Donnerstag, 20. Dezember 2018

Kürzstgeschichtchen 11



Repliken, die es nicht in den Roman geschafft haben.



Gegenseitiges Denken


"Wahrscheinlich ist diese ach so reine katzenhafte zierliche Maus doch nur eine Kröte, die nur darauf wartet, bis Insekten in ihrem Gesichtsfeld auftauchen, um sich auf sie zu stürzen", denkt er; "all sein Keuschheitsgerede ist verlogen - er ist nur ein Eber, der mich von Hinten anspringen wird, sobald ich mich umgedreht habe", denkt sie.

Wie man den Längeren zieht (als die Welt)


Massenvernichtungswaffen sind furchtbar, aber sie verlieren all ihre Schrecken, wenn man an den beginnenden Raubbau in der Tiefsee denkt. Es gibt keinen Rohstoffmangel, es gibt nur Überbevölkerung. Die "goldene Milliarde" durch zehn genommen, 90% der Welt Naturpark, und die Welt ist gerettet. Werden sich die Menschen freiwillig bei der Vermehrung einschränken? Kaum. Wo sie es tun, tun sie es aus egoistischen Gründen. Alles Atombombenfraß, hoffnungslose Fälle, Säue, die, sobald gefressen, sich umdrehen, und dorthin kacken. Alles beschissen. Man möchte - was eigentlich? Als Einzelner kann man ja nichts an der Welt mit sofortiger Wirkung ändern, also beginnt man, die Schuld bei sich selbst zu suchen. Vielleicht sehe ich schwarz. Vielleicht ist es meine Bosheit, die ich auf die Welt projiziere. Vielleicht belügst du dich selbst, weil es in der warmen Kacke bequemer ist als im kalten Schnee. Du bist nicht Schuld, dass die Welt so ist, bestrafe dich nicht. Du kannst nichts dafür. Mit übergroßer Wahrscheinlichkeit bist du eine ganz gewöhnliche Sau, aber wenn du wirklich aus keinem Holz geschnitzt bist, sondern aus Feingefühl, dann ab in den Schnee. Falls du allein keine Sau bist, und sonst überall Säue, stell dich nicht vor einen Zug, sondern pass auf dich auf: du bist die letzte Hoffnung der Menschheit. Wenn die Menschheit nur in einem einzigen Menschen existiert - in dir - , dann ist sie noch da. Bewahre sie. Kopf hoch, Nase hoch, sei stolz. Dein Tod wäre die größte denkbare Katastrophe für die gesamte Menschheit, denn sie wäre dann ausgestorben. Es ist kein Verbrechen, etwas Besseres zu sein, sondern das, was das Gesetz zu seinen Füßen hat. Lebe! Existiere! Sei! Wenn du auf der Welt nichts Heiliges mehr siehst, schau in den Spiegel.


Weisstdunochdamalsitis


Man kann tatsächlich so alt werden, dass man sich über einen Menschen nicht mehr ärgert, sondern durch diesen nur noch an ein Arschloch aus der Vergangenheit erinnert wird, und sich in ein schönes Mädchen nicht mehr verknallt, sondern sich an das Mädchen aus der Schulzeit erinnert, dem es ähnlich sieht, und auch bezüglich einer öffentlichen Diskussion keine Meinung mehr hat, sondern sich nur an eigene Irrtümer in jener Sache erinnert.


Was willst du im Leben erreichen?


Was doch eine solche Frage verschluckt - in diesem Fall 50 Jahre! Frage ich mich, was ich im Leben erreichen will, mache ich mein Greisenalter zur Gegenwart und die 50 Jahre bis dahin zur Vergangenheit. Ich lebe nur noch für den einen Moment irgendwann in 50 Jahren, bis ich mich zufrieden zurücklehnen und sagen kann: alles was ich wollte, habe ich erreicht. Nur noch 50 Jahre in der Vergangenheit leben, dann kommt für einen Moment das glückliche Jetzt, der Augenblick, auf den ich mein ganzes Leben gewartet haben werde: und ich sah, dass mein Leben gut war. Dann brauche ich nur noch zu sterben.


Cityhuren oder die Weltverbesserer-Pose

 
1. Schritt: Eine nette junge Frau spricht dich an, ist sehr aufdringlich, appelliert an das Gute in dir, und du hörst ihr pflichtbewusst zu, um ihr als Person und ihrem Engagement Respekt zu zollen.

2. Schritt: Die junge Frau stellt dir die Organisation, für die sie Spenden sammelt, vor, und geht wie selbstverständlich davon aus, dass du uninformiert bist, und weder über die Organisation noch über das von ihr besetzte Fachgebiet nichts weißt.

3. Schritt: Ohne sich oder dich zu fragen, ob ihre Argumente, warum du ausgerechnet für diese Organisation spenden solltest, dich überzeugen konnten, fordert sie dich auf, einen Spendenbescheid auszufüllen.

4. Schritt: Wenn du nicht von ihren Argumenten überzeugt bist, oder lobende Worte findest, aber zur Zeit finanziell nicht helfen kannst, kommen zwei Arschlöcher auf dich zu, und versuchen, dich zunächst moralisch zu erpressen, und, falls dies misslingt, zur Sau zu machen.

Ein Schritt zurück: Großzügigerweise hast du gleich am Anfang das Zugeständnis gemacht, zuzustimmen, dass diese Leute einen guten Willen hätten, dass ihr Vorhaben gut/nützlich/sinnvoll sei, obwohl dies erst zu beweisen wäre. Als Dank dafür darfst du der Böse sein, mit dem "man nicht diskutiert", da er doch offensichtlich nicht auf der Straße lebt, und sich dennoch weigert, diesen Leuten 60 Euro im Jahr zu spenden.



Apropos Pose: Spenden in Deutschland

 
Spenden in Deutschland ist eine dubiose Sache. Auf Spende reimt sich hierzulande Spendenaffäre. Wer spendet, korrumpiert, denn weshalb spendete man denn sonst? Aus Überzeugung? Dann muss die Überzeugung so groß sein, dass man so viel spendet, wie nur möglich, und dabei idealerweise auf alles nicht zum Überleben Notwendige verzichtet. Spendet man so viel oder so wenig, dass es die eigene finanzielle Lage nur peripher tangiert, dann handelt es sich um Peanuts, und die Spende ist eher peinlich: man spendet Peanuts nicht aus Überzeugung. Darum ringt man eine kleine Spende seinem Gewissen ab, tätigt diese still und heimlich, - kleine Spenden sind so etwas wie Ablasshandel.

Wer zum Spenden aufruft, macht sich ebenfalls verdächtig. Deshalb muss die Sache, für die er Spenden sammelt, die beste Sache der Welt sein, das Gute schlechthin: die Rettung bedrohter Tierarten, des Regenwaldes, der hungernden Kinder in Afrika. Für etwas weniger Wichtiges und nicht ganz so Dringendes ruft man nicht zum Spenden auf - das gehört sich nicht in Deutschland, außer man fällt so tief, dass man in öffentlichen Verkehrsmitteln um eine "kleine Spende" für sich und seinen Hund bittet, sprich um Almosen bettelt.

Wäre es verwerflich, wenn etwa in Berlin-Lichtenberg ein Club junger Poeten sich gründen würde, und für die Benutzung bestimmter Räumlichkeiten und Reisekosten seiner minderjährigen Mitglieder Spenden sammeln? Würden diese Jugendlichen nicht zu hören bekommen: habt ihr dafür kein Geld, dann lasst es sein! - , und würde der potentielle Spender nicht zu hören bekommen: wenn du schon für so etwas Geld übrig hast, dann hast du bestimmt in einer Geheimgarage einen Ferrari stehen!? Es ist eine seltsame Mentalität hierzulande, die jeden gängelt, der zwar Gutes tun möchte, aber nicht gleich sein ganzes Leben dafür opfern will.



Akademischer Incel filosoffiert: Warum Sex und nicht Brot die Ware schlechthin ist

 
Mit Brot kann der Verkäufer nicht beliebig spekulieren: verhungert der Käufer, ist er tot, und der Verkäufer bankrott. Die perfekte Ware darf nicht bei Unerschwinglichkeit den Tod des Käufers verursachen, muss aber uneingeschränkt (etwa durch theoretische Höchstpreise) begehrt werden können. Sex, alles, was in diesen drei Buchstaben zusammengefasst ist, - Liebe, Zuwendung, der andere (meist junge und weibliche) Mensch - das ist die Ware schlechthin. Damit kann man Mondpreise erzielen, der Profit kennt keine Grenzen. Sex ist ein Sparbuch, eine Aktie, eine Lebensversicherung, ein CDS. Selbst über den Tod hinaus wirkt das Sexversprechen: man betrachte die Paradiesvorstellungen sämtlicher Religionen (ausdrücklich Religionen, nicht Nihilismen wie Buddhismus). Eine Gesellschaft ohne Geld kann nur entstehen, wenn kein Gut mehr als Ware verwendet werden kann - keine Ware, kein Geld. Solange es Sex gibt, wird es Geld geben.


Weltgewandter MGHOW antwortet: Die Blasen an der Börse machen uns erst zu Menschen  


Das 50-fache des Weltsozialprodukts wandert über die globalen Handelsplätze als Wertpapiere, Derivate, Geldversprechen. Mit einen Bruchteil der Weltgeldmenge wird gewirtschaftet, aber erst das Geldversprechen sorgt für Wachstums- und Innovationsmotivationen. Erweist es sich als Lüge, fällt die Weltwirtschaft in den Zustand der Subsistenzökomonie zurück. Nur ein Bruchteil der Weltsexmenge wird tatsächlich in den Betten konsumiert. Es ist weit mehr als das 50-fache des Weltsexualprodukts, das als Sexversprechen durch die Hirne wandert. Sollte diese Blase mal platzen, so fällt die Menschheit nicht etwa in die Steinzeit zurück, nein, ins Tierreich. Der Mensch ist ein Gläubiger. Er glaubt an die Zukunft, an Glück, an Geld, an Sex. Er verlässt sich auf das Dasein dessen, was noch nicht da ist - das ist seine eigentliche Religiosität. Eine Ökonomie ohne Blasen, ohne dass der Großteil aller Werte als Versprechen besteht, kann unter Menschen gar nicht existieren.

Sonntag, 16. Dezember 2018

Kürzstgeschichtchen 10



Innere und nicht so innere Monolöger


Ein Darwininst über Heuchelkritik der Werbung:

Die Überbringer - nicht zwingend schlechter - wahrheitsgemäßer Nachrichten tut man gern köpfen, vierteilen, erschießen, erstechen, verbrennen, zwischen zwei Wagen zerreißen, ertränken, vergiften, in die Luft sprengen, kurz töten. Die sexualisierte Werbung mit ihren angeblich so unnatürlichen Sexversprechen zeigt uns nur das, was wir wirklich wollen, und bringt es auf den Punkt, - durch Versuch und Irrtum in bitteren Konkurrenzschlachten auf dem Markte kampferprobt und optimiert, erschafft sie nicht erst unsere Ansprüche, sondern zeigt uns, dass sie diese, die schon immer da waren, ernst nimmt, weshalb die mit unhaltbarsten Sexversprechen beworbenen Waren auch am Liebsten gekauft werden.


Ein Anekdotiker hegelt los:

Ein persischer Despot ließ einmal zur Strafe das Meer auspeitschen. Der Kleingeist sieht darin nur das Lächerliche, dem mit den großen Zügen offenbart sich der wahre Anspruch dahinter, dass nämlich die politische Macht über allem, auch über der Natur stehen sollte. Und so war es dann: nach allen Regeln der Natur hätte sich das winzige, und dazu noch zersplitterte Griechenland dem großen Perserreich ergeben müssen, aber es hat sich siegreich gewehrt: ein Sieg des menschlichen Willens zwar nicht gegen die Naturgesetze, aber gegen den Absolutheitsanspruch der natürlichen Objektivität (hohe Überlegenheit der Perser) über die menschliche Subjektivität (keine Lust, sich zu ergeben).


Ein politisch mal wirklich Korrekter über linkspinken Sprachgebrauch:

Warum eigentlich "Jüdische Mitbürger?" In Deutschland leben Italiener, Griechen, Franzosen, Türken, Atheisten, Muslime, orthodoxe Christen, - alles keine Mitbürger? Was dann? Ist vielleicht gemeint: Nichtmitbürger, ungeladene Gäste? Oder eher doch: in erster Linie einfach nur Menschen, und dann erst Mitbürger? Oft durfte ich im Fernsehen den Ausdruck "Jüdische Menschen" hören, und bin beim ersten Mal zusammengezuckt. Es gibt Marsmenschen, und es gibt eben jüdische Menschen - das sind die beiden uns bekannten extraterrestrischen Menschenarten. Oder geht es darum, dass man bei Juden betonen muss, dass sie Menschen sind? Bei der elektronischen Emma werden "JüdInnen" unter der Rubrik "Lebenslagen" hinter "Kinder & Jugendliche", "Alte Frauen", "Mütter", "(Neue) Väter", "Männer", "Homosexuelle", "Migrantinnen", und vor "Behinderte" geführt - der Wertschätzug nach jeweils absteigend, oder wie ist diese Auflistung zu deuten? Die Migrantinnen gibt es nur weiblich, die "JüdInnen" je nach Lesart: weiblicher Beginn und unisexueller Ausklang, oder doppelt weiblich. Darum geht es aber nicht, sondern: Warum nicht einfach Juden? Eine Jüdin. Ein Jude. Für wen es nach Schimpfwort klingt: Eine Antisemitin. Ein Antisemit.


Ein Snob über Demokratie:

Die Masse ist los, die gleichförmige Masse, das Braun, das entsteht, wenn die Farbpalette im Mülleimer alle Farben zu einer Brühe werden lässt. Fliegen summen. Das Exklusive wird verdächtig: entweder bald verboten, oder massetauglich gemacht. Liebe! Welch ein großes Wort! Welch ein undemokratisches Gefühl! Verbieten ungünstig, da zu viele Nichtsuizide daran gebunden sind. Dann in den großen Eimer und umrühren: das, was der Freier im Bordell kauft, ist auch Liebe, und auch das, was ein Lustlospaar an einanderverdrossenen Nummern schiebt, ist natürlich Liebe, und die Tiere können auch Liebe machen, und Liebe gibt es auf DVD im Vorteilspack mit Gleitcreme und Taschentüchern für Lieb Neunundliebzig. Alles Anderesartige plattmachen, alles Ungewöhnliche entweihen, alles Hohe eindämmen. Aus zarten Pflänzchen wird lecker Salat. Damit er allen gleich schmeckt, mit billigstem Sonnenblumenöl beejakulieren, und niemals vergessen, gründlich umzurühren!


Ein Zwangssolipsist stellt fest: Das Leben ist eine automatische Show

In der Truman Show konnte der Verarschte noch seine Verarscher verarschen, indem er ihre Schauspielerei aufdeckte. In meiner Show wurden die Schauspieler durch Automaten ersetzt, so dass es erstens unmöglich ist, herauszufinden, ob sie echt oder unecht sind, und zweitens, selbst wenn ich mittlerweile davon ausgehe - und nach allem bisher Erfahrenen ausgehen muss - , dass es Automaten sind, menschliche Restskrupel bleiben, die den theoretisch unbegrenzten Möglichkeiten in Sex, Gewalt und anderen Spielarten ihre praktische Umsetzung verwehren.


Wie spät ist es, und wenn ja, auf welcher Uhr?

Nach einer alten Legende bestraften die Götter die perfekten Kugelwesen für ihren Hochmut und teilten sie entzwei; nun suchen die Halbkugelwesen in ihrer menschlichen Gestalt jeweils ihre zweite Hälfte. Ich, und ich spreche in aller Ichität für alle ichhaft-ichigen menschlichen Wesen, bin ja nichts Halbes, und jeder, der Ich zu sich sagt, und auch versteht, was er da sagt, wird es bestätigen. Ich bin aber auch nichts Ganzes - was bin ich, und wenn nein, warum gerade anders als nicht so? Kein perfektes Kugelwesen und kein Halbwesen - was könnte das sein? Die Antwort liegt auf dem Platz: ein Ball.

Montag, 10. September 2018

Коровогонный Час





- А зяйцикь каёси.

- Нееет, зайчик плахой, волк харошый.

- Хнык хнык нееееть, вёйкь пьяхёй!!

- А мне ндравицца.

- Пяцимююю?

- Ну например, паауша как мужик мясо кушает, а не конфеты.

- Зяйцикя кюсяить хнык хнык!

- И зайчика судавольствием скушает.

- А зяйцикь зе каёси!

- Вооот, волк харашо пакушает.

- Нееееееть...! Зяйцикь зе маинький.

- Ну, тогда волк нимножичка перекусит.

- Зяйцикя нинядя кюсять.

- А што с ним делать, смотреть на ниво штоли?

- Дя. И гьядить.

- Ты девачка штоли?

- Неееееть! Я мяйцикь.

- Раз мальчик, тогда волк харошый.

- Нееееть, вёйк зяйцикя скюсяить!!

- И пускай кушает.

- Зяйцикь тякёй кьясивий, а вёйк вазьмёт и скюсяить...

- Ну, возьмёт и скушает.

- Неееееть хнык хнык.

- Значит ты девачка.

- Нееееть! Я тейминятяйь!

- Терминатор? Тогда медведь харошый.

- Ья ьёнь вёйкю па сее дасьть?

- Запросто даст.

- Тядя мидветь хаёси!

- А лучы чем зайчик?

- Зяйцикь сями хаёси.

- А жаль. Я думал, ты терминатор. Эх ты.

- Хнык хнык хнык... Ья цё нядя гявяйить, стёби бить тейминятяйь?

- Албибэк нада гаварить, а патом фсех пиристрилять.

- Дя, я фсехь пиисьтйийяйю. И зяйцикя сьпьяцю.

- Лаа, айда за каровами.

- Нееееть хнык хнык. Зябюдяють.

- Тада сам пайду за каровами. Иди гусей загани.

- Хнык хнык... кьюнють...

- Не дражни, не клюнут. А ты трусливый...

- Я ни тьюсливий. Я смейий и хьябьйий. А зяйцикь тьюсливий. И каёси.

Montag, 2. Juli 2018

Die einzige Eisdiele im Ferienort





Steinstedt stand nicht gern schlange, er war ein vielbeschäftigter Mann. An jenem sonnigen Sonntag stellte er sich jedoch geduldig in die lange Schlange vor eine Eisdiele, die ebengerade den Tag mit den meisten Besuchern seit ihrem Bestehen hatte. Steinstedt starrte auf die neue Kaffeemaschine, wechselte dann freundliche Blicke mit einem eishungrigen Bengel und einem kleinen schüchternen Mädchen. Die Mutter des Mädchens warf Steinstedt sofort einen hasserfüllten Blick zu, als sei er pädophil, den er mit einem Blick, als sei sie eine Straßenhure, erwiderte. Die Schlange stockte währenddessen, es war ja auch nur eine Verkäuferin da: die Inhaberin. Ein Mann, einen Kopf größer als Steinstedt, stellte sich demonstrativ schützend vor das kleine Mädchen, so als ob Steinstedt das Kind bedroht hätte. Steinstedt streckte sich gähnend, damit der Mann seien austrainierten Bizeps sah, worauf sich der Hahnrei beruhigte, und auf den Boden blickte, wo sein Blick auch hingehörte.

Steinstedt war des Schlangestehens müde und holte seine große Brieftasche aus der dicken Hose. Er zählte die Scheine und ging an der Schlange vorbei direkt zur Inhaberin, die auch die einzige Verkäuferin war. Er legte die Scheine auf den Tresen und sagte: „Ich kaufe Ihre Eisdiele, wenn Sie sofort verkaufen“. Die müde Frau zögerte nicht, und hatte drei Minuten später ihren wohlverdienten Feierabend, während Steinstedt die Glastüren der Eisdiele eine nach der anderen schloss, und das Eis keines Blickes würdigte. Es regnete enttäuschte bis verzweifelte Kindertränen. Steinstedt machte sich in aller Ruhe einen Kaffee, während weinende Kinder gegen die Glastüren hämmerten, und von ihren Eltern und alleinerziehenden Müttern nicht von der Eisdiele wegzubewegen waren. Um des größeren Sadismus willen holte Steinstedt einen herrenlosen Bengel hinein, ebenjenen Bengel, mit dem er einige Minuten zuvor freundliche Blicke ausgetauscht hatte, wie freundliche Menschen das eben tun. Während der Bengel vor den Augen anderer Kinder und deren Eltern und alleinerziehender Mütter die Eissorten kreuz und quer durchprobierte, trank Steinstedt seinen wohlverdienten Kaffee.


6.2018

Samstag, 2. Juni 2018

Kürzstgeschichtchen 9





Der nette Herr Tod


"Sie machen ein Monster aus mir", dachte der sanftmütige Herr Tod verbittert, "dabei ist doch das Leben grausam und nicht ich. Vielleicht werde ich nicht respektiert, weil ich zu nett bin", blickte er mit Verachtung auf das kannibalische Tier, das gleichgültige Es, das Leben herab, und beschloss: "ich muss grausamer sein".



Leistungsnihilismus


Furchtbar, diese Moralkeule, die den gewissenhaften und fleißigen Hochschläfer erschlägt! Sich hochzuschalfen ist auch eine Leistung, ihr Loser! Der Faule hat gut Moralkeulen schwingen, derjenige, der sich hochschläft, tut wenigstens etwas, hält seinen Arsch hin, anstatt faul auf ihm rumzusitzen. - Vortrefflich! Lasset uns leisten! Einen Arbeitskollegen, der an deiner Statt befördert werden soll, zu vergiften, ohne verdächtig zu werden, ist eine nicht minder bewundernswerte Leistung, als sich hochzuschlafen. Warum nicht gleich den Sohn des Chefs ermorden, zerstückeln, im Wald verteilen - ohne Spuren zu hinterlassen, versteht sich. Warum keine 1000 grabgroße Löcher graben und wieder zuschütten? Wäre eine immense Leistung, nur mit einem Spaten bewaffnet. Wer schafft es, mit einem einzigen Messer 100 Menschen in einer Menge abzustechen, bevor er überwältigt wird? Du? Respekt! Wer kann zehn Hauptbahnhöfe simultan in die Luft jagen? Eine Bombenleistung! Wer kann den Russen 200 Atombomben stehlen und die Liste der 200 bevölkerungsreichsten Städte einmal durchgehen? Wer kann eine Sekte gründen, mit der er sich einen Rekordmassensuizid leisten kann? Die Idiotie ließe sich ins Unendliche fortsetzen. Es bedarf eines Grobsinns, der in Ansicht der Evolutionslehre nicht menschlich sein kann, um bloße Leistung als lobenswert zu erachten. Nur ein Nihilist oder ein Affe wäre von der Aufzählung der oben zur Leistung vorgelegten Wohltaten zum Handeln ermutigt. Da sich der Hochschläferverteidiger keinesfalls zum Nihilismus bekennt - dazu müßte er sich amoralisch nennen, und er beansprucht ja gerade, moralisch höher zu stehen, als sein fauler Kritiker, - so ist seine fehlende Ganzkörperbehaarung nur eine optische Illusion.



Eine Hinrichtung



Lebensentzugsurteilsvollzieher: Nun komm, hoch mit dir.

Mörderer: Schnürsenkel auf...

Priesterin: Bist schlampig wie n Weib.

Mörderer: Bin Feminist.

Priesterin: Ich bin Maskulistin... Frauen sollen Männerberufe ergreifen, sich wie Männer verhalten, halt normal sein, so wie Männer.

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Und einander hassen wie Männer?

Priesterin: Wie hasst ihr euch denn?

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Zu Tode. Idealfall: alle Männer tot, alle Frauen mir.

Mörderer: Fertig. Da drauf setzen?

Priesterin: Ja. Und wir? Wie hassen wir uns?

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Ihr wollt die anderen Frauen am Leben lassen. Damit sie euch dienen, euch bewundern, euch beneiden. Ist keine Frau mehr auf der Welt, will keine Frau auf der Welt sein. 

Mörderer: Ist keine Frau mehr auf der Welt, will kein Mann auf der Welt sein. War das sexistisch?

Priesterin: Das war banal. Festbinden und so...

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Ja, sicher. Nicht zu eng? Gut. Wieso warst du nochmal zum Tode verurteilt?

Mörderer: Bin Feminist.

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Das ist kein Grund.

Mörderer: Hab dieselben Rechte eingefordert wie die Frauen. Hab Kriegsdienst verweigert. Wurde entführt und in die Kaserne gebracht. Floh. Wurde wieder eingefangen. Tötete einen Offizier, der einen Rekruten vergewaltigte.

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Bist ein Held. Der Feminismus schafft Helden.

Priesterin: Nö, nur unnötige Theatralik. Wärst du n Mann, würdest du fröhlich im Krieg kämpfen und nicht hier aufm elektrischen Stuhl sitzen. Fertig?

Mörderer: Ja.

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Mach Gebet.

Priesterin: Gott, o bitte!

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Danke. Die Show kann beginnen! Meine Damen und Herren, setzen Sie Ihre 3D-Brillen auf!

Mörderer: Du selbstgerechte herrschsüchtige gewalttätige Patriarchin!

Priesterin: Absolut! Aber die weibliche Endung gefällt mir nicht...

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Ich grill ihn, OK?

Priesterin: Warte. Wie wäre es wenn wir einfach die Namen vertauschen und sagen Mann statt Frau und Frau statt Mann?

Mörderer: Grillt mich schon...

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Brennt gut... Gib mir ne Zigarette!

Priesterin: Ich bin hier der Macho. Gib du mir eine!

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Willst du den Wunsch einer Lady unerfüllt lassen? Liebes Publikum, was für ein unkultivierter Kerl!

Priesterin: Hey, so war das mit dem Vertauschen nicht gedacht!

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Scheiße! Jetzt hat er aufgehört zu brennen. Haben mit unserem Gender Mainstreaming die ganze Show versaut...

Publikum: Nein, nein, die Show war gut!

Priesterin: Welchen Hans-Dieter grillen wir als Nächstes?

Lebensentzugsurteilsvollzieher: Ab jetzt nur noch Frauen.

Priesterin: Ach stimmt, wir haben ja getauscht...



Eure fucking Lieblingsbitch (die weibliche Hauptperson)


Sie ist selten blond, manchmal gebildet, selten hoch, immer gut. Sie hat eine fordernde Stimme, ein gewinnendes Lächeln, ist allen sympathisch. Sie hat enorme kogintive Empathie für Andere, affektive Empathie nur für sich selbst. Sie empfindet es als normal, immer im Mittelpunkt zu stehen und bewertet die Handlungen der Anderen nach den Gefühlen, die diese bei ihr auslösen. Sie ist immer im Recht und muss sich nie rechtfertigen; ihre Moralvorstellungen sind einfach und gelten für alle außer ihr selbst. Was bei ihr menschliche Fehler sind, sind bei Anderen unverzeihbare Verbrechen, wobei ihre Fehler nur ihre Sensibilität und Zerbrechlichkeit betonen. Die Letztere ist jedoch eine Oberflächenerscheinung - sie ist robust und leidensfähig, wobei das, was für sie das Höchstmaß an Leiden ist, für Andere unsichbare und nichtderredewerte Alltagserfahrungen sind. Ihr Haar ist etwas zu kurz für langes Haar, sie hat ungepflegte Hände und ist ein Wenig schlampig gekleidet. Sie gilt als schöner als sie in Wahrheit ist; schönere Frauen als sie selbst gelten für sie als Schlampen, was sie gern den Anderen auch vorführt. Ihr Urteil ist das Maß aller Dinge - reihenweise machen sich Männer vor ihr lächerlich und müssen ihr ständig etwas beweisen; Frauen enttäuschen sie immer wieder in ihren Rollen als beste Freundin, Mutter, Schwester oder Tochter. Nur in sie kann man verliebt sein, nur sie kann man wirklich lieben, mit anderen Frauen kann man nur Sex haben. Sie sieht ihre wahre Schönheit in ihren inneren Werten und empfindet sich, von allen Seiten dazu ermutigt, als die einzig liebenswerte Person auf der Welt.

Montag, 28. Mai 2018

Kürzstgeschichtchen 8





Über Überüberfremdung


"Passt auf, wir spielen jetzt Laurasien gegen Gondwana", sagte der Sportlehrer.



Es hat nicht wollen sein


"Hurensöhne werden weiterleben", dachte Peter, als er sich hinten anstellte. Er kaufte eine Flasche Mineralwasser, nein, nicht irgendeine, Staatl. Fachingen. Es hat schon feierlich sein sollen. Alkohol trank Peter nicht, er rauchte auch nicht, aß nichts Süßes, befriedigte seine Wollust stets widerwillig und selbst. Er bezahlte die Flasche und dachte noch: "Reiche Säcke, die überleben immer, egal was passiert". Er setzte sich auf sein Fahrrad und fuhr durch den Regen bis zu einer hohen Eisenbahnbrücke. "Mörder und Vergewaltiger werden weiterleben", dachte er unterwegs, "Nazis, Drogendealer, Betrüger, Kriegstreiber, sie werden weiter leben". Peter lehnte sein Fahhrad an das Brückengeländer. "All die Parasiten, Vampire, Blutsauger, - sie alle werden einfach weiterleben", dachte er, und sprang in die Tiefe.



Unendlichsam


Nullsam war Edwin nur, als es ihn noch nicht gab. Später war er nur noch einsam. Edwin ging auf die 40 zu, sah perfekt aus, verdiente eine Million im Jahr an der Börse, arbeitete nebenbei für nichts und ein Danke in mehreren sozialen Einrichtungen. Alles glückte ihm, was er im Leben anfing, nur eine Frau fand er nie. Dabei sah er doch so gut aus. Vorgestern im Zug, da setzte sich eine sehr hübsche Blondine Anfang 30 zu ihm, flirtete mit ihm, wollte was von ihm, und er bedauerte nur, dass sie schon über 30 sei. Gestern traf ihn eine wesentlich Jüngere, übernahm wiederum selbst die Initiative, aber Edwin fühlte sich nicht wohl, und ließ sie sitzen. Heute früh rannte ihn ein Mädchen um, das es so eilig zur Schule hatte. Edwin lächelte dem Kind hinterher und dachte: "So viele Jahre hast du noch, - doch ist es noch Glück, wenn man von seinem Glück nichts weiß?" Vor zwei Stunden traf er sie wieder, die, die er immer wieder traf, sie war 19, und in ihn so etwas wie verknallt. Er mochte sie sehr, und versuchte ihr daher wo es nur ging aus dem Weg zu gehen. Doch nun offenbarte er ihr: "Wenn ich dich sehe, muss ich immer an das Mädchen denken, das du einst warst, und ich kann an nichts mehr denken, als an dieses Mädchen, und ich kann dich nur bemitleiden, dass du nicht mehr dieses Mädchen bist". Sie murmelte wirres Zeug, und lief weg. Und jetzt gerade sitzt Edwin auf einer Parkbank und denkt: "Vielleicht brauche ich eine künstliche Frau, die niemals ein Mädchen war, denn Mitleid und Liebe schließen einander aus, o nein, man kann nicht jemanden lieben, den man bemitleidet". In seinem Blickfeld spielen Mädchen, doch er bemerkt sie nicht: auf Mädchen hat er es nicht abgesehen.



Optimistisch-Realistisches Wörterbuch


Kindheit (bestenfalls): Zeit der Hilflosigkeit, Angst und Furcht, sowie der Ungeduld, endlich groß zu werden.

Schulzeit (sofern man sensibel genug ist, damit überhaupt von höheren menschlichen Empfindungen gesprochen werden kann): die Hölle auf Erden.

Studium (wenn es hoch kommt): Gehirnjogging. Viel Alkohol und Sex mit Schöngetrunkenen.

Mittleres Alter (wenn nichts Schlimmeres passiert): ästhetisch-körperlicher Verfall. Arbeit.

Spätes Alter (wenn das Wetter mitspielt): physischer Verfall. Gefühlt noch mehr Arbeit, obwohl man eigentlich damit rechnete, es würde weniger werden.

Rentenalter (wenn man genug Rente kriegt): Arztbesuche. Erinnerungen daran, wie es hätte damals sein können. Anderen unbedingt erzählen müssen, was für ein gutes Leben man hatte, um einer realistischen Rückschau Einhalt zu gebieten.

Tod (da wird es erst interessant): Entweder macht er die Scheiße wett, oder aber er setzt das zynische Krönchen des Nichts dem Ganzen auf.



Malcorco


Ein physisches Logo, das aus dem Namen des Unternehmens besteht? Ja, sagten sie, das ist ein Malcorco. Auf dem Papier, im Netz, - kein Malcorco. Ein aufgemaltes Logo, wie auf dem Monitor hier, das ist auch kein Malcorco. Aber das hier, guck, diese Plastikbuchstaben am Rand der Kiste. Oben an den Häusern stehen manchmal die Firmennamen in großen physischen Buchstaben. Es war mir ja klar, was sie meinten, ich wusste nur nicht, ob es das Wort auch wirklich gibt. Malcorco? Nie gehört. Und nun sagten sie, es gäbe ein neues Gesetz, wonach das Malcorco ab sofort verboten wäre. Ob ich eine Petition unterschreiben wolle? Moment. Ich wachte erstmal auf, schaltete den Computer ein. Hab´s gegoogelt: das Wort gibt es nicht! Da erinnerte ich mich, was sie zu mir gesagt hatten. Aha, es ist wirklich verboten und wurde bereits aus dem elektronischen Gedächtnis gelöscht.



Der Kindergartenhitler


Als die Erzieherin die Fünfjährigen fragte, was ihr Traumberuf sei, sagte ein Junge, er wolle Hitler sein. Sofort wurden alle großen Brüder und Schwestern verständigt, die Stasiakten der Eltern aufgeklappt und die Federn gespitzt, die frauenfeindlichkeitsfeindliche Gesinnungspolizei und die liberalstalinistische Inquisition waren vor Ort. Man einigte sich schließlich, den Fünfjährigen in ein Kinderguantanamo einzusperren. Da wollte der Richter zur Sicherheit noch mit dem Kleinen reden und fragte ihn, warum dieser Hitler werden wollte. "Im Radio laufen doch diese Hits", sagte der Junge, "und wer sie singt, wird berühmt. Ich will auch solche Hits machen, darum will ich von Beruf Hitler werden".



Die saubere Gesellschaft


Es wurde einfach mal das Kacken verboten. Das menschliche Verdauungssystem wurde dadurch natürlich nicht verändert, und es wurde nach wie vor reichlich gegessen. Alle öffentlichen und privaten Toiletten wurden abgeschafft, und wer beim Kacken erwischt wurde, wurde sofort denunziert, angezeigt und eingebuchtet. Da offenbar niemand mehr kackte, stellten sich einige die berechtigte Frage: wo ging bloß all die Kacke hin? Denen wurde von höchster Stelle empfohlen,  diese Störung des öffentlichen Friedens in Zukunft zu unterlassen. Da machten Verschwörungstheorien die Runde, als den Neugierigen verboten wurde, ihre Fragen zu stellen. Darauf gaben die Wissenschaftler eine Erklärung ab, laut welcher die Kacke sich vor ihrer Ausscheidung dematerialisieren konnte. Die Kirchen sprachen von fortwährenden millionenfachen Wundern. Das Unmögliche war per Gesetz real geworden - das menschliche Verdauungssystem arbeitete nun abfallfrei.



Nihinichts


Ein Nichts und noch weniger, aber seine Anwesenheit ist da. Nicht zu verwechseln mit dem großen Nichts, das allem zugrunde liegt. Nicht das Nichts, aber auch nicht nichts: ein Nichts. Ein Nichts von vielen Nichtsen, es regnet diese Nichtse regelrecht. Es gibt kaum noch Platz. Und Platz ist äußerst schade für diese Nichtse - es soll ja mit nichts gefüllt sein, so dass etweder nichts oder das Nichts darin ist, aber nicht das nichtigste Nichts. Schweinerei, sowas. Wer wischt es auf? Man hört, die tun ja nichts. Ja, schön, aber sie sind, und da wo sie sind, könnte ebensogut nichts sein. Die Dinger sind wie Staub. Es geht nicht ein für alle mal, es muss jede Woche neu gereinigt werden. Was man ohnehin tut, also, wo ist das Problem? Da: keine Rede Wert, aber schleichen sich in die Rede ein, wollen, dass von ihnen die Rede ist, wollen, dass ihnen Interesse entgegengebracht wird. Kennt man ein Nichts, kennt man sie alle. Aber ich kenne nichts, und das Nichts werde ich bald kennenlernen.


Donnerstag, 24. Mai 2018

Was für ein Scheißfamiliendrama





Da war nun die Familie versammelt: Vater, der Bäcker, Mutter, die Bankangestellte, Sohn, der Doktorand, Tochter, die Abiturientin, und die Großeltern durften natürlich auch nicht fehlen - Opa, schon im Rollstuhl, fast 90, Oma, Anfang 80, noch ganz gesund. Und sie hatte Geburtstag. Es wurde viel geschenkt, sie freute sich an diesem Abend über die Aufmerksamkeit ihrer vielbeschäftigten Kinder und Enkel. Nur der Opa schenkte ihr seit Jahren nichts, aber das wurde wieder einmal knapp überlächelt.

Die Tochter rutschte in der Küche auf einer Apfelschale aus, aber es war nichts weiter passiert. Der Opa wollte noch eine Tasse Tee. Die Oma schenke ihm den Tee ein, hustete, spuckte dabei ausversehen in die Tasse. Alle guckten zu, wie Oma ihr bronchitisches Erzeugnis mit dem Finger aus Opas Tasse zu befördern versuchte. Dann tranken alle weiter Tee.

An dieser stelle wäre Omas Geburtstagsfeier auch schon zu Ende, wäre da nicht ein Anruf gewesen: die Tochter wurde von ihrem Freund angerufen, es ging um den Abiball. "Kannst du nicht an einem anderen Tag seinen Schwanz lutschen? Oma hat Geburtstag!" war ihr älterer Bruder erzürnt. "Was hast du gesagt?" wunderte sich die Mutter. "Du Loser, du kriegst keine ab, darum brüllst du so rum!" schrie seine Schwester. "Streitet woanders, aber die Oma soll es nicht mithören", empfahl der Vater. Der Sohn lehnte sich im Sessel zurück und fragte mit etwas verbitterter Miene: "Warum eigentlich nicht? Hat Oma etwa nie Schwänze gelutscht?" "Es reicht!" schrie die Mutter hysterisch. Der Vater wollte aufstehen, stürzte aber über Opas Beine, die Mutter lachte, die Oma auch. "Wollt ihr noch Tee?" hatte sich der Sohn wieder beruhigt.

"Ich möchte noch ein Stück Kuchen", sagte die Oma. Der Sohn warf den Kuchen in eine Ecke des Wohnzimmers und sprach: "Dann hol es dir, sonst frisst ihn der Hund!" Die Mutter ging hin und kratzte den Kuchen vom Boden. "Wo sind meine Spielkarten?" wusste der Opa nicht, während die Mutter der Oma den vom Boden gekratzten Kuchen auf den Teller schüttete. "Und noch etwas Staub, wenn schon vom Boden!" lachte der Sohn und klopfte seine Hausschuhe über Omas Teller ab. Die Tochter lachte auch und sprang auf den Tisch, pisste in die Salatschüssel und gab diese der Mutter:  "Opa hat bestimmt Durst". Die Mutter goss die Pisse ihrer Tochter über Opas Glatze und zog sich aus, um auf dem Tisch zu tanzen. Der Vater masturbierte für sich und den impotenten Opa dazu. Der Sohn machte im Wohnzimmer ein Lagerfeuer und tanzte mit seiner Schwester herum. "Hier ist deine Doktorarbeit", warf die Mutter die 300 ausgedruckten Seiten ins Feuer, die der Sohn gestern unfassbarerweise nicht mehr finden konnte, "das ist dafür, was du aus meiner Karriere gemacht hast!" Der Vater lachte und schob dem Opa sein Glied in den Mund: "Das ist dafür, dass du sie vor mir hattest!" Der Sohn öffnete eine Flasche Korn und goss den Alkohol gewaltsam dem Vater in den Mund: "Das ist ist dafür, dass ich mich in der Schule wegen dir schämen musste!" Die Oma aß ihre vollgeschissenen Windeln und murmelte: "Das ist mir dafür, dass ich diesen Kinderschänder geheiratet habe!" Dann hatten sich alle wieder lieb und gingen schlafen - wer miteinander, wer mit Opa.

2011

Samstag, 12. Mai 2018

Innere Wertschöpfung





Er sah nicht gut aus. Nein, er war nicht krank oder erkältet, vielleicht erkaltet, aber dort wo gewöhnlich Gewöhnliche erkalten, nicht im Herzen. Also dachte er sich auf Sparflamme innere Werte aus, denn:

Erforderlich: 110 Balzpunkte.

Aussehen: 2 Balzpunkte.

Geld: 37 Balzpunkte.

Freunde: 15 Balzpunkte.

Als Temperament verkannte Rohheit: 9 Balzpunkte.

Wieviel fehlen? 47 oder kann ich nicht rechnen? Wo nimmt man die her? Aus inneren Werten. Er kramte all seine inneren Werte zusammen, kam aber nur auf 20 Balzpunkte. Was tun? Er verordnete sich ein Konjunkturprogramm - sein inneres Wirtschaftswachstum betrug beachtliche 10%. Wieviel fehlen nun? 25 oder ich wurde gestern in der Kneipe um den korrekten Betrag verschaukelt. Er borgte sich 11 Balzpunkte von seinen Freunden, aber es fehlten immer noch 14. Er verabschiedete ein inneres Wachstumsbeschleunigungsgesetz und beschleunigte sein Wachstum um weitere 10%. Wieviel ist 10% von 10% von 20? Zu wenig. Insgesamt hatte er etwas weniger als 100 Balzpunkte, brauchte aber 110. Er verzagte nicht. Mögliches Versagen ist besser als unnötiges Verzagen. Er ging also auf den Balzplatz.

Der Balzplatz war etwas heruntergekommen, und er hatte Gastrecht. 5 Punkte Abzug von den Möglichen.

Seine Gastgeberin leistete sich zu Beginn des Affentheaters eine Peinlichkeit, unforced error, 6 Punkte Abzug.

Reicht das? - biss er sich in die Fäuste. Wird das nun reichen? 3 Punkte Abzug für ihn.

Wenn jetzt nichts explodiert, hat er versagt. Letzter Ausweg: einen Anschlag simulieren, eine Stressituation generieren, um eine unbemerkte Inflation der inneren Werte durchzuziehen. Drückst du ihm die Daumen? Druck ihm lieber seine Innere-Werte-Scheine, wenn du ihm helfen willst. Oder nutze die Gelegenheit und binde ihm einen Innere-Werte-Kredit auf, die Zinshöhe muss nicht allzu gering sein, er hat es bitter nötig.



2011

Dienstag, 27. März 2018

Ghosts of Inii





1. Freitagabend, der Vengerplatz ist leer, Geisterstadt. Zwei Mädchen und zwei Jungen gehen auf das Rattennest zu, ein schwarzes Bankgebäude. Keine Stimme ist zu hören, keine Taube fliegt. Erst als sie drinnen sind, füllt sich der Vengerplatz wieder. Das bemerken sie nicht. "Im Gebäude ist keiner", bemerkt der 15-jährige bildschöne Ariel recht schnell. "Sagte ich doch", lächelt der niedliche 13-jährige Fox Kitten. "Schwörst du bei deinem IQ, dass das keine böse Falle ist? Wir haben zwei Ladies hier". Fox Kitten lächelt nur. "Julia, sieh!" ist Sophie erstaunt. Ein Kätzchen läuft auf sie zu, springt ihr in die Hände. Die blonde elfenhaft zierliche Sophie ist entzückt, die sagenhaft dünne brünette Julia legt den Arm um sie und betrachtet das Kätzchen. Sophie lässt es auf den Boden, es läuft aus dem Gebäude hinaus. "Wir vier sind recht hübsche Kinder, mein junger Freund und zarter Schützling", streicht Ariel dem kleinen Jungen durchs Haar, "ein Festmahl für du weißt wen". Sophie ist 14. Fox Kitten ist ihr zu klein. Julia ist 15 und steht nicht auf Ariel.



2. Foyer. "Wir sind seit einer guten Stunde hier", gibt Ariel Entwarnung. Sophie schaut recht wehmütig auf die Ein- und Ausgangstür. "Heimweh?" fragt Ariel. Fox Kitten nimmt ihre Hand und zwitschert: "Keine Sorge, morgen sind wir wieder in Hienne". "Lasst uns nach Oben gehen", verliert Julia die Geduld. "Das gibts doch nicht", ist Ariel nach einer Viertelstunde auf dem Erdgeschoss der Tatsachen angekommen. "Was denn?" "Sprichst du absichtlich mit dieser engelhaft zärtlichen Stimme... ich kann mich in deiner Gegenwart nicht wirklich ärgern, aber es gibt keine Fahrstühle", sucht Ariel Rat bei seinem jungen Freund. "Dort ist eine Treppe", zeigt Julia. Sophie ist irgendwarum erschrocken. Julia eilt herbei. "Habt ihr auf die Uhr geschaut!? Sie ist stehengeblieben!"



3. "Gehen wir jetzt hoch, das hat nichts zu bedeuten", hofft Ariel und schaut seinen jungen Freund fragend an, welcher nickt. Ein Stockwerk nach oben, dann endet die Treppe. "Das war kurz", bemerkt er lakonisch. Ein langer Korridor, viele offene Räume. "So wie ich dachte", beruhigt Fox Kitten seine Begleiter. Sie gehen weiter, schauen in die Räume, nichts. Im letzten Raum, ganz am Ende des Korridors, ist eine Treppe versteckt. "Gehen wir hoch", freut sich der Kleine. "Ich bin etwas müde", flüstert Sophie. Im zweiten Stock ein großer Saal. Prächtige, tiefe Sessel. Fox Kitten lässt sich fallen und blickt etwas arrogant zur Decke: "Heute noch werde ich euch beweisen, dass dieses Haus mehr Stockwerke hat als es hat". Julia lacht, Sophie kichert. Julia hört auf zu lachen, betrachtet Sophies Nacken und ihre makellos schöne Haut.



4. "Reinheit hat uns hierher gebracht, Freunde", verteilt Ariel Wasserflaschen aus einem überdimensionalen Kühlschrank. "Hast du das alles einrichten lassen?" fragt er scherzhaft seinen jungen Freund, auf die Auswahl an Getränken und Sitzgelegenheiten hinweisend. "Hier finden manchmal Konferenzen statt", erwidert dieser nüchtern, "aber zurück zu dem, warum hier hier sind, nein, hier sein können: nur wer rein ist, kommt hier rein. Der Rest bleibt im Rattennest". "Und nutzt bequeme Fahrstühle", lächelt Julia. "Stopp", will Sophie die Zeit anhalten, die vielleicht schon längst stillsteht, "wo sind wir hier? Ist das so etwas wie eine andere Dimension?" "Genau", lächelt Fox Kitten. "Schaut aus dem Fenster!" ruft Julia, "die Sonne geht nicht weiter unter!" "Die gute alte Zeit ist wohl stehengeblieben", lacht Ariel und geht in den langen Korridor hinaus. "Ich komme zurück, wenn ich die Treppe in den dritten Stock gefunden habe!" ruft er hinterher.



5. "Gefunden", kommt Ariel zurück. "Gehen wir, es ist gleich nebenan". Vierter, fünfter, sechster Stock, das Finden wird immer leichter. "Sieben", zählt Julia mit, "wieviele hat es?" "Vierundzwanzig", weiß Sophie. "Ein Fahrstuhl wär wirklich nicht schlecht", zickt Julia den kleinen Jungen an. Fox Kitten beobachtet nur, wie Julias liebliche Blicke um Sophie kreisen. "Lasst uns hier übernachten", zeigt Ariel einen zum Schlafen geeigeneten Raum, es ist ein wahrer Bettenlager. "Verkaufen die etwa Betten?" "Nur Aktien und Versicherungen", so der Kleine trocken. Die Mädchen nehmen ein überdecktes Bett mit Gardinen. Julia zieht die Letzteren zu, steckt aber bald ihren Kopf hinaus: "Kitten?" "Miau". "Warum schlafen wir jetzt, wenn die Zeit stehengeblieben ist?" "Wollen wir uns über relativistische Physik unterhalten? Ich sags für Mädchen: wie befinden uns wahrscheinlich in einem Lichtgeschwindigkeitssimulator. Für uns läuft die Zeit ganz normal weiter, aber draußen steht sie still. Also nicht das Fenster aufmachen, bitte, unter keinen Umständen". Julia geht schlafen, Sophie kuschelt sich an sie. Der Kleine setzt sich zu Ariel und erklärt es ihm "für Jungs".



6. "Die Sonne hat sich kein Bisschen verschoben", stellt Ariel beim Aufwachen fest. "Es ist wenigstens nicht Nacht draußen, sei froh. Oder magst du diese Dunkelheit, die durch Wände geht und dich aus den Fenstern anstarrt?" "Ich habe Angst!" ist Sophie den Tränen nahe. Julia und Ariel nehmen das ängstliche Mädchen an den Händen und führen sie an ein großes Fenster. "Siehst du diesen Baum ganz hinten? Die Sonne war exakt auf der Höhe seiner Krone, als wir eingeschlafen sind. Sie hat sich kein Stück bewegt", spricht Ariel die Worte der Ruhe. "Gehen wir", flüstert Fox Kitten. Sophie nimmt seine Hand. Sein Wissen, denkt Ariel, hat ein weitaus gewaltigeres Beschützerpotential, als meine körperliche Präsenz. Stark ist er nicht, und auch nicht groß, aber Fox Kitten ist ja richtig klein, sieht ais wie 11. "Zählt mit", empflieht der fragile Junge, "ich will, dass keine Verwirrung diesbezüglich herrscht, dass wir im Vierundzwanzigsten sind, wenn wir dort ankommen".



7. Stock 21. Ein langweiliges Gebäude. Verlassene Büroräume, dann und wann Plätze der Erholung. Und keiner da außer den vier. Oder etwa doch? "Ich hörte Schritte" berichtet Ariel, als er zum Treffpunkt in der Kantine zurückkehrt. "Es ist so leer, dass deine Wahrnehmung dir vielleicht einen Streich spielt", weist Fox Kitten seine Befürchtungen arrogant ab. "Es war ein langer Weg, ich habe Hunger", setzt sich Julia an den Tisch und verschlingt eine ganze Milchschnitte. Die Jungs teilen sich die restlichen neun, Sophie nascht ein paar Kirschen und eine große saftige Erdbeere. "Weiter", empfiehlt Fox Kitten. Ariel nickt. Er geht voraus, sucht nicht lange: "Da ist die Treppe". Sophie quietscht auf: "Da ist jemand unter der Treppe!" Julia hält sie schützend fest, Ariel sieht nach. "Seit wann folgst du uns?" fragt er einen 17-jährigen Jungen. "Seit wann folgt ihr mir?" Fox Kitten geht auf ihn zu, seine Niedlichkeit entwaffnet den zynischen Einzelgänger. "Entschuldigt, ich wusste nicht, dass... ich bin Luc. Und wie heißt dein furchtloser Freund?" "Ariel", stellt sich der ab sofort zweite Tiger dem geheimnisvollen Fremden vor.



8. "Julia und Sophie", genießt Luc den Klang ihrer Namen, "und seit wann seid ihr..." Sophie schweigt und geneißt Julias Schamröte. "Woher wisst ihr davon?" will Luc erfahren. "Dasselbe wollen wir von dir wissen", kontert Fox Kitten. "Ich habe lange danach gesucht. Jedesmal einen Freund mitgenommen, und wir haben es in Finstern und in Deader und in Arecast versucht, ohne Erfolg. Dann las ich in einem selbst für meine Begriffe irren Buch, dass nur wer rein ist, hinein darf. Ich versuchte es allein, wiederum überall. Und bin nun hier". "Trial and error", bemerkt der Kleine kühl. "Es ist kein physikalisches Gesetz, dass uns diese Tür geöffnet hat. Es ist ein Wille". "Wessen Wille?" will Ariel sein Zittern verbergen. Er hat panische Angst vor allem, was nach Mystik riecht. "Ich schätze dessen, der das Ding gebaut hat", sagt Luc etwas nachdenklich und fragt die Mädchen nach ihrer Herkunft aus.



9. "Der Legende nach ist Reburt älter als Dorcor", räsonniert Luc. "Unmöglich, Dorcor ist die älteste Stadt der Welt", ist sich Ariel sicher. "9000 Jahre ist verdammt alt", sagt Luc, um bissigerweise hinterherzuschieben: "aber ich spreche nicht von zehn oder elftausend Jahren. 640000". "Woher weißt du das?" "Weiß ich nicht. Aber eines weiß ich ganz sicher: die Vorfahren der Venger haben diese Stadt nicht gebaut". 
 

Die Mädchen lassen sich von Fox Kitten fangen und auskitzeln, während Ariel und Luc den Schlafraum im 22. Stock so einrichten, dass die Wahrscheinlichkeit, von einem weiteren Besucher überrascht zu werden, gegen Null sinkt. Luc löst Ariel ab und geht zum Fenster: "Was zum Geier..." Fox Kitten ist aufgewacht und schleicht sich verängstigt an ihn heran: "Die Sonne ist untergegangen". Ariel sieht die Beiden am Fenster stehen und kommt hinzu. "Ich trau dir nicht", sagt er zu Luc und legt seinen Arm um Fox Kitten.



10. "Die Mädchen werden davon erfahren, sobald sie aufgewacht sind. Du beschützt sie vor gar nichts", so Ariel. "Aber wir sollten sie nicht wecken. Angst kann man nämlich riechen", giftet Luc zurück. Fox Kitten versteht, worum es geht, und dass er alles nur verschlimmern kann. Er verkriecht sich in einen Sessel und versucht, seine Angst vor der Dunkelheit zu verstecken. Luc geht auf Ariel zu und flüstert ihm ins Ohr: "Er hat furchtbare Angst". Ariel blickt Luc mit einer Mischung aus Hoffnung und Verzweiflung an, Luc nickt wohlwollend. Ariel setzt sich zu Fox Kitten. Der Kleine beginnt leise zu weinen, Ariel nimmt ihn in den Arm. Luc geht in den dunklen Korridor hinaus.

"Du hast einen Lichschalter gefunden?" starrt Ariel ungläubig. "Es gibt nur einen für ein ganzes Stockwerk", stellt Luc fest, "sollte jemand, den wir beide nicht kennen, das Licht wieder ausschalten, wird es ein langer und mysteriöser Weg". Ariel schüttelt mit dem Kopf - warum muss Luc ihm immer wieder Angst machen? Nur Luc ist der Situation gewachsen, das süße arrogante Genie will nur noch nach Hause, und dort unter die Bettdecke kriechen.



11. "Weck die Mädchen, und sorge dafür, dass sie nicht aus dem Fenster sehen", weist Luc Fox Kitten an. Korridor. "Suchst du die nächste Treppe?" fragt Luc Ariel. Der stolze Blondschopf geht suchen. "Im wievielten sind wir?" fragt Fox Kitten in die Runde. "22", hat Julia mitgezählt. Ariel kommt zurück. "Ein komischer Raum für eine Treppe", kommentiert Luc, als sie in einen Duschraum hineingehen. Eine Dusche springt spontan an, alle laufen auseinander, nur Luc bleibt stehen. "Niemand nass geworden? Nun kommt, wir haben einen weiten Weg vor uns".

Es brennt kein Licht im 23. Stock. Luc durchforstet die Dunkelheit, Fox Kitten wendet sich an Ariel: "Wir könnten umkehren". "Zurück?" "Etwas stimmt hier nicht". "Ja, etwas läuft anders, als du es dir ausgerechnet hast", spottet Julia, "aber vielleicht sind wir gar nicht in deinem Kopf, sondern in der Wirklichkeit". Licht. Luc, der Lichtbringer, kommt zurück. "Die Treppe ist übrigens da, wo der Lichtschalter ist. Sehr praktisch, nicht?"



12. "Hast du dieses Flüstern gehört?" will sich Ariel bei Luc versichern, dass er nichts gehört hat, - der 24. Stock ist nämlich stockdunkel. "Es war eher ein Jaulen", heizt Luc ihm ein. Ariel greift sich Julias Arm, als er einen Luftzug spürt. "Ich gehe dann voran", schätzt Luc die Lage realistisch ein. Julia schmunzelt, als die Furcht der Erleuchtung weicht. Ariel lässt den Kopf tief hängen: "Ich kehre um, wer kommt mit?" "Das ist doch nicht dein Ernst", lacht Luc ihn aus, "wir sind am Ziel". Ariel weist auf das Unbekannte, auf die Gefahren hin. "Wie viele Stockwerke hat dieses Gebäude? Nicht zufällig 24? Entweder wir steigen aufs Dach und gehen nach Hause, oder". "Oder was?" ist Ariel mit seinen Nerven am Ende. "Such die Treppe", flüstert Sophie. "Ich komme mit dir", greift Julia seinen Arm. Fox Kitten und Sophie halten sich fest, Luc schaut sich um. "Es ist Nacht da draußen", bemerkt er kühl. "Sonst wären die Stockwerke ja nicht dunkel", bemerkt Sophie noch kühler und küsst Fox Kitten auf die Schläfe. 
 

13. "Wir haben die Treppe gefunden", kommt Julia zurück. "Wo ist Ariel?" fragt Fox Kitten. "Im Treppenhaus, kommt mit". Tatsächlich ist da ein Treppenhaus. Sophie schaut nach Unten - der Boden ist nicht zu sehen. "Passt auf, ich lasse Murmeln fallen", weist Luc auf die Stille hin, in der das Aufprallen und Zerbrechen deutlich hörbar sein müsste. "Hört ihr: da ist nichts". "Wie nichts?" springt Ariel erschrocken zur Seite. "Die Murmeln sind ins Leere gefallen", bestätigt Sophie. "Ich gehe runter und sehe nach", will Ariel den Verstand nicht verlieren. Julia drückt Sophie an sich und flüstert: "Schau mich nicht so an". Ariel macht einige Schritte nach Unten, läuft dann wieder hoch: "Lasst uns aufsteigen". 
 

Es ist hell im 25. Stock. "Völlig unmöglich", schüttelt Ariel mit dem Kopf. "Dass jemand vor uns hier war und das Licht einschaltete?" lächelt Julia. "Dass wir nicht auf dem Dach sind", schreitet Ariel in einen großen Konferenzraum hinein. "Unmöglicher als das?"zeigt Sophie auf die auf die Höhe der Baumkrone zurückgekehrte Sonne.



14. "Gut, es geht also nicht runter. Wie kommen wir wieder zurück?" gesellt sich Ariel dem nach einer Kantine suchenden Luc. Ein Lachen erschallt: "Natürlich geht es runter!" Ein abgrundtief grundgütiges Gesicht, das ein Wenig zu leuchten scheint. "Sind wir bei den Engeln?" Der Mann schaut Ariel tief in die Augen: "Mit Zynismus kommst du hier nicht weiter, deine Furcht vor dem Irrationalen wird nur noch größer". Er schaut Luc an, scheint ihn zu kennen: "Ich hätte euch die letzten vier Stockwerke gern erspart, aber tiefer gehen darf ich nicht. Wenn die Zwischenwelt verschwindet, sinkt man". "Wie tief?" "Bis wieviel kannst du zählen?" 
 

"Hier ist Null, Erdgeschoss", erklärt der Gastgeber mit weißem Vollbart, "ich wohne im Einunddreißigsten". "Sie wohnen hier?" staunt Ariel. "Ich lebe hier. Kommt, ich zeige euch, wie ihr schnell hochkommt. Wo sind eure Freunde?"


15. Treppensteigen. "Lasst uns eine Pause machen", sorgt sich Julia um die konditionsschwache Sophie. "Ihr Mädchen habt großes Glück", stellt der Mann fest, "in eurem Alter hätte es schon morgen zu spät sein können". "Sie sind ein Misanthrop", lacht Luc. "Ich beobachte die Menschen seit Jahrhunderten. Mädchen wollen begehrt werden, und nehmen dafür in Kauf, ihre Kindheit zu schnell zu beenden". "Und die Jungs?" fragt Julia. "Ein Kind. Ein Prinz. Ein Psyhopath". 
 

"Diese Wohnung ist das Geilste... wie groß ist sie?" fragt Luc den Gastgeber. "Tausend Quadratmeter, mit dem Garten vielleicht zweitausend. Pflücken wir die Beeren, deine Freunde warten". Kiwigroße Stachelbeeren, in die Länge gezogene tiefrote Kirschen, und vieles, was es eigentlich gar nicht gibt. Im Speisesaal bemerkt Luc, dass aus dem Fenster nur noch der Himmel zu sehen ist. Unten eine dichte Wolkendecke. "Weiter?" fragt Luc den Gastgeber, welcher erwidert: "Weiter kann ich nicht. Ich muss mich an die Hausordnung halten". Er begleitet die Gäste in den Korridor. Julia sieht einen Fahrstuhl: "Etwas Bequemlichkeit kann nicht schaden". Der Mann zieht eine düstere Miene: "Das würde ich an eurer Stelle auf gar keinen Fall tun, selbst dann nicht, wenn ich auf der Flucht vor einem Geist wäre. Fahrstühle fahren nämlich nur nach unten".



16. Treppensteigen. "Ich kann Sophie tragen", bemerkt Luc. "Ich habe auch schöne Träume", lächelt Ariel. "Kitten, warum schweigst du die ganze Zeit?" sorgt sich Julia. "Ich bin nur erleichtert", flüstert der Kleine. "Hier ist fürs Erste Schluss", zeigt Ariel auf die Decke. "In der Tat", spaziert Luc in den Korridor. Ariel holt ihn ein: "Du kennst den Mann". "Ich war mal klinisch tot. Er schickte meinen Geist damals zurück in den Körper". "Das denkst du dir bloß aus", lacht Ariel. 
 

"Es ist so gemütlich hier", bemerkt Sophie. "Lasst uns hier bleiben". "Wie lange?" tut der zielstrebige Kleine seine Unzufriedenheit kund. "Eine leere Wohnung, noch größer als..." bleibt Luc vor dem Eingang stehen. "Kommt rein", ruft er, "ihr seid eingeladen!" Fox Kitten geht ans Fenster und starrt auf den Sternenhimmel über den Wolken. "Ich frage mich, was unten ist", beantwortet er Ariels fragenden Blick.



17. Eine Luxuswohnung der Extraklasse, ein eigener wilder Fruchtgarten, und dieses perlend wohlige Gefühl. "Wir haben uns genug ausgeruht", will Luc nach drei Tagen weiterziehen. "Ich bleibe hier", erwidert Sophie eiskalt. "Luc hat Recht". Ein Satz, der Ariel schwer über die Lippen kommt. "Wir wissen nicht, wo wir sind, und was das hier ist", denkt Julia laut nach. "Und darum bleiben wir, wo es am Sichersten ist", lehnt sich Fox Kitten zu Sophie zurück, sie lässt seinen Kopf auf ein Kissen auf ihrem Schoss sinken und verzärtelt ihn, wie die drei Tage zuvor. "Wir wissen nicht, ob es hier am Sichersten ist", denkt Julia weiter. "Sieh die Sache doch aus seiner Perspektive", lässt Sophie Fox Kitten und Julia die Plätze tauschen. "Andererseits ist es schön hier. Ich will nicht in das Reich der Dunkelheit zurück. Wir hatten Glück, es hätte auch anders ausgehen können", so Julia nun. "Wie denn?" verbreitet Luc bei niemandem so wie bei Ariel Angst und Schrecken. "Wir sind nicht hergekommen, um die Ferien zusammen zu verbringen", bemerkt dieser, entschlossen, seine Unentschlossenheit zu überwinden. "Ach, nicht?" spottet Sophie. "Du wolltest dem Cut entkommen, wolltest nicht aus dem Mädcheninternat nach Hause", versteht Ariel das Mädchen. Julia unterbricht ihn vor dem Aber: "Ein Cut bei ihr hätte mir das Herz gebrochen". Sophie küsst Julia auf die Stirn und guckt höhnisch die Jungs an: "Geht, wenn ihr wollt!" "Einer von uns muss hier bleiben", bleibt Luc ruhig. "Ich komme mit dir", steht Fox Kitten auf. "Ich wusste nicht, dass es abgemacht war, dass er geht", ist Ariel hin und her gerissen. "Ich nehme ihn nicht zum Kuscheln mit, ich brauche einen zweiten klaren Kopf", zieht Luc dem kleinen die Schuhe an. Ariel kocht vor Eiferucht, wenn sich Luc um ihn wie um ein Kleinkind kümmert. Er wirft einen Blick auf die Mädchen, die ihn nicht weiter beachten, und zieht Fox Kitten die Jacke an: "Ich überlasse den Kleinen doch keinem Irren". "Gut", bemerkt Luc trocken, "dann gehen wir zudritt".



18. "Was hast du da gefunden?" fragt Ariel. "Einen Stöckelschuh", zeigt Fox Kitten. "Diese Schuhgröße ist unmöglich", bemerkt Luc und fügt hinzu: "...für einen Stöckelschuh". Aber Fox Kitten hat etwas gesehen, was Luc und Ariel entging. "Ich suche diesmal die Treppe!" "Ausgeschlossen", hält ihn Luc am Arm fest. "Lass ihn, wir sind außerhalb der Gefahrenzone", will Ariel dem Kleinen einen Gefallen tun. Luc lässt ihn los. 
 

"Ich glaube, dieser Schuh gehört einem Kind. Das Mädchen müsste 8 sein", spekuliert Luc. "Und wie eine Ballkönigin rumlaufen?" "Exakt. Vielleicht haben Zwölfjährige da oben so kleine Füße". "Meinst du, die weiter oben..." "Ja, verflucht! Die sind so verdammt schön, dass uns die Augen schmerzen werden. Nenn sie Engel, nenn sie wie du willst. Du magst Sophie, nicht? Vergiss sie. Nichts gegen Sophie, aber wir werden bald Traumprinzessinen treffen. Der Kleine hat seine wahrscheinlich schon gesehen..." "Los, hinterher! Welchen Weg ist er gegangen!?"



19. "Wir suchen seit einer Stunde nach ihm", verzweifelt Ariel. "Deutlich länger", quält ihn Luc. "Vielleicht hat sie ihn mitgenommen?" "Da, dieses Zimmer, gesehen!?" "Was zur Hölle war das eben!?" "Das ganze Zimmer ist wie ein Fahrstuhl nach Unten gegangen. Nach Unten, Ariel!" "Was jetzt?" sinkt Ariel auf den Boden die Wand entlang. "Du hast ihn gehen lassen". "Du hättest ihn aufhalten können!" "Ich sehe nach den Mädchen". Ariel geht Luc an den Kragen: "Weißt du noch, was dein alter Freund gesagt hat? Hast du das vergessen?" "Er ist nicht mein Freund. Lass mich los". "Du hast also gelogen?" "Und nicht für nötig gehalten, es richtigzustellen. Das denkst du dir nur aus, sagtest du. Und du hattest verdammt Recht. Lass uns nach den Mädchen sehen, sie sind hier nicht mehr sicher". "Und mein Freund!?" "Er ist auch mein Freund". "Nein, das ist er ganz sicher nicht!" "Nicht? Dann geh du nach ihm suchen, wenn er sonst keine Freunde hat".



20. "Wo ist Ariel?" will Julia wissen. "Ihr wisst also schon, wer den Kleinen entführt hat. Dachte ich mir". "Eine kleine Märchenprinzessin, und ich übertreibe nicht, war eben mit ihm noch hier". "Und Sophie?" "Sie spricht mit unserem Gast". Ein Jüngling, der nicht schöner sein könnte, in Lucs Alter, nimmt Sophie ins Verhör. "Wo sind sie hingegangen?" wiederholt er. Luc packt ihn am Hals: "Wo kommst du her?" "Von oben. Lass mich los und hilft beim Suchen. Schnell!" Luc gehorcht, der den schöne Jüngling jagt einem offenbar weit schützenswerteren Wesen hinterher. "Sie ist noch so jung", erklärt er auf dem Weg, "und schon macht sie diese Mutprobe mit - lässt sich nach unten fahren. Die Mädchen haben ein Spiel daraus gemacht - wer war tiefer, wer war tiefer, - das ist ein Alptraum, was hat sie sich nur dabei gedacht!?" "Ist es oben so langweilig", setzt sich Luc nach dem langen und erfolglosen Rennen erschöpft auf den Boden. "Nein, es ist etwas Anderes. In unserer Welt gibt es nichts wirklich Schlechtes. Ich glaube, es ist das Düstere, das sie anzieht. Es übt eine magische Sogwirkung aus". "Das kommt mir bekannt vor. Sprich weiter". "Zu sagen habe ich weiter nichts". "Dann bleib bei den Mädchen. Ich finde die Kleine, das schwöre ich dir bei aller Dunkelheit, die es gibt!"



21. Julia versucht, die weinende Sophie zu beruhigen. Der Jüngling läuft zu den Mädchen: "Wer ist er? Woher... ich meine, er weiß offenbar, wo er suchen soll. War er schon mal dort?" Schweigen. "Kommt mit mir", zieht er die Mädchen aus dem Raum der trügerischen Sicherheit in ein Treppenhaus. "Seid ihr von hier? Ihr seht recht makellos aus". "Nein", sagt Julia. "Dann sagt nichts. Ich werde für euch reden".


Luc fährt mit einem Fahrstuhl, es ist eine lange Fahrt. Er drückt die Knöpfe, aber der Fahrstuhl bleibt nicht stehen. Eben noch fabrikneu, beschlagen sich seine Metallwände mit Rost. Es riecht streng. Endlich bleibt der Fahrstuhl stehen, besser: stecken. Luc manövriert sich hinaus, klettert bis zum nächsten Stockwerk und schaut sich im Korridor um: alles sieht bedrohlich aus, etwas Düsteres kriecht aus den alten Wänden. Er sieht eine hinkende Gestalt. Sie ist zum Weglaufen, aber er läuft auf sie zu. Unter einem Kopftuch halb Gesicht halb nackter Schädel. Auf die Begrüßung antwortet dieses Wesen mit langem Husten, dreht sich um und geht in die Richtung, aus der es kam.



22. Ariel sitzt auf der Treppe. Er zittert, er ist nirgendwohin gegangen. Erschrocken springt er auf, als ihn jemand am Arm berührt. Es ist der Mann, der so hoch nicht steigen darf. "Komm zu mir, Junge", geht er mit Ariel in seine Wohnung.



"Wie heißt du eigentlich?" "Hiite". "Ich bin Julia". "Ich bin Sophie". "Was ist das für ein Name?" fragt Julia. "Ein Iniischer Name". "Es gibt kein Inii, das ist eine Legende". "Manche Legenden sind wahr. Wir sind da". Etwas stimmt offenbar nicht: die Gänge sind leer. "Keine Angst. Jemand hat den Alarm ausgelöst. Sie wissen bereits, dass die Kleine verschwunden ist. Wenn ein Alarm ausgelöst wird, darf sich keiner im Keller aufhalten". "In welchem Keller!?" "Kommt, wir müssen weiter. Wenn wir Glück haben, schaffen wir es noch". Treppenlauf. Hiite trägt Sophie weiter, als sie erschöpft stehenbleibt. "Komm, Julia, noch zweihundert Stufen". Sie laufen durch ein sich schließendes Tor in einen Garten. Der Horizont ist zu sehen, eine Sonne erleuchtet vier Monde am Himmel. "Das war knapp", setzt Hiite Sophie auf herrlich duftendes weißes Gras.



Ariel trinkt einen beruhigenden Saft, wonach ihn der Gastgeber auf das Kommende vorbereitet: "Dieses ganze Haus ist im Grunde ein Fahrstuhl. Hier treffen sich Himmel und Hölle, wie ihr es nennt, und manchmal, wenn die Dimensionen sich in einer bestimmten Lage zueinander befinden, klinkt sich eure Welt mit ein". "Kann also jemand, der schlau genug ist, aus der Hölle einfach in den Himmel hinein spazieren!?" kann es Ariel nicht fassen. "Nein, es ist eigentlich unmöglich. Die Hölle würde aber ohne eine Verbindung zum Himmel nicht existieren können, sie würde sich im Nichts auflösen. Es ist das Begehren, das Wissen um den Himmel, dass es ihn gibt, das die Hölle heiß macht". "Ist das der Grund für diese Verbindung? Das ist aber ein verdammt schlechter Grund. Als wär die Welt von der Hölle aus erschaffen worden, verstehen Sie?" "Die Welt muss ein Ganzes bleiben. Das ist der Grund".





2



1. "Fass nichts an, wir sind hier nur, weils regnet. Komm nicht auf dumme Gedanken", ermahnt die stockdürre blonde 18-jährige Kira die auf elegantere Weise ultraschlanke 17-jährige Lyra. Diese lacht nur: "Es ist doch nur eine Bank. Entspann dich". Lyra geht in eine Damentoilette, Kira hinterher. "Ich werde hier keine Bomben legen, Kira, ich mach mich nur frisch".

Foyer. "Gibt es eigentlich einen ordentlichen Club in Reburt?" will Kira tanzen. "Es gibt überall Diskotheken", so Lyra abschätzig. "Tut mir leid, dass es in keiner Stadt Clubs gibt, die du suchst", zickt Kira. Lyra reagiert nicht, bleibt vor dem Fenster stehen. Kira ist nach dem Ausbleiben der gewohnten zynischen Bemerkung beunruhigt, läuft auf Lyra zu: "Was ist denn? "Wann sind wir hier rein gekommen?" fragt Lyra, ihre Stimme zittert. "Um sieben oder kurz vor acht, vielleicht halb neun, ich weiß nicht mehr..." "Die Sonne geht auf". "Kurz vor 21 Uhr? Ist das ein Trick?" "Jedenfalls nicht von mir". Konsterniert bleiben sie stehen, bis Kira völlig verängstigt flüstert: "Jetzt sinkt sie". Draußen ist die Beleuchtung ausgefallen, es wird stockdunkel. Ein Fahrstuhl geht auf, dort brennt Licht. "Schnell, da rein!" rennt Kira los, Lyra hinterher.



2. Fahrstuhl. "Hoch?" fragt Kira. Lyra nickt. Kira wählt das oberste Stockwerk. Der Fahrstuhl rührt sich nicht. "Jetzt bloß nicht steckenbleiben", kommentiert Kira, "draußen spielt die Welt schon verrückt genug". "Wir sinken", flüstert Lyra. "Nein, wir stehen". "Wir sinken, aber nur ganz langsam". Jetzt spürt es auch Kira.



Ein märchenhaft anmutender Garten. Ein Baumhaus auf einem riesigen Baum, zweihundert Meter über der Erde. "Hier ist mein Zuhause", lässt sich Hiite tief in einen imposanten schwarzen Sessel fallen. "Ist das Leder?" fragt Julia nach dem Material. "Wieso fragst du?" "Werden hier oben Tiere getötet?" "Alles Schwarze kommt von unten", lacht Hiite. Sophie möchte etwas trinken. "Vom Purpurkirschensaft nicht zuviel", warnt der Jüngling. Zu spät. Sophies Pupillen weiten sich. Ihre Lippen wirken voller, ihre Blicke und Bewegungen verführerischer. Hiite dreht sich wieder zu den Mädchen und sieht, wie Julia Sophie küsst. "Darf ich stören?" lächelt er. Schamrot dreht sich Julia zu ihm: "Aber ich habe doch nichts getrunken..."



3. "Wie lange fahren wir schon runter?" ist Kira ungeduldig. "Mich interessiert eher, wie langsam wir runterfahren". Kira findet einen aufklappbaren Sitz. "Danke", grinst Lyra und setzt sich.



"Seht ihr den Pool, in dem wir eben waren?" zeigt Hiite den Garten aus der Vogelperspektive. "Das Wasser... so muss sich ein Jungbrunnen anfühlen", zwitschert Sophie. "Als wenn du auf Suche nach einem wärst", lacht Julia und lässt sich in einen ultraschicken weißen Sessel fallen. Sophie lässt sich halb auf halb neben Julia fallen, Julia fängt sie auf, spielt mit ihrem Haar, erforscht mit den Fingerkuppen die zarte Haut auf dem Gesicht und dem Hals ihrer elfenhaften Freundin. "Werden wir hier noch schöner", streckt sich Sophie und gähnt niedlich wie ein Kätzchen. "Die Luft tut euch gut. Aber wenn ihr einen Jungbrunnen sucht, es gibt genug davon. Natürlich nicht hier". "Wo denn?" ist Julia interessiert. "Oben". "Und wie funktioniert er?" "Ich bin jedenfalls seit 80 Jahren 17".



4. "Kira, er ist stehengeblieben", flüstert Lyra. "Warum müssen dunkelhaarige Mädchen immer so viel Angst haben?" "Warum können hellhaarige Mädchen nicht auch auf der anderen Seite des Kopfes so hell sein", beißt Lyra. "Ja, die inneren Werte", lacht Kira höhnisch. "Ich meinte eigentlich nur die Intelligenz. Begreifst du denn nicht, was hier geschieht?" "Aber natürlich, mein feuchter Traum, wir waren kaltherzig zu den Jungs und fahren dafür in die Hölle". Lyra nimmt Kiras Hand: "Du musst mich nicht hassen, weil du mich magst. Ich mag dich doch auch". Kira schaut ihr erbost in die Augen: "Aber du weißt genau, wie ich dich mag. Und wie sehr ich dich auf diese Weise mag". Die Fahrstuhltür öffnet sich.



5. Schlecht beleuchteter Korridor, verdreckte Wände. "Das ist ja wie in der Oststadt", zickt Kira. Sie gehen auf einen hellen Raum zu. Stimmen sind zu hören. Verschleierte und Vermummte sitzen auf Bänken und hören zu - einer redet: "Ich bin der Einzige von uns, der noch sprechen kann, also vertraut mir, denn ihr habt keine Wahl. Ich tausche den Jungen gegen einen Weg nach oben ein, komme zurück und wir steigen auf". Jemand sieht Kira, zeigt auf sie: "Ä, ä, ä!" Der Redner läuft zur Tür, sieht nun auch Lyra, die sich hinter Kira versteckt. "Bleibt ruhig. Zwei Verirrte hier. Ich nehme sie mit. Mit den zwei und dem Jungen kann ich vielleicht hundert Stockwerke aushandeln".



6. Spiraltreppe. "Kommt, wir müssen den Jungen holen", sagt der Vermummte. "Danke", flüstert Lyra. "Sehr gern. Ich habe schon lange so hübsche Gesichter nicht mehr gesehen, außer bei dem Jungen, hehe".



Hiite schließt die Fenster - ein Sturm. "Dieses Haus", zeigt er, "aus dessen Keller wir kommen, ist das höchste Gebäude in meiner... ich sag mal Welt. Im tausendsten Stock ist noch nie einer gewesen, die höchste begehbare Ebene ist 888". Julia deckt Sophie mit einer Decke zu und geht zu Hiite ans Fenster: "Und der Durchgang ist immer offen?" "So ist es. Es geht, so sagt man, unendlich tief runter. Ein Tempel, den ich am Liebsten einreißen würde. Da sind Schulen, Geschäfte, Clubs, sogar die Regierung residiert in diesem Gebäude. Alle sind so verrückt danach, direkt über dem Abgrund zu wandern".



"Wir sind da", hustet der Vermummte. Er zieht einen Schlüssel und öffnet eine Tür im Treppenhaus. Ein geräumiger Saal, in einem Sessel schläft Fox Kitten. "Weckt ihn". Lyra geht zu him hin und streicht ihm über die Wange.



7. Hiite macht sich auf den Weg. "Wo willst du hin?" "Bleibt hier, geht nicht aus dem Haus. Es hat eine Entwarnung gegeben, ich kann wieder in den Keller". Julia packt ihn am Arm: "Geh da nicht hin..." "Pass auf Sophie auf... Nein, so meinte ich das nicht. Pass auf, dass sie nichts anstellt".



Lagerhalle. Zwei Vermummte verhandeln; Lyra versucht, hinzuhören, versteht aber kein Wort. "Sie sprechen Agaaáh", erklärt Fox Kitten. "Aha", grinst Kira. "Ich sags für Mädchen: Oberhöllisch". "Schwarzhaarige, komm her", ruft der Käufer. Kira will Lyra festhalten, der Junge hält sie zurück. "Zieh das über", gibt der Käufer Lyra einen weißen Ganzkörperschleier. Er führt sie in einen Fahrstuhl und verschwindet mit ihr nach unten. "Nein!" ruft Kira. "Weine nicht. Ich habe keinen Tränensammler dabei", sagt der Vermummte. "Wo gehen wir hin?" will Fox Kitten wissen. "Ich hätte mich mit einem anderen Käufer treffen sollen. Aber dieser bezahlt mehr". "Ich verstehe nicht", weint Kira los. "Ich werde mit niemandem einen Aufstieg für meine Freunde aushandeln. Hier unten denkt man nur an sich selbst, vergisst aber bereitwillig, dass auch jeder andere nur an sich selbst denkt. Ich nenne das Hoffnung. In der Hoffnung, jemanden zu finden, der nicht so grausam und verlogen ist, wie alle die man kennt, lässt man sich zu leicht betrügen". "Was hat er dir für Lyra gegeben!?" "Einen Schlüssel. Eine Bombe. Jedenfalls ein Ding, das einen Fahrstuhl manipulieren kann, so dass er nach oben rast, bis er seine Energie aufgebraucht hat". Fahrstuhl. Es funktioniert. Korridor. Marmorwände. "Eine Höhe, mit der man leben kann. Sucht einen Medizinschrank".



8. Der Vermummte legt sich auf eine Liege: "Gib mir die blauen Pillen". Kira gibt sie ihm. "Wenn sie nicht wirken, musst du mich operieren". Er nickt ein, Kira flüstert: "Lassen wir ihn hier, komm". Fox Kitten nimmt ihre Hand und führt sie hinaus. Sie suchen den ganzen Korridor, alle Räume nach einer Treppe ab, aber da ist keine Treppe. Der Vermummte ist aufgewacht und sucht schon nach ihnen. "Ich wusste nicht, dass ihr genauso seid wir wir", ruft er, als er sie sieht. "Wir sind Gefangene", sagt Kira, als er näher kommt. "Wir alle sind Gefangene". "Wir haben dir nichts versprochen", rechtfertigt sich Kira. "Hab keine Angst, so zu sein. Lass es zu. Deine Grausamkeit wird dir deine Angst nehmen, deine Verlogenheit wird deinen Zweifel vernichten. Das was ihr böse nennt, ist der energieärmste Zustand einer Seele, ein ausgewogener, stabiler Zustand. Kein Bangen mehr. Kein Fürchten mehr. Nichts mehr zu verlieren innerhalb deiner Selbst". "Entropie in der Hölle?" wundert sich Fox Kitten. "Nirgendwo sonst so sehr wie in der Hölle. Oben gibt es Wunder, hier nicht. Es gibt keine dankbarere Aufgabe für einen Wissenschaftler, als die Hölle zu erforschen. Hier bleibt alles gleich. Die Gesetze der Physik gelten hier absolut". "Das ist was für mich, das gefällt mir", murmelt Fox Kitten. "Wir haben dir kein Unrecht getan", wirft Kira einen bösen Blick auf den Vermummten. "Das Gute und das Böse, den Wunsch und seine Erfüllung, alles müsst ihr Mittelwesen fein säuberlich trennen..."



9. Hiite nimmt einen Geheimgang in ein Treppenhaus und geht eine Treppe runter, die schnell zu Ende ist. Er weiß, dass es nach unten keine langen Treppen gibt, aber einige Stockwerke tiefer kann er unbeobachtet in einen Fahrstuhl steigen und zur Hölle fahren. Unaufgeregt fährt er so tief, wie es der Fahrstuhl hergibt. Er steigt aus: Marmorwände. Er weiß, wo er weitersuchen muss: es gibt einen geheimen Gang, den er gut kennt. Jemand beobachtet ihn, steigt schließlich nach ihm in den Fahrstuhl. "Du kennst dich hier zu gut aus", sagt er. Hiite erkennt Luc: "Hast du sie gefunden?" "Siehst du sie denn irgendwo neben mir stehen?" Hiite setzt sich auf den Farhstuhlboden: "Ich war so oft unten, habe mich immer als Freiwilliger für ein Rettungsteam gemeldet. Nicht das was unten sah, macht mir Angst. Es ist das Warum". "Warum die Angst anziehend wirkt?" Hiite schweigt. "Wenn wir hier fertig sind, gehe ich nach oben, immer weiter, nichts wird mich aufhalten", ist Luc entschlossen. "Bei uns gibt es eine Legende", lacht Hiite, "Ein junger Mann, so entschlossen wie du, wollte in den tausendesten Stock. Er stieg immer höher und es wurde immer schöner. Die Mädchen, die Ästhetik, alles. Auf jeder höheren Ebene blieb er länger, bis er irgendwo zwischen 960 und 990 für immer blieb". "Und?" "Das ist noch nicht alles. Einmal wollte er kurz schauen, was im Tausendsten ist, um dann wieder in sein glückliches ewiges Leben zurückzukehren". "Und als er wieder hinabstieg, fand er nichts mehr schön". "Wäre durchaus möglich gewesen, aber so war es nicht. Er stieg in den Tausendsten, und da war pures Nichts, so pur, dass er sich sofort darin auflöste". "Und?" "Ihr Mittelwesen braucht dafür nur zu sterben. Ihr kommt alle da hin, noch niemand von euch hat es je verfehlt. Und wir raten und bangen, was da noch sein könnte, schöner als alles Wunderschöne, was wir kennen".



10. Sophie wacht auf: "Julia, wo ist er hingegangen?" "Er sucht das kleine Mädchen". "Schauen wir uns um". "Nein!" "Warum nicht?" Sophie versucht, das Baumhaus zu verlassen, findet aber den Weg nach unten nicht. Julia schenkt Sophie etwas ein, drängt sie, es zu trinken. Sophie lächelt verstehend und trinkt ein ganzes Glas Purpurkirschensaft aus. Julia verspürt den Drang, sie zu fangen; Sophie weicht aus, bis Julia sie schließlich fängt, mit dem Rücken zur Wand stellt und küsst.



"Wartet", kann der Vermummte nicht weiter. "Du hast eine ganze Packung von diesen blauen Pillen genommen", zickt Kira. "Das war nur gegen die Symptome". "Stirbst du jetzt?" so Kira belustigt. "Oh, nein. Ich werde runter fahren, und wenn es sein muss, runter kriechen, sonst halte ich die Schmerzen nicht aus". "Und stirbst du, wenn du sie nicht mehr aushalten kannst?" "Ich meinte gefühltes Nichtaushaltenkönnen. So wie ihr das Wort "unerträglich" benutzt. Natürlich sterbe ich nicht". "Da kommt jemand", stellt Fox Kitten fest. "Ich sehe zwei", berichtigt Kira. Luc und Hiite kommen näher. "Der Schöne und das Biest", begrüßt sie Kira. "Sehe ich so schrecklich aus?" wundert sich Luc und betrachtet den kleinen Jungen: "Ist dir nichts passiert? Komm, wir gehen hoch". Er nimmt Fox Kitten und geht fort. Hiite rennt hinterher: "Und das Mädchen!? Du hast mir etwas geschworen". "Bei aller Dunkelheit, ja. Aber zuerst bringe ich den Kleinen in Sicherheit". "Ich helf dir". "Warum denn?" "Ich will mir nicht vorstellen, was du anrichtest, wenn ihm etwas passiert".



11. "Da lassen sie eine Dame mit einem Kerl wie mir mir nichts dir nicht allein", lacht der Vermummte. Kira ist erbost. "Jeder für sich, nicht nur in der Hölle", hört sie und erwidert: "Für sich? Du hast wohl nicht hingesehen. Das Biest will den Jungen beschützen, der Schöne was weiß ich wen retten". "Schon möglich. Aber nicht dich. Wären sie nicht etwas Besseres, würdest du gewisse Rachegelüste nicht verspüren". "Woher weißt du, dass ich daran denke, den Jungen zu entführen?" "Ich ahne es". "Lass mich gehen", bittet Kira. "Geh". Kira schaut sich um - sie weiß nicht wohin und kehrt zurück: "Ich vermute, du bist nicht das Grausamste, was in diesen Höhen schlummert". "Ich werde dich nicht anrühren, und ich kann dich sogar beschützen. Du bist hier unten viel wert". Er geht langsam und sich vor Schmerzen krümmend zu einem Fahrstuhl: "Ich muss hinab". Kira steigt zu ihm in den Fahrstuhl. "Du hoffst, dass ich dir helfe, deine Freundin zu finden? Ja, die Hoffnung. Vertrauen entsteht aus dem Wunsch zu vertrauen". "Und wenn ich berechnend bin?" Er lacht: "Ich bin mir sogar sicher, dass du berechnend bist. Am Ende werde ich mich in dich verlieben, deine Freundin für dich finden und euch ein paar Bomben auf den Weg geben, damit ihr hochkommt. Hast du dir das ausgerechnet?"



12. "Hast du sie gesehen?" fragt Hiite den Jungen aus. "Nur oben, bei den Mädchen. Im Fahrstuhl hat jemand auf sie gewartet; ich bin losgerant, aber nur noch gegen die Tür geknallt, dann habe ich den Nächsten genommen". "Wer hat auf sie gewartet!?" "Er war weiß verschleiert". "Er oder sie?" "Ich sagte doch, weiß verschleiert". Hiite ist die Verzweiflung anzumerken, er hat einen furchtbaren Verdacht.



Basar. Eine große Halle, die einem Schrottplatz ähnelt. Zwei weiß verschleierte Gestalten treten an einen Stand heran. "Sohn oder Tochter?" fragt der schwarz vermummte Kaufmann. Neben ihm steht die weiß verschleierte Lyra. "Sohn", flüstert die größere Gestalt mit einer sanften Mädchenstimme. "Der Stimmapparat muss ein Vermögen gekostet haben", redet der Kaufmann, "wenn Sie fünf Ersatzteile kaufen, bekommen Sie diesen Rattenschocker umsonst". "Mein Sohn will die Lady haben". "Oh, ja, gern. Habe sie beim Treiben hier völlig vergessen... Was bieten Sie?" "Zehn Bomben". "Sie sind eine reiche Frau. Ich mag reiche Frauen". "Mein Sohn hat Fieber. Lassen Sie das übliche Risikobalzen und geben Sie mir die Lady. Hier sind Ihre Bomben".



"Risikobalzen?" fragt Lyra, nachdem die Käuferin eine Bombe legt, die den Fahrstuhl auf die Marmorebene befördert. "Er weiß ja nicht, was darunter ist", lächelt sie und lüftet den Schleier - eine wunderschöne 18-jährige Brünette.



"Sie heißt Juliane. Sie hat die Kleine aufgezogen", erzählt Hiite. Luc schreitet in den Korridor. "Eine vorübergehende Wegmarke, wahrscheinlich findet gerade eine Rettungsaktion statt", erklärt Hiite den Pfeil an der Wand. Die Drei gehen zum Treppenhaus, Hiite erzählt weiter: "Eine Verzärtelungskünstlerin; sie wollte das verwöhnteste Mädchen der Welt erschaffen. Wahrscheinlich hat sie das". "Ist es echte 8?" fragt Fox Kitten. "Die Kleine ja. Juliane aber hatte unendlich viel Zeit zum Üben. Sie ist 160 oder 200 der gelebten Zeit nach". "Und sie befördert ihren Schatz aus dem Himmel direkt in die Hölle?" "Es gibt einen vertikalen Geheimbund. Ihr Zeichen ist ein altes Symbol der Ganzheit. So, da sind wir. Gehen wir hoch in den Keller".





13. Es ist die Wohnung, in der zwei Mädchen und zwei Jungen drei Tage verbrachten, drei schöne Tage der Ungewissheit. "Wann darf ich den Kleinen endlich sehen?" fragt Lyra. "Die Kleine", korrigiert Juliane, "das zarteste Mädchen der Welt".



"Wir sind zu spät", sagt Hiite. Der Keller ist wieder abgeschlossen, kein Weg führt in Hiites Welt unter dem Himmel. "Wir können nicht warten", erinnert Luc. "So ist es. Wir suchen eine verlassene Wächterwohnung für deinen kleinen Freund und schließen ihn dort ab". Diese ist schnell gefunden. "Wir kommen bald zurück", verspricht Luc.



Zwei Köpfe, die aus einer Decken- und Kissenburg hervorragen. "Was machst du?" fragt Julia Sophie, die wie gekitzelt neben ihr liegt und kichert. "Ich genieße die Haut", flüstert Sophie. "Ein Bett der Selbstehe", stellt Julia fest, "kein Wunder, dass er allein klarkommt". "Hiite hat bestimmt eine Freundin", flüstert Sophie und rutscht dicht an Julia heran. "Unfassbar, wie zart sich deine Haut anfühlt". Sophie schaut verträumt ins Nichts: "Reinheit ist, wofür man nichts kann. So schön zart sein, und das Glück haben, das einem nichts angetan wurde". "Mein Ethiklehrer sagt immer, Reinheit kommt aus dem guten Willen", legt Julia ihren Arm um Sophie. Beide Mädchen lachen.



14. "Hier kannst du den Schutzanzug abnehmen", führt Juliane das kleine Mädchen in ein Schlafzimmer. Ariel hat die Kommenden gehört und sich in jenem Zimmer versteckt. Er beobachtet Kleiniques Enthüllung - und da ist sie, angezogen wie eine Ballkönigin auf dem edelsten Winterball der Welt. "So habe ich mir einen Engel vorgestellt", ist Lyra sprachlos. "So? Nicht blond und im weißen Pyjama?" Lyra bewundert die Schönheit des Kindes. "Wenn du ein geladenes Bad nimmst, darfst du sie sogar berühren", lächelt Juliane. "Da ist ein Junge", flüstert Kleinique so leise, dass es kaum hörbar, und dennoch klar zu verstehen ist. Ariel kriecht aus seinem Versteck hervor: "Entschuldigt, ich wusste nicht, dass ich erwünschte ungebetene Gäste habe". "Interessanter Ausdruck", schmunzelt Juliane. "Ich kann auch woanders hin gehen", senkt Ariel den Kopf. "Pflück uns Früchte. Die Kleine verträgt nur weiße Kleinstkirschen".



"Der Mann ist weg", stellt Luc fest. "Ja, das sehe ich auch. Lass uns die Wohnung verwüsten". "Wonach suchen wir?" "Nach einem Hinweis. Wenn er nicht einer von ihnen ist, haben sie ihn entführt". Sie finden nichts. "Vielleicht ist er ja in der Wohnung, in der wir waren", vermutet Luc. "Lass uns später nachsehen". Auf dem Weg zu einem Fahrstuhl erinnert sich Luc: "Das zar... Wofür? Was will sie mit ihr dort unten? Quälen, naschen, verkaufen - das scheidet aus, sie kommt ja nicht aus der Hölle". "Worauf willst du hinaus?" "Es ist verdammt aberwitzig, so ein einzigartiges Geschöpf mitzunehmen, besonders wenn man selbst an dessen Entwicklung beteiligt war". "Ja, sie könnte durch eine einzige Berührung entweiht werden", nickt Hiite. Ihm geht ein Licht auf. "Was?" "Nein, das halte ich nicht für möglich", stammelt er vor sich hin.



15. "Wo sind sie?" fragt Lyra Ariel, der im Speisesaal die Früchte auspackt. "Baden". "Denkst du, was ich denke?" Ariel nickt. "Sie darf nicht nach oben", kommt Juliane mit Kleinique zurück, "da suchen alle nach ihr. Aber wenn sie einen weiteren Tag unterverwöhnt bleibt, wird es kritisch". Ariel und Lyra schweigen. Juliane versteht: "Ihr könnt mir ihr nicht Fangen spielen, kuscheln, oder was ihr noch vorhabt - Hautkontakte mit Unterverwöhnten sind zartheitsschädigend". "Fessel sie", lächelt Lyra, "oder halt sie fest". Ariel setzt sich zu Juliane und hält sie fest, Lyra will die Kleine fangen. "Bitte nicht", so Julianes zartes Flehen. Eine junge Frau in Weiß stört die begonnene Folter: "Ihr habt sie? Der Weg ist in vier Stunden frei. Entschuldigt den Abbruch, das hätte nicht passieren dürfen. Wir können diesmal ganz nach unten fahren, in den Kontrollraum. Stimmt etwas nicht?" "Fessel sie", befiehlt Juliane. Die junge Frau tut dies, mit einem Schwachmacher bewaffnet. "Warum nehmt ihr keine normale Pistole und erschießt uns?" schluchzt Lyra. "Ich würdet euch vor Schmerzen krümmen, aber nicht sterben. Nur ein Abstieg würde eure Schmerzen lindern". "Ihr wollt uns nicht wehtun?" "Vielleicht doch", lächelt Juliane und wendet sich zu Kleinique: "Wir werden euch unsere Version von C10H15N verabreichen. Streich mit deinem Händchen mal über die Wangen dieser bedauernswerten Kreaturen". Kleinique vollführt dies. "Mach ihnen die Fesseln ab, wenn wir losgehen, sie könnten sonst den Verstand verlieren", spricht Juliane zur Frau in Weiß, "und pass solange auf die Tür auf, ich wiege Kleinique in den Schönheitsschlaf".



16. "Es geht ja immer tiefer", staunt Luc. "Die Bevölkerungsdichte nimmt in diesen Tiefen dramatisch zu", warnt Hiite. "Noch weiter unten leben sogar die Wände".



Fox Kitten hört zwei Stimmen auf der anderen Seite der gepanzerten Tür. "Eine Stunde, vielleicht zwei". "Gut. Bohren wir. Hoffentlich ist da kein besoffener Arbeiter drin". "Meine Quelle ist sicher. Da drin ist der Junge".



Konferezraum auf der Marmorebene. "Freunde der Leerheit, die Gesellschaft für die Vollendung der Vollkommenheit hat ihr Zeil erreicht. In weniger als fünf Stunden wird der Schwarze Schalter berührt werden, und der Durchgang wird für immer offen sein. Durchgehende Treppenhäuser bis nach ganz oben werden sich öffnen. Keine Fahrstühle, kein Licht. Auf unserer gegenwärtigen Höhe werden die ersten Verteidigungslinien errichtet, und dann immer weiter oben, bis es nichts mehr zu verteidigen gibt. Das Feinklima wird es jedem Wesen erlauben, sich auf jedem Stockwerk aufzuhalten. Kreaturen der Hölle werden den Himmel stürmen. Die Edlen werden in den tausendsten Stock rennen und ins Nichts stürzen. Die interessanteren Wesen des Himmels, diese herrlichen Früchte, die ihr Leben lang darauf warteten, werden endlich..."



Hiite und Luc steigen aus. "Vorsicht, große Ratten", warnt Hiite. "Hier war ich schon", langweilt sich Luc.



Schutzanzug, Vollverschleierung. Die Frau in Weiß und Juliane machen sich mit Kleinique auf den Weg.



Fox Kitten schaut auf die Fenster, versucht, eines der Fenster zu öffnen, als die Tür fast durchgebohrt ist. Als zwei Vermummte hineinrennen, schließt sich der Junge im Bad ein. Die Tür ist in wenigen Sekunden geöffnet, aber der Junge öffnet das Fenster und springt hinaus.



17. "Du warst hier?" durchschreitet Hiite mit Luc einen Gang von furchtbarem Gestank. Die Wände sind weich und schwarz und scheinen zu schwitzen. "Als ich 13 war, verliebte ich mich unsterblich in ein Mädchen aus der Parallelklasse. Sie brach mir so kalt und systematisch das Herz, dass ich nur noch den Tod wollte. Ich fuhr in ein Feriencamp, um mich beim Ausflug in die Berge von der Klippe zu stürzen. Da war dieser neunjährige Junge. Er bemerkte, dass ich mich umbringen wollte. Er saß nächtelang in meinem Zelt, um mich zu überzeugen, nicht zu springen. All die engelhaften Eigenschaften, die ich in das Mädchen hineinprojizierte, hatte dieser Junge wirklich". Eine Ratte. Sie lief an den Besuchern ignorant vorbei, hunderte Ratten folgten ihr. "Sie fliehen vor etwas", ahnte Luc. "Wie geht deine Geschichte weiter?" "Er wurde von Jungs in meinem Alter entführt und in einen Keller gesperrt. Sie ließen ihn mit seiner ich muss sagen legendären Angst vor der Dunkelheit dort über Nacht allein. Als sie am Morgen wieder in den Keller gingen, war er verschwunden. Ich war ja 13, und auch nicht der Mutigste, also ließ ich mich auch in den Keller sperren. Ich kam an einen Ort wie diesen, nachdem ich vor Angst ohnmächtig wurde". "Hast du ihn hier gefunden?" "Nein, er schlief süß und friedlich auf der Marmorebene. Ich irrte zwei Tage durch die Dunkelheit, und wusste instinktiv, dass ich nach oben muss. Dann spazierten wir aus dem Rattennest auf den Vengerplatz".



18. "Hörst du das Geschrei?" "Das sind die Defs", weiß Hiite. "Was sind das denn für Tiere?" "Die Deformierten. Auch sie laufen vor etwas weg. Lass uns in einer Sackgasse warten, glaub mir, du willst dir das nicht ansehen".



"Geht es dir gut?" fragt Ariel. "Ja, ich kann wieder aufstehen". "Das war nicht das Mädchen, das war dieser komische Elektroschocker". Lyra findet einen Schal und kann nicht aufhören, daran zu riechen. "Er gehört ihr", erinnert sich Ariel. Er nimmt ein eiskaltes Erfrischungsgetränk und schluckt einen halben Liter rasch runter: "Mir ist heiß". "Hast du Fieber?" "Nein, es geht mir gut. Es geht mir sogar sehr gut. Und jetzt, wo es mir so gut geht, verrate ich dir was: es ist vorbei! Es ist endlich vorbei". "Was?" wundert sich Lyra. "Ich war verknallt in Julia, ich war hassverliebt in Sophie, beides in Fox Kitten... Ich fühle mich frei. Nichts hält mich mehr. Ich habe keine Angst, etwas zu verlieren". "Gehen wir nach oben?" "Nichts wie hin", lacht Ariel.



"Das sind aber verdammt viele Defs", bemerkt Luc. "Ihre Gesamtzahl wird gemeinhin auf eine Milliarde geschätzt. Eine optimistische Schätzung, würde ich sagen. Es sind eher zehn Milliarden". "Und wieviele laufen gerade an uns vorbei?" "Ein Block. Hunderttausend".



"Kommt ihr von oben?" fragt ein Wächter Ariel und Julia. "Woher denn sonst?" erwidert der Blondschopf. "Dann folgt dem Pfeil, und beeilt euch". "Was ist denn los?" "Großalarm. Zwei Senatoren, die in einen vertikalen Geheimbund verwickelt waren, sind eben aufgeflogen. Das bedeutet, dort mischen Wesen direkt aus der Hölle mit. Los, verschwindet!"



"Wie lange noch?" "Ich schätze, die Hälfte von denen sind an uns vorbei". Luc setzt sich auf den Boden. "Hier, setz dich auf den Stein. Der Boden sondert Schleim ab, du infizierst dich". "Womit?" "Mit dem, was gerade an uns vorbeiläuft".



19. Ariel rennt aus dem Tor hinaus und stürzt auf das weiße Gras, Lyra hinterher. Sie liegen im Gras und lachen, stehen auf und spazieren durch den Park. Sophie hat gerade die fahrende Plattform gefunden und ausgefahren, den zu Hiites Baumhaus gehörenden Lift. Ariel und Lyra steigen auf die Plattform und fahren hoch. "Lange nicht gesehen", lächelt Ariel und schiebt Sophie zurück ins Haus. "Wo ist Kitten?" fragt Julia. "Er wollte bei Luc bleiben".



"Es ist soweit. Bald können wir weiter", freut sich Hiite. "Warum nicht sofort?" "In der Massenpanik wurden womöglich tausende Defs zertrampelt. Die Großporen im Boden werden ihre Leichen nun absorbieren, die kleineren Poren das Blut. Auch die Hölle hat ihre guten Seiten". "Ich mag es auch sauber", nickt Luc.



"Er hat davon Wind bekommen", weiß die Frau in Weiß. "Dann wissen die da oben auch, was vor sich geht", liegt Juliane richtig. Zwei elegant-ultradürre Vermummte halten den Fahrstuhl an und steigen mit ein. "Die Schatten, unsere tiefsten Verbündeten", stellt die Frau in Weiß sie vor.



"Luc, glaubst du an den Teufel?" "Ist die Hölle nicht schon ohne ihn schrecklich genug?" "Ich konnte den Kult, den ihr Mittelwesen um den Teufel macht, noch nie verstehen. Er ist harmlos. Bestechlich, aber harmlos".



"Wir sind da", sagt die Frau in Weiß. Die Schatten führen Juliane und Kleinique in einen Tempel. Auf dem Altar ein runder kopfgroßer schwarzer Knopf. "Das ist der Schwarze Schalter", weiß Juliane. Die Schatten führen die Frau in Weiß aus dem Tempel hinaus und versiegeln die Tür. Einer ist noch im Tempel - ein schlanker robuster Mann um die 50 in einem engen Trainingsanzug.



20. "Ihr könnt die Schutzanzüge abnehmen, dieser Ort ist steril", sagt der Mann im engen Trainingsanzug. "Kann sie nicht einfach einen Handschuh ausziehen und den Knopf drücken?" "Oh, nein", sagt der Mann mit einer ruhigen, gütigen Stimme, "der Raum muss sie spüren. Ist sie in ihrem schönsten Kleid? Das ist gut. Gut für sie, denn sie muss sich auch schön fühlen. Das Gefühl, wunderschön zu sein, muss durch ihre Adern strömen, dann fühlt es auch der Raum. Du musst sie wie einen guten Wein atmen lassen".



"Los, rein. Der fährt ganz nach unten". "Warum nur", ahnt Luc Böses. Der Fahrstuhl rast förmlich nach unten, schlägt etwas unsanft auf. "Die Stromnetze sind überlastet. Steh auf, wir hätten viel härter aufschlagen können", zieht Hiite ihn hoch. "Du bist ein ganz schön robuster Junge. Furchtlos, unerschrocken. Ich beneide dich". "Ich sehe und fühle und rieche und schmecke, und, hätte ich fast vergessen, höre jeden Tag die Schönheit in all ihren Spielarten. Ihr Mittelwesen begehrt sie, bekommt sie aber selten, und wenn, dann eine Vergängliche, meistens aber nur einen Schein von ihr. Das zehrt an euren Kräften. Ihr seid bedauerliche Kreaturen, angesiedelt im Nirgendwo zwischen Himmel und Hölle, befähigt, Schönheit zu empfangen, und der Möglichkeit beraubt, sie jemals in ihrer Fülle zu erfahren". Luc schweigt. "Was ist?" fragt Hiite nach. "Das hat gesessen".



Ariel wandert von Zimmer zu Zimmer, Julia hält ihn am Arm fest. "Was ist mit dir?" "Mach das nochmal". "Was? Lass meinen Arm los und halt ihn wieder fest". Julia tut dies. "Das lindert den Schmerz für zehn Sekunden", weiß Lyra, die immer wieder Sophie berührt - am Arm, an der Wange, nimmt schleßlich ihre Hand und hält sie fest. "Sinneseindrücke werden die Symptome lindern", vermutet sie. Sophie will sich losreißen, aber Lyra lässt sie nicht los. "Wir werden immer intensivere Sinneseindrücke benötigen", bleibt sie sachlich, um an ihren Entzugserscheinungen nicht zu verzweifeln. "Was werdet ihr mit uns machen?" flüstert Julia verängstigt. "Die Sinne gewöhnen sich zu schnell, wir können sie nicht wie Kätzchen streicheln", fürchtet sich Ariel vor Schmerzen, die immer stärker in Erscheinung treten. "Ich kenne eine Theorie", erinnert sich Lyra, "es geht um den Kopf, nicht um die Sinne".



21. "Wir sind da. Das ist der Tempel mit dem Schwarzen Schalter", zeigt Hiite. "Sie sind schon drin. Die Tür ist versiegelt". "Kommt mit uns", dreht sich die Frau in Weiß um. Hiite klopft die durchsichtigen Wände nach einer Schwachstelle ab. "Härter als Diamant", schüttelt die Frau in Weiß mit dem Kopf. Sie zieht Hiite weg: "Milliarden von Wesen sind in die Wände gepresst. Wenn der Durchgang geöffnet wird, werden die Wände sie wieder ausspucken. Ihr werdet zerdrückt". Die Schatten und die Frau in Weiß schieben Luc und Hiite in einen Fahrstuhl. "Wir fahren so hoch wie jetzt noch möglich, um uns einen Vorsprung zu verschafen. Der Aufstieg zur Marmorebene dauert zu Fuß zwei Tage".



"Warum hast du das Mädchen hergebracht", sieht der Tempelherr Juliane wohlwollend an. "Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass... Sieh sie dir an". "Besser die Welt im Nichts auflösen, als mit der Gefahr leben, dass deinem Liebling ein Haar gekrümmt wird. Verstehe". "Ist das denn kein guter Grund?" wundert sich Juliane. "Ich sehe mir seit Jahrtausenden diese gemarterten Wesen an, die nicht sterben können, weil sie schon tot sind. Sie sind für immer zu Qualen verflucht, solange Sein ist, und nicht Nichts".



"Erst muss unser Unterbewusstsein an ihre Verletzlichkeit glauben, damit wir sie fühlen können. Dann werden wir ihnen wehtun müssen, um unsere Schmerzen zu stillen", referiert Lyra. Julia nimmt Sophie in die Arme und drückt sie an sich. "Wir müssen das Problem anders lösen", schwankt Ariel. "Wie denn!?" schreit Lyra auf und weint los. Sophie geht zu ihr und hält sie fest: "Du weiß doch gar nicht, ob es funktioniert". "Es gibt noch einen Weg", ist Lyra gerührt, "wir können absteigen".



22. "Es wird Zeit". Juliane nickt. Kleinique steigt die Treppe zum Altar hinauf. "Riechst du diesen Duft?" fragt der Mann. "Ja, das ist ihr Körpergeruch". "Mein Kopf will die Sache noch durchziehen, aber mein Herz sagt mir: lass das Leben sein. Es ist besser, als das Nichts". "Kann der Prozess noch aufgehalten werden, wenn der Durchgang geöffnet ist?" "Nein. Es ist dann nur eine Frage der Zeit. Alle Wesen werden danach streben, in die höchste Ebene vorzudringen". "Aber diese Wesen streben nicht nach dem Nichts". "Natürlich nicht", lacht der Mann, "sie vermuten dort oben die höchste Lust. Vielleicht ist das Nichts ja die höchste Lust". Kleinique geht auf den Altar zu. "Danke", verneigt sich der Tempelherr vor Juliane. "Ich wünschte, ich hätte es aus Mitgefühl getan". Kleinique legt ihre Hände auf den Schwarzen Schalter, der Knopf sinkt ein. "Kommt, wir schaffen es mit meinem Dienstaufzug noch auf die Marmorebene". Juliane und Kleinique treten ein, der Mann startet den Aufzug und springt hinein. "Bist du der Teufel?" fragt Kleinique. Der Mann lächelt gütig und nickt.



Die Schatten und die Frau in Weiß lassen Luc und Hiite in einem Korridor auf der Marmorebene und gehen einen geheimen Weg nach oben. Kira läuft den Ausgesetzten entgegen: "Habt ihr Lyra gesehen?"

Eine Wand öffnet sich und aus einem engen Aufzug steigen Juliane und Kleinique mit dem Teufel aus, der nun sagt: "Nun bin ich diesen elenden Job los". "Kommst du mit uns?" fragt die Kleine. Er lächelt und geht fort. "Was nun?" fragt Hiite. "Geordneter Rückzug", weiß Juliane, "die Ebenen bis zum Keller werden schnell überrannt. Wenn wir die Schlacht um unsere Welt verlieren, müssen wir uns immer höher zurückziehen". "Und wenn ihr sie aufhalten könnt?" hofft Luc auf Unmögliches.




"Im dreihunderttausendsten Jahr der Inii kamen die Kreaturen der Hölle, und sie waren zahlreicher als alle bis dahin Gestorbenen, und die Weisen sagten, dass sie in unsere Welt kamen, um ihre Sterblichkeit einzufordern" - Niyi A. Hiate.



3.2011