Donnerstag, 20. Dezember 2018

Kürzstgeschichtchen 11



Repliken, die es nicht in den Roman geschafft haben.



Gegenseitiges Denken


"Wahrscheinlich ist diese ach so reine katzenhafte zierliche Maus doch nur eine Kröte, die nur darauf wartet, bis Insekten in ihrem Gesichtsfeld auftauchen, um sich auf sie zu stürzen", denkt er; "all sein Keuschheitsgerede ist verlogen - er ist nur ein Eber, der mich von Hinten anspringen wird, sobald ich mich umgedreht habe", denkt sie.

Wie man den Längeren zieht (als die Welt)


Massenvernichtungswaffen sind furchtbar, aber sie verlieren all ihre Schrecken, wenn man an den beginnenden Raubbau in der Tiefsee denkt. Es gibt keinen Rohstoffmangel, es gibt nur Überbevölkerung. Die "goldene Milliarde" durch zehn genommen, 90% der Welt Naturpark, und die Welt ist gerettet. Werden sich die Menschen freiwillig bei der Vermehrung einschränken? Kaum. Wo sie es tun, tun sie es aus egoistischen Gründen. Alles Atombombenfraß, hoffnungslose Fälle, Säue, die, sobald gefressen, sich umdrehen, und dorthin kacken. Alles beschissen. Man möchte - was eigentlich? Als Einzelner kann man ja nichts an der Welt mit sofortiger Wirkung ändern, also beginnt man, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Vielleicht sehe ich schwarz. Vielleicht ist es meine Bosheit, die ich auf die Welt projiziere. Vielleicht belügst du dich selbst, weil es in der warmen Kacke bequemer ist als im kalten Schnee. Du bist nicht Schuld, dass die Welt so ist, bestrafe dich nicht. Du kannst nichts dafür. Mit übergroßer Wahrscheinlichkeit bist du eine ganz gewöhnliche Sau, aber wenn du wirklich aus keinem Holz geschnitzt bist, sondern aus Feingefühl, dann ab in den Schnee. Falls du allein keine Sau bist, und sonst überall Säue, stell dich nicht vor einen Zug, sondern pass auf dich auf: du bist die letzte Hoffnung der Menschheit. Wenn die Menschheit nur in einem einzigen Menschen existiert - in dir - , dann ist sie noch da. Bewahre sie. Kopf hoch, Nase hoch, sei stolz. Dein Tod wäre die größte denkbare Katastrophe für die gesamte Menschheit, denn sie wäre dann ausgestorben. Es ist kein Verbrechen, etwas Besseres zu sein, sondern das, was das Gesetz zu seinen Füßen hat. Lebe! Existiere! Sei! Wenn du auf der Welt nichts Heiliges mehr siehst, schau in den Spiegel.


Weisstdunochdamalsitis


Man kann tatsächlich so alt werden, dass man sich über einen Menschen nicht mehr ärgert, sondern durch diesen nur noch an ein Arschloch aus der Vergangenheit erinnert wird, und sich in ein schönes Mädchen nicht mehr verknallt, sondern sich an das Mädchen aus der Schulzeit erinnert, dem es ähnlich sieht, und auch bezüglich einer öffentlichen Diskussion keine Meinung mehr hat, sondern sich nur an eigene Irrtümer in jener Sache erinnert.


Was willst du im Leben erreichen?


Was doch eine solche Frage verschluckt - in diesem Fall 50 Jahre! Frage ich mich, was ich im Leben erreichen will, mache ich mein Greisenalter zur Gegenwart und die 50 Jahre bis dahin zur Vergangenheit. Ich lebe nur noch für den einen Moment irgendwann in 50 Jahren, bis ich mich zufrieden zurücklehnen und sagen kann: alles was ich wollte, habe ich erreicht. Nur noch 50 Jahre in der Vergangenheit leben, dann kommt für einen Moment das glückliche Jetzt, der Augenblick, auf den ich mein ganzes Leben gewartet haben werde: und ich sah, dass mein Leben gut war. Dann brauche ich nur noch zu sterben.


Cityhuren oder die Weltverbesserer-Pose

 
1. Schritt: Eine nette junge Frau spricht dich an, ist sehr aufdringlich, appelliert an das Gute in dir, und du hörst ihr pflichtbewusst zu, um ihr als Person und ihrem Engagement Respekt zu zollen.

2. Schritt: Die junge Frau stellt dir die Organisation, für die sie Spenden sammelt, vor, und geht wie selbstverständlich davon aus, dass du uninformiert bist, und weder über die Organisation noch über das von ihr besetzte Fachgebiet nichts weißt.

3. Schritt: Ohne sich oder dich zu fragen, ob ihre Argumente, warum du ausgerechnet für diese Organisation spenden solltest, dich überzeugen konnten, fordert sie dich auf, einen Spendenbescheid auszufüllen.

4. Schritt: Wenn du nicht von ihren Argumenten überzeugt bist, oder lobende Worte findest, aber zur Zeit finanziell nicht helfen kannst, kommen zwei Arschlöcher auf dich zu, und versuchen, dich zunächst moralisch zu erpressen, und, falls dies misslingt, zur Sau zu machen.

Ein Schritt zurück: Großzügigerweise hast du gleich am Anfang das Zugeständnis gemacht, zuzustimmen, dass diese Leute einen guten Willen hätten, dass ihr Vorhaben gut/nützlich/sinnvoll sei, obwohl dies erst zu beweisen wäre. Als Dank dafür darfst du der Böse sein, mit dem "man nicht diskutiert", da er doch offensichtlich nicht auf der Straße lebt, und sich dennoch weigert, diesen Leuten 60 Euro im Jahr zu spenden.



Apropos Pose: Spenden in Deutschland

 
Spenden in Deutschland ist eine dubiose Sache. Auf Spende reimt sich hierzulande Spendenaffäre. Wer spendet, korrumpiert, denn weshalb spendete man denn sonst? Aus Überzeugung? Dann muss die Überzeugung so groß sein, dass man so viel spendet, wie nur möglich, und dabei idealerweise auf alles nicht zum Überleben Notwendige verzichtet. Spendet man so viel oder so wenig, dass es die eigene finanzielle Lage nur peripher tangiert, dann handelt es sich um Peanuts, und die Spende ist eher peinlich: man spendet Peanuts nicht aus Überzeugung. Darum ringt man eine kleine Spende seinem Gewissen ab, tätigt diese still und heimlich, - kleine Spenden sind so etwas wie Ablasshandel.

Wer zum Spenden aufruft, macht sich ebenfalls verdächtig. Deshalb muss die Sache, für die er Spenden sammelt, die beste Sache der Welt sein, das Gute schlechthin: die Rettung bedrohter Tierarten, des Regenwaldes, der hungernden Kinder in Afrika. Für etwas weniger Wichtiges und nicht ganz so Dringendes ruft man nicht zum Spenden auf - das gehört sich nicht in Deutschland, außer man fällt so tief, dass man in öffentlichen Verkehrsmitteln um eine "kleine Spende" für sich und seinen Hund bittet, sprich um Almosen bettelt.

Wäre es verwerflich, wenn etwa in Berlin-Lichtenberg ein Club junger Poeten sich gründen würde, und für die Benutzung bestimmter Räumlichkeiten und Reisekosten seiner minderjährigen Mitglieder Spenden sammeln? Würden diese Jugendlichen nicht zu hören bekommen: habt ihr dafür kein Geld, dann lasst es sein! - , und würde der potentielle Spender nicht zu hören bekommen: wenn du schon für so etwas Geld übrig hast, dann hast du bestimmt in einer Geheimgarage einen Ferrari stehen!? Es ist eine seltsame Mentalität hierzulande, die jeden gängelt, der zwar Gutes tun möchte, aber nicht gleich sein ganzes Leben dafür opfern will.



Akademischer Incel filosoffiert: Warum Sex und nicht Brot die Ware schlechthin ist

 
Mit Brot kann der Verkäufer nicht beliebig spekulieren: verhungert der Käufer, ist er tot, und der Verkäufer bankrott. Die perfekte Ware darf nicht bei Unerschwinglichkeit den Tod des Käufers verursachen, muss aber uneingeschränkt (etwa durch theoretische Höchstpreise) begehrt werden können. Sex, alles, was in diesen drei Buchstaben zusammengefasst ist, - Liebe, Zuwendung, der andere (meist junge und weibliche) Mensch - das ist die Ware schlechthin. Damit kann man Mondpreise erzielen, der Profit kennt keine Grenzen. Sex ist ein Sparbuch, eine Aktie, eine Lebensversicherung, ein CDS. Selbst über den Tod hinaus wirkt das Sexversprechen: man betrachte die Paradiesvorstellungen sämtlicher Religionen (ausdrücklich Religionen, nicht Nihilismen wie Buddhismus). Eine Gesellschaft ohne Geld kann nur entstehen, wenn kein Gut mehr als Ware verwendet werden kann - keine Ware, kein Geld. Solange es Sex gibt, wird es Geld geben.


Weltgewandter MGHOW antwortet: Die Blasen an der Börse machen uns erst zu Menschen  


Das 50-fache des Weltsozialprodukts wandert über die globalen Handelsplätze als Wertpapiere, Derivate, Geldversprechen. Mit einen Bruchteil der Weltgeldmenge wird gewirtschaftet, aber erst das Geldversprechen sorgt für Wachstums- und Innovationsmotivationen. Erweist es sich als Lüge, fällt die Weltwirtschaft in den Zustand der Subsistenzökomonie zurück. Nur ein Bruchteil der Weltsexmenge wird tatsächlich in den Betten konsumiert. Es ist weit mehr als das 50-fache des Weltsexualprodukts, das als Sexversprechen durch die Hirne wandert. Sollte diese Blase mal platzen, so fällt die Menschheit nicht etwa in die Steinzeit zurück, nein, ins Tierreich. Der Mensch ist ein Gläubiger. Er glaubt an die Zukunft, an Glück, an Geld, an Sex. Er verlässt sich auf das Dasein dessen, was noch nicht da ist - das ist seine eigentliche Religiosität. Eine Ökonomie ohne Blasen, ohne dass der Großteil aller Werte als Versprechen besteht, kann unter Menschen gar nicht existieren.