn an, dass sie Krebs im Endstadium hat, sie ist doch auch deine Mutter, Heinz! Jennifer hat einen Verrat an meinem Herzen begangen. Na gut, dann nix mit Empathie, ich lese weiter "Das Leben Jesu", vielleicht schaffe ich endlich den Rekord von 214 Seiten an einem Tag zu übertreffen. Er weint? Mir doch egal, geht mich nichts an. So wie ich halt Jennifer egal bin.

Dein Hals tut weh. Aha. Sag mal, wolltest DU Eis, oder habe ich dich zu etwas gezwungen? Hört er endlich auf zu flennen? Heinz!? Und da überkam es Heinz, denn nun bliesen alle drei Tim, und Heinz hatte irgendwie keinen Steifen bekommen. Gib ihm noch mehr Eis, sagte er mir, und ich gab, ist ja sein Bruder, dem kleinen Arschbastard noch eine Schüssel Eis. Und dann, das war nicht ich, das war Heinz, kam noch Pfeffer und Chili und Spucke und Dreck vom Teppich und Spülreiniger und Waschpulver und was weiß ich nicht alles mit dazu, ich tats in den Mixer und verrührte. Hmm, lecker! "Ihr Schweine. Mir fehlen die Worte". Also wenn ich noch beichten soll, musst du dich noch etwas gedulden. Was? Was noch!? "Hast du kein schlechtes Gewissen?" Wozu, damit ich mich ritze, so wie Tim? Nee, kein Bock.

Ken machte gemächlich sein Tagebuch auf und schrieb: Sie haben ihn in eine Kiste gesperrt und machen ihm große Angst. Sie sagen, dass Voldemort ihn gleich holen wird. Nun spielt ihm Elke eine Szene vor: sie sagt, das Krankenhaus hätte angerufen, die Mama gestorben. Das kommt davon, Jennifer, wenn du mein Herz brichst. Jetzt habe ich auch kein Herz mehr für Kinder. Kein Wunder: es ist ja gebrochen.

Toddler, Toddler, wo ist deine Mama? Ja, das sangen wir. Wir alle. Außer Ken natürlich, der schließlich die Tür verschloß, um seine Ruhe zu haben. Er schrie wie am Spieß und wir spielten die Bombardierung von Dresden. Wie? Na, wir zündeten Kerzen an, jagten ihn durchs Haus und hotwaxten den Toddler, diese Mistsau. Hat den ganzen Abend ruiniert. Und mein Leben. "Du sitzt seit fünf Jahren hier ein, und ich habe den Eindruck, dass du dich überhaupt nicht entwickelt hast". Inwiefern, unheiliger Vater? "Du bereust nichts! Dir ist alles egal". Nein. Naaaain, mir ist nicht alles egal. Natürlich denke ich an die Zukunft und so. An Rache zum Beispiel. "Rache!?" Na, ich sage doch, der Toddler hat mein Leben zerstört. Er müsste jetzt 8 sein. In zehn Jahren ist er ein erwachsener Mann. Und dann reden wir nochmal drüber. Dieser Hurensohn, seufzt Karsten und zündet sich eine Zigarette an. Hätten wir bloß keine auf seinem Arsch ausgedrückt, dann hätte es keine Beweise gegeben. Naja, da sind wir, schätze ich mal, selber schuld. Besonders Leckie. Sie wäre nie im Leben meine Freundin geworden, wenn ich da nicht mitgemacht hätte. Dabei war ich der einzige, der zwischendurch aufhören wollte.

Samstag, 19. März 2022

Die Kartoffel

 

 

Mark umschwärmte Aischa: "Ich bin seit der 8. Klasse in dich verknallt, du hast so schöne schwarze Augen wie Werthers Lotte, lass uns zusammen sein!" Aischa hielt sich in der 10. Klasse bis auf eine Klassenfahrt diskret zurück, bei welcher sie Mark vor ihrem großen Bruder Ali warnte. Sie stellte nüchtern fest: "Ich mag dich auch, aber wir können nicht zusammen sein". Nun, in der 11-ten, wo Aischa immer mehr über ihre Zukunft nachdachte, und natürlich lieber eine Zukunft in Freiheit als in einer Zwangsehe wollte, redete Mark jeden Tag auf sie ein: "Werde meine Freundin, komm, du lebst in einer freien Welt, du kannst tun und lassen, was du willst, sei eine emanzipierte Frau, weg mit dem Kopftuch, gehen wir aus, gehen wir in die Disco..." Natürlich wollte Aischa all das, und sie machte dies durch ihr Verhalten auch ihrem großen Bruder klar.

"Wir müssen aber mit Ali reden", sagte Aischa. "Klar, reden wir mit Ali", stimmte Mark zu, und sprach mit ihm, aber voller Arroganz und Ignoranz. Der Klassenlehrer von Mark und Aischa sagte vor der ganzen Klasse: "Ali ist ein Verbrecher. Es macht keinen Sinn, mit ihm zu reden, er wird sich eh kriminell verhalten". Aischa rief verzweifelt: "Lassen Sie bitte diese Hetze! Ich weiß, wie mein Bruder tickt. Er ist nicht in der freien Welt angekommen, er hat seinen kranken Stolz und seine toxisch-maskulinen Wertvorstellungen, aber wem hilft es, wenn wir den Teufel aus ihm machen?" Ali kochte vor Wut darüber, nicht verstanden zu werden. Er versprach Lee, bis zum Abiball still zu halten, und schlug einen Tag später Aischa zusammen. "Haha, er ist isoliert!" triumphierte der Klassenlehrer seiner Schwester. "Nun, Ali war der einzige aus dem Abiturjahrgang, der keine Partnerin für den Abiball hatte", stellte Mark schadenfroh fest.

Am nächsten Tag schlug er Aischa wieder zusammen. "Ich rede nicht mehr mit Ali", sagte Mark. Am dritten Tag nach dem Abiball kam Aischa mit einem Gipsarm in die Schule. "Ich gehe nie wieder in das Blumengeschäft von Alis Vater", schüttelte Mark mit dem Kopf. Doch auch Aischa schüttelte mit dem Kopf, und Mark fragte, was denn los sei. "Hallo!? Er schlägt mich jeden Tag zusammen. Es wäre nett, wenn du mir helfen würdest". Am vierten Tag hatte sie zwei blaue Augen und eine gebrochene Nase. Da Mark nicht helfen wollte, bat sie jeden, den sie in der Schule kannte, doch alles, was sie bekam, waren Telefonnummern von Psychologen, Geld für Schmerzmittel und Pfefferspray. Der Klassenlehrer hörte ihrem Flehen zu, aber verweigerte im Beisein Alis jede Hilfe. "Ali ist ein schlechter Mensch, ich rede nicht mehr mit ihm. Meine Sympathie ist auf deiner Seite, Aischa", sagte er. Als Aischa dies gegenüber Mark zynisch kommentierte, schrie er sie hysterisch an: "Ich ignoriere Ali, ich beschimpfe ihn, ich spreche dir jeden Tag Mut zu, ich habe dir sogar fünf Kühlbeutel in der Apotheke gekauft, was willst du denn noch!?"