Staatsanwalt, 55, gefesselt an einen Stuhl, der am Boden befestigt war. Nachdem der Mann feststellte, dass Hilfeschreie zwecklos waren, versuchte er es mit "Wer sind Sie?" und "Was wollen Sie?" Alsbald ging ein Flachbildschirm auf und zeigte tonlose Bilder von einem sich tragisch durch die Pubertät quälenden Jungen mit schriftlichem Kommentar: "Bis zur 7. Klasse war ich immer Klassenbester. Ein Fussballtalent. Ich wollte seit meiner Kindheit Astronaut werden. In der 8. Klasse verliebte ich mich in Sophie. Ich merkte schnell, dass ich keine Chance hatte. Sophie war bei allen beliebt und ich war ein Außenseiter. In der 9. Klasse bekam ich Depressionen und began Drogen zu nehmen. Ich schaffte die 10 nicht. Ich flog von der Schule. Ich landete in der Kleinkriminalität. Auf einen Heroinentzug folgten vier Selbstmordversuche". Der Staatsanwalt dachte nach - wurde ein junger Mann mit seiner Hilfe zu einer zu hohen Strafe verurteilt? Nein. Er dachte nach. Nichts. Er hatte sehr selten mit jugendlichen Straftätern zu tun. Seine Kleidung roch nach Benzin, er konnte seine Hände nur minimal bewegen. Er rieb nervös an seiner Hose, die Eier juckten ihm. Ein Verbrecher aus Liebeskummer, den er mithalf zu verurteilen? Er konnte sich nicht erinnern. Nein, da war nichts. Das Benzin stank.
9 Stunden später. Ein Cop lässt einen Mörder die Waffe fallen lassen. Der Verbrecher erschoss gerade zwölf Menschen. Ein Gespräch beginnt.
Cop: Sie sind ein Psychopath, nehme ich an.
Mörder: Vortrefflich!
Cop: Sie haben es grundlos getan, oder?
Mörder: Da muss ich Sie leider enttäuschen.
9 Stunden früher. Nun beginnt eine Videokonferenz. Derselbe junge Mann, nun Mitte 20, erscheint auf dem Bildschirm. "Was haben Sie getan, Staatsanwalt?" "Ich weiß nicht, was ich Ihnen getan haben soll", so der Gefesselte. "Das was Sie mir getan haben, könnte ich nicht mit Ihnen tun, auch mit Ihrem Sohn nicht, nicht mit Ihrem Vater, nicht mit Ihrer Mutter". Haben Sie meine Tochter entführt!? Lassen Sie sie frei!" "Warum denken Sie gleich an Ihre Tochter? Habe ich Ihre Frau denn ausgeschlossen?". "Was wollen Sie!?"
9 Stunden und wenige Minuten später.
Cop: Ja, das ist wirklich nicht gut gelaufen. Aber Ihren Marsflug hätten Sie immer noch nachholen können, trotz der verlorenen Pubertät.
Mörder: Ich habe diese Menschen nicht umgebracht, weil ich als Jugendlicher depressiv und drogensüchtig war.
Cop: Sie haben sich in dieses Mädchen verliebt, erzählten Sie. Hat es etwas mit ihr zu tun?
Mörder: Sie war so rein und unschuldig. Ich war sie nicht Wert, es ist mir kein Unrecht geschehen, ich bin sogar dankbar, sie gesehen zu haben, von ihr träumen gedurft zu haben...
Cop: Und nun sind diese Menschen tot. Eine ganze Familie haben sie vernichtet.
Mörder: Ich war nicht der Einzige, der dieses Mädchen nicht verdient hat...
9 Stunden früher. "Sie haben gesehen, was die unerwiderte Liebe zu diesem Mädchen aus meinem Leben gemacht hat". "Ja, und es tut mir Leid", murmelte der Staatsanwalt. "Das war noch gar nichts. Vergeben und vergessen. Vergeben - wem eigentlich? Mir selbst, dass ich den Traum nicht loslassen wollte. Egal. Alles vergessen. Selber Schuld. Verstehen Sie?" "Ein reifes Urteil". "Aber es gibt ein Problem, nicht wahr?" Der Mittfünfziger hustete. "Ich bin ja immer noch hier und gefesselt. Also gibt es wohl ein Problem".
9 Stunden später.
Cop: Sie sind kein Psychopath. Sie sind gar ein anständiger Mörder. Nun kommen Sie mit aufs Revier, trinken einen Espresso, und warten Ihren Prozess ab.
Mörder: Sie wissen gar nichts über Psychopathen. Psychopathen zeichnen sich nicht durch einen Mangel an logischem Denken aus, sondern durch dessen Überfluss.
Cop: Nun, ein Anderer bekam das Mädchen, sie heirateten, nehme ich an, und sie haben heute Kinder. Und Sie, Psychopath oder Nichtpsychopath, haben heute die Nerven verloren. Gehen wir!
Mörder: Das ganze sinnlose Leid einer verheißungsvollen Jugend. Hingenommen. Vergessen. Neu angefangen. Mit 22 begann ich ein Physikstudium und war wieder mal auf der Überholspur. Und dann schlug man dem Fass den Boden aus.
Cop: Hat es also gar nichts mit diesem Mdchen zu tun? Warum erzählen Sie die ganze Zeit von dem Mädchen? Mir wird gruselig, ich rufe Verstärkung... Ich hätte es sofort tun sollen.
Mörder: Warten Sie noch einen Moment. Wie ich sagte, ich war das Mädchen nicht Wert. Ich war nicht gut genug für sie. Ich akzeptierte das. Und dann erfuhr ich...
9 Stunden früher. Der junge Mann hält ein Foto an die Kamera. "Haben Sie dieses Mädchen sexuell missbraucht?" Der Mittfünfziger schweigt. Ihm wird schlecht vom Benzin, mit dem seine Kleidung durchtränkt ist. Er nickt. "Was Sie dem Mädchen getan haben, wissen Sie wohl selbst. Aber haben Sie eine Ahnung davon, was Sie mir getan haben? Ich habe wieder ins Leben zurückgefunden, akzeptiert, dass dieses Mädchen zu gut für mich war, und das, nur um zu erfahren, dass irgendein Hurensohn sie sich einfach nimmt!!?"
9 Stunden später. Cop und Mörder sehen sich die Videoaufnahme an.
Cop: Das mit dem emotionalen Ausbruch haben Sie gut hinbekommen.
Mörder: Ja, das ist wirklich gelungen.
Cop: Jetzt stöbert er in seiner Hosentasche und findet ein Feuerzeug. Ist es das, was ich denke? Ich kann mir so etwas nicht ansehen, mir wird schlecht.
Mörder: Spulen Sie vor. Ja, ich habe ihn vor eine Wahl gestellt. Entweder er zündet sich selbst an oder seine Familie wird brutal ermordet.
Cop: Da brennt er... Sie sind ein.... Psychopath!
Mörder: Ich habe seine Familie sanft ermordet. Sie sehen es ja an den Einschusslöchern. Rufen Sie schon Ihre Kollegen und führen Sie mich ab, Sie sind doch ein Cop.
Cop: Nicht bloss ein Cop, Sie Psychopath. Ein Mensch. Hören Sie!? Ich bin ein Mensch!!
Mörder: Der emotionale Ausbruch ist Ihnen gelungen.
Cop: Ficken Sie sich selbst!!! Sie Gott! Ficken Sie sich selbst und gehen Sie!! Gehen Sie!!
Mörder: Sie lassen mich gehen? Dann setzen Sie freundlicherweise die Bude in Brand!
Cop: Ich werde die ganze Villa in Brand setzen! Alles! Alles muss brennen!! Sie Psychopath! Wie können Sie so ruhig sein? Wissen Sie denn nicht, was da vorgefallen ist? Begreifen Sie es denn nicht? Ihr Leben geht an den Gefühlen zu diesem Mädchen kaputt. Was machen Sie? Belästigen Sie das Mädchen? Nein. Rächen Sie sich an dem Mädchen? Nein! Sie bleiben anständig und schüchtern. Und dieser, dieser, dieser...
Mörder: Hurensohn.
Cop: Bitte?
Mörder: Staatsanwalt.
Cop: Und dieser Hurensohn von Staatsanwalt, der nimmt sie einfach! War seine Nichte, nicht wahr?
Mörder: Wohl wahr.
Cop: Der nimmt sie einfach, und er fickt sie! Er scheißt auf Ihre Gefühle, auf Ihren Anstand, auf Ihren Respekt, und Sie...wissen Sie, was ich getan hätte?
Mörder: Habe ich es nicht bereits getan?
Cop: Nein, sie barmherziger Teufel. Zwölf Kopfschüsse! Ich bitte Sie - zwölf Kopfschüsse!! Nun gehen Sie, verschwinden Sie schon...
81 Stunden später. Der Mörder beginnt im Ausland ein neues Leben. Der Cop verwischt alle Spuren und ruft die Polizei.
6561 Stunden später. Der Mörder kehrt zurück und stellt sich, gibt alles zu. Den Cop verrät er nicht, er hat durchaus Verständnis. Vielleicht hätte er als Polizist auch so gehandelt.
2010