Dienstag, 30. Juni 2020

Die nihilistische Welt




1. Ich würde ihn nicht einen Alptraum nennen. Ich stand vor einem Graben mit einem Maschinengewehr und schoss auf eine Menge. Sie fielen alle in den Graben und ich schlich um den Graben herum, und prüfte, ob alle tot waren. Ich schoss noch lange auf die bewegungslosen Körper, bis alle Schreie verstummten. Ich rief den Söldnern, die friedlich umherwanderten und Zigarren rauchten, es sei soweit. Der Graben wurde zugeschüttet. Das Telefon klingelte. "Cliff?" "Ich komme raus". Mein Anzug war nicht gebügelt, aber das Hemd so weiß wie die Unschuld selbst. Ein Jeep stand in meinem Garten, die Söldner fuhren mich zum Flughafen. "Haben Sie diesen Kibort schon einmal gesehen?" fragte ich einen der Söldner. Er verneinte dies entschieden: "Niemand von uns einfachen Leuten hat John Kibort je gesehen. Der Mann ist eine Legende".   


 Hatte das, wo ich nun hinflog, etwas mit diesem Traum zu tun? Eine Stewardess setzte sich zu mir, der Platz neben mir war frei. "Ich wünsche Ihnen ein gutes Massaker", sagte sie. Ich bedankte mich. Mitten in einer Steppe landeten wir. "Legt falsche Spuren. Reißt kleine Kinder, lasst die Leute glauben, ein Monster triebe sein Unwesen. Wartet, bis alle bewaffneten Männer sich versammeln, um nach dem Monster zu suchen. Fahrt dann mit den Panzerwagen vor zum Dorf und schießt sie ab". Die drei Tage des Wartens verbrachte ich mit dem Lesen. Griechische Mythologie. Alte Populärphysikbücher aus meiner Kindheit. Es war kurz vor Mitternacht, als ich die ersten Schüsse hörte. Ich rief meine Geier und ließ sie die Leichen der Männer beseitigen. Früh am Morgen spazierte ich mit einer leicht bewaffneten Gruppe ins Dorf und wir erschossen Alte, Frauen, Kinder, Tiere. Ich war stolz auf meine Arbeit, die darin bestand, das Massaker so organisiert zu haben, dass es am nächsten Tag keine Lebensspuren mehr gab und das Dorf als verlassen deklariert werden konnte. Eine Regierungsbehörde gab meinem Auftraggeber die Genehmigung, das leere Land für eine moderate Bestechungssumme an sich zu reißen. Es wurde ein schönes Testgelände für Biowaffen.


 "Beeindruckend", lobte mich ein General. "Ich tu, was ich kann". "Wissen Sie, wie viele Menschen es waren?" "Leute". "Was?" "Leute, sagte ich. Es waren 1200 Leute. Der erste Mensch, den ich hier sehe, sind Sie". "Sie sind sehr genau". "Exakt". "Gut. Aber wissen Sie, wie viele ... Leute Sie für Kibort beseitigen müssen?" "Ich hörte was von einer Million". "Es sind deutlich mehr als eine Million". "Es ist das erste Mal, dass ich nicht weiß, ob ich das schaffe. Ein ganzes Volk auszurotten ist etwas Anderes, als ein Dorf auszulöschen". "Ich wünsche Ihnen viel Glück". Der General flog in die Staaten, um eine Waffenlieferung an Kibort zu veranlassen. Ich bestellte zwanzig Mörder für meine Wenigkeit. Als er fort war, dachte ich wieder an meinen Traum. Die Söldner standen die ganze Zeit nur tatenlos rum, keiner gab einen Schuss ab. In meinem Traum habe ich die Leute allein erschossen. Der Duft der Steppe. Die tiefe, aber keineswegs dunkle Nacht. Ich wurde etwas melancholisch, erinnerte mich an meine Kindheit, die ich in einem Steppendorf verbrachte. In den fast zwölf Jahren starb in diesem Dorf kein einziger Mensch eines gewaltsamen Todes.  

2. Eine uniformierte Person, deren Haut man nur mit großem Wohlwollen als hell bezeichnen konnte, fragte mich an der Grenze aus. "Cliff Ceachelle, Eventmanager", stellte ich mich vor. "Waffen? Drogen? Kinder?" "Nur legale Waffenlieferung und legaler Alkohol". "Alkohol? Für wen?" "Für eine Millionen Konzertbesucher, vielleicht noch mehr". Er starrte vor sich hin. "Trauen Sie sich nicht, wegen der Waffen nachzufragen?" Er schaute geschäftig auf seine Uhr, dann auf sein Maschinengewehr. "Fragen Sie ruhig, die Schmiergelder sind bezahlt", ermunterte ich ihn. "Wofür die Waffen?" "Für den Lebensraum für ein kleines Mädchen. Mädchen brauchen viel Raum". "Sie sind verrückt", lächelte er bedrückt. "Verlassen Sie das Land in einer Woche, wenn Sie leben wollen. Eine Epidemie könnte ausbrechen". "Könnte?" Ich ging zu meinem Taxi. "Könnte!?" Ich fuhr weg.


 "Kaum angekommen, schon den ersten Treffer versenkt", lachte ein wie ein Hausmeister angezogener Angestellter von Kibort. "Die Gerüchte? Es gibt immer Gerüchte. Und es gibt kein Urheberrecht für Gerüchte". Ein Mann im weißem Kittel kam dazu. "Eh ich´s vergesse - wir brauchen einen Arzt. Den besten, den es gibt, wenn es ums Töten geht. Das wird kein Spaziergang". "Dr. Ciechelsky", stellte er sich vor. "Sind Sie mein Arzt?" "Der bin ich. Unter meiner Leitung wurde die Epidemie in Afrika vor zwei Jahren ausgelöst". "Die war großartig", lobte ich, "neun Tage - eine halbe Million Tote". "Und das Virus kennt bis heute keiner". "Als die ankamen, waren alle Spuren beseitigt, alle Leichen verbrannt. Das war richtig gut. Und die Bevölkerung ist Ihrem Team bis heute dankbar für ihr schnelles Eingreifen". "Und Sie? Sind Sie auch ein Held?" "Mich muss keiner kennen. Und Sie habe ich auch nicht erkannt. Bekanntsein wird überschätzt". 


 Fünfzig Experten saßen zu Tisch, die Familien waren dabei. Eine ältere Frau bedrängte Ciechelsky, wollte die Einzelheiten wissen, aber nicht, wie ich zunächst dachte, zu dem geplanten Massenmord, nein, es ging um Persephone. Das kleine Mädchen, das zum fünften Geburtstag dieses Land geschenkt bekommen sollte. Ciechelsky hatte die Ehre, das Mädchen vom Weiten zu sehen. Er erzählte der alten Frau den ganzen Abend von ihrer Schönheit, und als diese, vielleicht um ihrem - wie nennt man es doch gleich - Gewissen eine Pralinenschachtel zu überreichen, den Doktor fragte, ob er denn wirklich bereit wäre, so viele Leute zu töten, schloss dieser genüsslich die Augen und antwortete: "Ja, so hell ist ihre Haut".  


 "Wollen wir tanzen?" fragte mich eine junge Dame, wahrscheinlich die Nichte des Generals. "Warum nicht". "Haben Sie schon mal eigenhändig einen Menschen getötet?" "Ich würde nie einen Menschen töten", sprach ich mit einem etwas moralischen Unterton, "aber lassen Sie uns über erfreulichere Dinge reden". "Meine Gene sind mein Schatz", freute sich die junge Frau, "ich habe zwar schon zehn Embyos zerstören lassen, aber die Elf ist meine Glückszahl. Und diesmal werden sie es mit dem Samen von einem Bergsteiger versuchen, der fitteste Mann, der je gelebt hat, sagt man". "Und wenn´s ein Junge wird?" "Dann wird es ein zwölftes Mal geben. Ich bin so aufgeregt, ich wünsche mir so sehr, dass meine Tochter Persephones Hauptverwöhnerin wird!"
 Vier Stunden später, es war fast drei Uhr in der Nacht, sah ich sie im Garten weinen. "Mein Ururgroßvater war nicht..." "Beruhigen Sie sich", beruhigte ich sie. "Nein, nein, sagen Sie mir nicht, dass alles gut wird! Er.. er war... nicht ganz weiß". 

3. Das war das Land: ein See in den Bergen, ein Plateau, ein Tal. Zwei Bergdörfer störten die Aussicht aus Kiborts Palast. Die Gerüchte taten ihr Gutes: niemand protestierte gegen die Quarantäne, und die Bewohner der beiden Bergdörfer wurden von meinem Team in ein Waldlager verschleppt. "Zehntausende haben ihre Häuser verlassen", berichtete Ciechelsky. "Darauf trinke ich. Weniger Tote - weniger Arbeit". "Aber sie werden bald zurückkehren, wenn nichts passiert". "Wer sagt denn, dass nichts passiert?" "Bisher ist nichts passiert. Wir brauchen Leichen. Opfer der Epidemie". "Schlachtet dreißig Stück und zeigt sie der lokalen Presse", befahl ich den Männern, "nicht vergessen: sofort wieder mitnehmen und verbrennen". 


 "Geht´s wieder?" fragte ich die junge Frau, die kein Kind mehr bekommen durfte. "Ich weiß nicht mehr, wozu ich noch da bin". "Zum Leben, wie wir alle. Mehr ist das doch nicht". "Aber vorgestern hatte mein Leben noch einen höheren Sinn". "Meins hatte nie einen Sinn. Gehen wir aus?" Wir fuhren in die Stadt im Tal, verbrachten den Abend in einer Bar. Fröhliche Leute, keiner schön, viele glücklich. Unzählige Kinder auf den Straßen. Sie sah zu, wie ich mit den Kindern Fussball spielte, und fragte mich auf dem Rückweg, wie ich es tun könne. Sie alle töten. Solche Fragen stellt jemand, der an den Morden beteiligt ist oder von ihnen profitiert, aber niemals auf die dadurch erworbenen Annehmlichkeiten des Lebens verzichten würde. Ich schwieg nur, vielleicht aus Ehrfurcht vor dem Leben.


 Tief in der Nacht weckte mich einer der Söldner: "Es gab einen Aufstand im Lager. Sind nur noch fünfzig Leute übrig". "Ihr seid gute Schützen", wurde ich zynisch. Der Mann schwieg beschämt. "Entführt mindestens zweihundert Leute aus den umliegenden Dörfern, aber leise". Er ging seinem Beruf nach. Ich schlief wieder ein. "Vergewaltigung? Wer hat das erlaubt?" Ein alter Priester und Bauer, harter Hund, rief alle zusammen. Drei Söldner hatten in der Nacht dreimal soviele Frauen aus dem Lager vergewaltigt. "Wisst ihr Hurensöhne nicht, dass wir eure Familien haben? Habt ihr vergessen, was in euren Verträgen stand?" ging der Priester vor den in einer Reihe aufgestellten Söldnern auf und ab. Kiborts Männer brachten dem Alten drei Frauen und drei Kinder. "Schande oder Tod?" fragte er den ersten Söldner. "Schande", senkte dieser den Kopf. "Zieht seine Hosen runter und fickt ihn in den Arsch", befahl er den Söldnern neben ihm. Sie kamen der Aufforderung nach. "Schande oder Tod?" fragte der Priester den nächsten Übeltäter. "Tod", wollte dieser den Held spielen. "Frau oder Kind?" "Was!?" "Du hast dich für den Tod entschieden. Soll deine Frau oder dein Kind getötet werden?" Der Mann heulte, der Priester ließ sein Kind töten. "Du Bastard!!" Der Priester zog seine eigene Waffe und schoss der Frau in den Kopf. Der Dritte war an der Reihe. "Schande oder Tod?" "Schande". "Fickt ihn". In der folgenden Nacht befahl ich zwei Männern, die bestraften Söldner im Schlafe zu erschießen. 


 Ciechelsky schenkte sich einen Scotch ein, der älter war, als er selbst. 

"Zwehundertfünfzig werden nicht reichen". "Wir haben nicht genug Männer, um mehr Leute zu kontrollieren. Die hier müssen reichen". Wir schwiegen, es gab noch viel zu tun. "Die Frau hat sich gestern erhängt". Ich war nicht beeindruckt, obwohl sie gut tanzen konnte und gute Manieren hatte, und ihre Haut natürlich so schön hell war. "Sie hatte sich das mit dem Mädchen in den Kopf gesetzt, das war wohl eine fixe Idee". "Nein", unterbrach mich der Arzt, "es war das höhere Ziel, mit dem sie all das Grauen hier rechtfertigen wollte". "Was ist Ihr Ziel?" "Eine Welt ohne Menschen. Persephone wird der reichste, glücklichste und verwöhnteste Mensch in der Geschichte sein, um mit 27 Jahren als letzter Mensch auf der Welt zu sterben". "Ist Kibort in Ihren Lebenstraum eingeweiht?" Ciechelsky ließ sich tief in einen Luxussessel fallen: "Kibort ist ein Technokrat. Ich glaube sogar, er ist ein Roboter. Er wird sich mit einer riesigen Rakete ins All schießen und kommt nie wieder". "Nicht dass er noch beschließt, nach seinem Abflug die sämtlichen Atomarsenale dieser wunderbaren Welt hochgehen zu lassen", scherzte ich. "Aber er ist doch kein Barbar", lächelte der Arzt, "er wird den Planeten so hinterlassen, wie ihn die Menschheit vorfand. Abgesehen von unseren hässlichen Städten, Straßen, Fahrzeugen, - aber die Natur wird viel Zeit haben, hinter uns aufzuräumen".

4. Der Waffen- und Sicherheitsexperte Sanftruh, der für mich arbeitete, packte seine Koffer. "Morgen ziehen wir es durch", so ich, "wozu die Eile?" "Ich bin kein Rassist". "Ich auch nicht". "Hören Sie Ihren Söldnern in den Mittagspausen eigentlich zu?" "Ich höre dem Bodenpersonal nie zu. Das macht der Seelsorger". "Diese Schweine reden über die Menschen wie..." "Wie? Wie reden sie über die Leute?" Sanftruh beruhigte sich etwas, rauchte eine Zigarre. "Acht von neun Ihrer Geschäftspartner sind Despoten in Afrika und Südasien, wenn ich mich recht entsinne". "Acht. Keine neun. Der Weißrusse ist ausgestiegen, weil meine Leute scharf in die Menge geschossen haben. Ein Demonstrant wurde erschossen". "Die Neger sind zu den Negern wie wir Rassisten", lachte der Priester, der eintrat, um die Ankunft Kiborts zu verkünden. "Aber ich bin kein Rassist", war Sanftruh wichtig. "Massenmorde machen Ihnen nichts aus, aber bloß kein Rassist sein", lachte der Alte, "Sie sind bestimmt auch nicht schwulenfeindlich, vielleicht sind Sie ja schwul". "Du Schwein! Du Neger!" ging Sanftruh auf den hellhäutigen Priester los, womit sich das mit dem Rassismus geklärt haben dürfte.


 Ich ging Ciechelsky holen, aber auch der packte seine Koffer: "Kibort will gar nicht die ganze Menschheit vernichten. Er hat mich angelogen". "Sie können jetzt nicht aussteigen, Sie haben einen Vertrag". Er zitterte: "Ich will nicht der Böse sein, vergessen Sie es. Als ich mit dieser Sache angefangen habe, glaubte ich, dass es eine gute Sache werden würde". "Sie ist nicht anders als das, was Sie vorher getan haben". "Ich spreche von Vorher. Ich hätte all diese Dinge doch nie getan, wenn ich gewusst hätte, dass nicht die ganze Menschheit draufgehen soll! Ich wollte der Erde etwas Gutes tun! Ich wollte niemals Menschen töten, damit so ein adliger Teufel seinen Traum von einem Hofstaat realisiert!" "Sie sind nur etwas nervös. Sie sind Arzt, verschreiben sie sich etwas", sagte ich und wanderte in die Empfangshalle.


 Kibort, ein Mann von der Körpergröße Immanuel Kants, begrüßte das Team feierlich. Er sprach nicht viel, überließ mir das Reden. Auf dem Weg zum Podium war ich etwas aufgeregt, grüßte die Anwesenden flüchtig, musste ständig auf diese riesigen Bildschirme starren, von denen das kleine Mädchen, die Prinzessin Persephone auf uns herab lächelte. So ein schönes Kind. Was sind schon eine Million Leichen? Für dieses Mädchen würde jeder normal empfindende Mensch gleich mehrere Welten vernichten. Woher kommt bloß dieser dekadente Irrglaube, alle Menschen seien gleich viel Wert? Ich ging zum Geschäftlichen über: "Alle Nebenstraßen werden abgesperrt. Die Menge darf sich nur in den rot markierten Gebieten aufhalten. Um Mitternacht lasst die erste Gruppe die Nordpassage runter. Die Massenpanik wird die Menge an die Seiten treiben. Vom Süden kommen weitere Infizierte. Die Menge wird verwirrt sein, diese Verwirrung gilt es aufrechtzuerhalten, bis alle tot sind. Werft Gasgranaten von den Hubschraubern. Schmeißt Rauchbomben. Unter keinen Umständen das Feuer eröffnen. Viel Glück".

5. Unruhe wie seit der Inauguraldissertation nicht mehr. Eigentlich komisch, denn ich hatte den Job schon nach drei Monaten geschmissen. Ich war kein guter Dozent, ich konnte nie viel reden, und noch weniger Woche für Woche Aufsätze von Idioten oder Noch-Idioten durchlesen. Ich war 32, mein Leben bestand nur aus Büchern. Ich kannte die Geschichte jedes Völkermords und jedes großen Massakers, war aber nie bei einem dabei gewesen. Ich weiß noch, wie ich vom Luxussessel aufsprang, als ich einen Dokumentarfilm über den Sudan ansah, den ich schon zweimal gesehen hatte. Ich dachte nur: welch ineffiziente Logistik! Ein Jahr später organisierte ich ein großes Massaker in Birma. So fing alles an. In dieser Nacht konnte ich nicht schlafen, wanderte auf meinem Posten umher, bis mir berichtet wurde, dass schätzungsweise 1,8 Millionen Leute zum Volksfest in der Stadt erschienen waren und damit etwa 98% der Bevölkerung des Landes. Von Außen war das Land immer noch abgeriegelt, aber vor wenigen Stunden das Virus für besiegt erklärt. Keine Infizierten mehr, große Erleichterung, Feierlaune. Nur von der Welt abgeschnittene Bauerndörfer und einzelne feierunlustige Individuen waren noch zu beseitigen. "Ceachelle? Wo sollen wir graben?" fragte mich der Bestattungsleiter. Ich zeigte ihm einen für Massengräber geeigneten Ort auf der Karte.


 Um acht Uhr morgens schlief ich ein, wurde eine Stunde später geweckt. Ciechelsky sah nicht gut aus. Er wollte sich erschießen. "Beruhigen Sie sich", fing ich an. "Ficken Sie sich!!" "Holt Kibort", befahl ich. "Geben Sie mir die Waffe". "Ficken Sie sich!!!" "Sie trifft keine Schuld, wirklich nicht". Er sah mich mit leeren Augen an und richtete dann die Waffe auf mich. "Schießen Sie, los", provozierte ich ihn. Kibort dirigierte mich beiseite und ging auf ihn zu. Wie ein Heiliger nahm er ihm die Waffe aus der Hand: "Ich verspreche Ihnen, ich werde die ganze Menschheit vernichten". "Ich will es erleben! Nicht in fünfzig oder hundert Jahren..." "Natürlich nicht. Ich verspreche Ihnen, die Menschheit wird noch zu Ihren Lebzeiten aussterben. Wenn Ihre Stunde gekommen ist, wird es keine reproduktionsfähigen Menschen mehr geben". Ciechelsky sank wie ein Sack zu seinen Füßen und stammelte: "Und P-p-p..." "Persephone ist unfruchtbar", tröstete ihn Kibort, "das habe ich von Anfang an veranlasst". 


 Der alte Priester rief die Söldner zusammen. "Das Meisterwerk ist getan", lobte ich die Truppe, "nun beginnt die Drecksarbeit. Ihr werdet in vier Gruppen eingeteilt. Yuri, Jean-Jacques, Demba, Carlos, Luigi, Heinz, ihr kommt mit mir". "Sie haben ein großes Herz", segnete mich der Priester. Ich wählte aus der Truppe die Männer aus, die nicht auf Kinder schießen konnten. Das würde ich übernehmen. Ich verabschiedete mich von Ciechelsky und Sanftruh und wir fuhren. Fünfzehn Minuten Fahrt, schon die ersten Kunden. Drei Häuser am Waldrand. Wir waren leise. Die drei Familien wurden friedlich im Langschlaf erschossen. Weiter eine größere Siedlung, das Feuer wurde erwidert. Yuri schaltete die Scharfschützen aus, Carlos und Demba stürmten das Haus, aus dem das Feuer kam. "Nur Kinder hier". Ich ging rein und kam nach neun Schüssen wieder raus. Wir zogen von Haus zu Haus, bis einer fragte: "Wo sind eigentlich die Frauen?" Ich schickte Heinz auf die Suche, er war unser Spürhund. "Sonst alle tot?" Dem war so. "Einsammeln und dorthin stapeln. Ich rufe den Laster". Heinz lief auf uns zu, so schnell und erregt, dass Jean-Jacques instinktiv sein Maschinengewehr auf ihn richtete. "Die Frauen!" rief Heinz. "Die Frauen. Sie haben dort in der Dorfkirche einen Massensuizid begangen". "Du weißt dich auszudrücken", lobte ich den Söldner. "Ich kenne auch den Hintergrund", tat er schlau, "es war ein ritueller Massensuizid. Selbstopferung..." "Schwachsinn", wusste Demba, "du liest zu viel. Die dachten, wir wären die einheimische Miliz, die hier regelmäßig auf Ficktouren geht". Die Frauen wollten einer oft tödlichen Massenvergewaltigung zuvorkommen. Dabei hätten wir sie einfach nur getötet. "Was sind das bloß für Tiere", spie Yuri auf den Boden. "Da wo ich herkomme ist das normal", senkte Demba den Kopf, "mein Vater sagte immer, unser Volk ist schwarz, weil wir uns wie Tiere benehmen. Strafe Gottes". Wir fuhren weiter, während Demba erzählte wie "weniger schwarze Neger" die "schwarzen Neger" in seinem Land bis heute als Sklaven hielten.   

6. Eine Hütte im Wald, wir hielten an. Es fing an zu regnen. Zwei Alte und ein Junge. Ich schoss dem Jungen in den Kopf, Yuri jagte den alten Mann etwas ungeschickt durch die Hütte, bis er ihn traf, Heinz schoss der alten Frau zweimal in die Brust. Während ich ausschied, legten die Männer den toten Jungen auf den Küchentisch. Demba tat seinen Schädel auf und legte das Hirn in einen Topf. "Was wird das?" fragte ich. "Eine Wette. Carlos setzt zweihundert, dass Heinz sich nicht traut, das Teil zu essen". Luigi, der gleich nach mir ins stille Örtchen ging, kam wieder: "Seid ihr durchgeknallt? Ihr verfluchten Leichenschänder! Der Leib ist heilig!" "Seid wann - seid er tot ist?" lachte Carlos. "Was ist los, Luigi?" wunderte sich Yuri, "du bist doch ein Mörder". "Aber kein Leichenschänder!" "Gibt es hier noch mehr Schwanzlutscher, denen etwas heilig ist, um diese ganz normale Arbeit hier zu rechtfertigen?" wollte Jean-Jacques wissen. Luigi warf sich auf ihn, die Anderen setzten Bares. Der Franzose gewann. "Du sizilianische Inzucht", war seine Siegesrede. "Du Nihilist", schimpfte Luigi. "Existentialist", lächelte der Franzose breit. "Schaltet mal einen Gang runter, wir essen doch alle tote Tiere, oder?" mimte Heinz den verhasstesten Fernsehmoderator seines Heimatlandes, "und ich esse gleich dieses gekochte Hirn, wetten?" "Fünfzig auf Heinz", legte Yuri einen Schein auf den Tisch. "Hundert gegen Heinz", legte Jean-Jacques einen Schein drauf. "Dreihundert, dass er im letzten Moment kneift", so Demba. "Boss?" starrte er mich an. "Ich hab nur Spielgeld. Nur Landeswährung. Weiß nicht, wieviel das in Dollar ist. Alles auf Heinz".


 Am Nachmittag löschten wir zwei weitere Dörfer aus, ich blieb, bis die Laster kamen. Ich fühlte mich beim Einbruch der Dunkelheit noch nicht müde und half mit den Leichen. "Haben Sie das hier organisiert?" fragte mich der Fahrer. Ich nickte. "Ein böser Mensch", schüttelte er mit dem Kopf. "Haben Sie sachliche Kritik an der Organisation? Nein? Dann halten Sie Ihre Kiwifresse". "Woher weiß er, dass ich aus Auckland komme?" flüsterte er dem Nebenfahrer zu. "Ich habe alle 81 Leute selbst ausgesucht", löste ich das Mysterium auf. "Warum sind Sie..." "Was? Rassistisch, sexistisch, behindertenfeindlich? Ich bin Misanthrop, aber kein Sandkastenmisanthrop. Ich hasse jeden Menschen persönlich, nicht alle pauschal. Nicht der abstrakte Mensch an sich ist mir zuwider, sondern jeder Einzelne. Der Schwule als Schwuler, der Neger als Neger, der Russe weil er Russe ist, der Faschist weil er Faschist ist, der Kommunist weil er Kommunist ist, und das nur, wenn ich die Leute nicht näher kenne. Sie hasse ich, weil Sie ein selten dämlicher Hurensohn sind, und Ihren Freund, weil er den Blick einer Ratte hat und lispelt, dieses verdammte Schwein". Wir guckten uns an. Aus den Drohblicken wurde breites Lächeln, das sich im lauten Lachen auflöste. "Das war nur Spaß", lachte ich, und die beiden Fahrer lachten mit. "Ich hasse niemanden, ich tu nur meinen Job". "Das ist gut, wir tun nur unseren Job!" "Verdammt, ja, Mann, wir tun nur unseren Job!"
 Ich war zu müde, um Kibort und dem alten Priester zuzuhören, sie redeten über einen neuen Auftrag in Flandern. "Mitten im zivilisierten Europa - das ist toll, das hat es lange nicht mehr gegeben!" amüsierte sich der Alte beim Gedanken an unser nächstes Massaker.

7. Kontrollfahrt. Die Freaks, die gestern hier auf Putztour gefahren sind, haben ein ganzes Dorf glatt vergessen. Waren das etwa Verwandte von ihnen? Es war ein Wenig anders. Als wir ankamen, gab es lautes Geschrei, aber keine Toten. Ich teilte meine Gruppe entzwei und schlich mit den Männern im Kreise um das Dorf herum, um den Kreis des Todes immer enger zu schließen. In einem Haus sahen wir Yuri, der einen Söldner aus einer anderen Gruppe verprügelte: "Du mieser Kinderschänder!" Eine Frau redete auf Yuri ein: "Töten Sie uns nicht, bitte!". Yuri schlug den Mann zum Abschluss der Debatte mit einem Bügeleisen, ich wollte ihn noch aufhalten, aber sah etwas, und ging wieder auf die Straße. Währenddessen beschwichtigte die Frau den aufgebrachten Söldner: "Lassen Sie sich von meinem Kind glücklich machen, aber tun Sie uns nichts". Als ich wieder ins Haus kam, machte Yuri seinen Hosenstall zu. Die Frau strahlte vor Glück: am Leben! Das Kind weinte in der Ecke. Der von Yuri halbtot geschlagene Söldner verblutete. Ich sah die Frau an, wie man gewöhnlich bei einem Schiffbruch einen Erwachsenen ansieht, der gerade ein Kind aus dem Rettungsboot ins Wasser warf, um sich selbst zu retten. Ich erschoss sie und das Kind. Wir warteten auf Yuri, aber hörten nur einen gedämpften Schuss. "Warum haben Sie nicht eingegriffen, Boss?" fragte mich Demba. "Ich dachte, ich hätte draußen ein weißes Mädchen gesehen..."


 Kibort ging mit schnellen Schritten durch den langen Saal hin und zurück, unterrichtete seine Leute und mich über das weitere Vorgehen. Alle Siedlungen sollten dem Erdboden gleich gemacht werden, viele Quadratkilometer Wald an deren Stelle gepflanzt. Die Hälfte der geraubten Güter sollte an die Armen gehen, die Mehrheit stimmte für Indonesien. "Kalimantan. In drei Stunden fliegen Sie. Überreichen Sie diesen Koffer", sagte Kibort und zeigte gab mir ein Foto. "Nur wenn diese Frau das Geld bekommt, wird es nicht veruntreut. Tun Sie noch diese letzte Sache. Wenn die Leichen gezählt sind, überweise ich Ihnen 7,50 pro Leiche". "Ich dachte, wir hätten uns auf 7,75 pro Leiche geeinigt". "Ich weiß nicht, wozu ein Mann wie Sie überhaupt Geld braucht. Ich gebe Ihnen 8 Euro pro Leiche, aber spenden Sie die Hälfte den Armen, Sie werden sie noch brauchen".
 Die Frau von der Hilfsorganisation kam aus China. Sie lächelte immer, war stets gut gelaunt, und für ihre 68 Jahre sehr robust. Obwohl ich müde war, brachte sie mich dazu, beim Verteilen der Reissäcke und der Spielsachen mit anzupacken. Physisch erschöpft und mit einem fast zynisch guten Gefühl flog ich nach Amsterdam. Ich zählte im Kopf mein Geld: etwas weniger als zwei Millionen Tote, 8 Euro pro Leiche, das wären dann... ich schlief ein und wurde in Amsterdam von einer netten zierlichen Stewardess geweckt: "Ich habe das Logo auf ihrem Hemd gesehen. Sie helfen armen Kindern? Die Welt hat Glück, dass es Menschen wie Sie noch gibt".


8. Eine Wüste aus versteinerter Zeit. Ich - ein Vertriebener. Wer vertrieb mich? Ich selbst, denn die Anderen sind immer unschuldig, und es ist böse, zu denken, die Anderen wären schuldig, sie mit Schuld zu beladen, sieh doch, wie schlecht es ihnen geht. Ich sehe sie und leide mit ihnen, noch mehr als sie an sich selbst. Gelächter. Vergewaltigungsopfer feiern ihre Orgasmen der Vergebung vor Gericht, endlich im Mittelpunkt, endlich alle Kameras auf sie gerichtet, und sie küssen ihre Vergewaltiger auf die Stirn und werden Engel genannt, und sie wissen, dass sie niemals so leiden werden wie ich mit ihnen mitleide. Gut und Böse vertragen sich, Engel und Teufel gehen miteinander ins Bett. Mir bleibt die Schuld. Ich bestrafe mich und werde dafür bestraft. Ich verlasse ihre Städte und trage ihre Schuld davon. Sie rufen mir höhnisch hinterher, nennen mich Hitler, es dürstet mich, doch kein Wasser für Hitler, meine Krankheiten sind ihr Heil, meine Schmerzen sind ihre Gerechtigkeit. Ich gehe aus ihren Städten hinaus in die Steinwüste, habe ihnen nichts getan und werde ihnen nichts tun. Ich werde kein vom Engel geküsster Vergewaltiger sein, ich werde keine Vergebung brauchen, gebt mir die Schuld. Die Sonne scheint nicht für Hitler, aber mir ist ihr Licht zuwider, und diese Lügnerin, diese Hure, sie kennt meinen Namen, aber nennt ihn nicht, sie nennt mich, wie mich alle nennen. Ich strahle vor Reinheit und bin in meinem Element. "Cliff, wach auf!" "Was?" "Ist das dieses Mädchen?" "Ja, das ist es. Das ist ein hochwertiges Foto. Darf ich es behalten?" "Selbstverständlich". Mein holländischer Freund und Fotograf hat es nun gefunden, dieses achtjährige Mädchen, das ich vor vier Monaten hier auf dem Flughafen gesehen hatte und unbedingt wiedersehen wollte. Wir entführten es. "Bist du dir sicher, dass du es tun willst? Denk noch mal darüber nach, das ist ein verdammtes Armageddon, was du da anrichtest!" erhörte ich den Hörer. "Ciechelsky, Sie schulden mir noch was. Wir ziehen es durch".

Der Arzt kam und kümmerte sich um das Kind, wir tranken Tee. "Ein Alptraum, als Erwachsener in so ein Mädchen verknallt zu sein", klagte mein holländischer Freund, "aber mit Alpträumen kennst du dich ja aus". "Ich will nicht über meine Vergangenheit reden. Mit dieser Tat ziehe gerade den Schlussstrich". Er sah mich etwas enttäuscht an: "Ich dachte, dir ist es auch passiert. Wenn du so ein Kind liebst, das anderen gehört, als wär´s ein Ding, und sie können damit tun, was ihnen gefällt..." Ich übersah diskret seine Tränen. "Liebe ist mir nicht fremd, aber es hat sich überliebt. Sieh mal, all die Dinge, die wir tun, diese Morde, diese Massaker - was passiert? Nichts. Weil wir die Mächtigen auf unserer Seite haben". "Gott sieht zu und es gefällt ihm", wurde er zynisch. "Gott ist keine Nanny, wir müssen Verantwortung übernehmen. Sobald sich einer dazu bereit erklärt, wird ihm die Verantwortung für alles Übel in der Welt übertragen. Das habe ich erlebt. Ich bin an allem Bösen schuld, weil es mich nicht kalt lässt. Nun bin kalt. Ich sehe die Welt klarer. Ich will, dass die Verantwortlichen die Verantwortung tragen, so einfach, aber nicht einfacher als so". Ciechelsky setzte sich dazu: "Fertig. Das Mädchen schläft. Sie sind ein Teufel, Cliff". "Ist der Teufel für Sie schlimmer als Hitler?" wurde ich idiosynkratisch. Als ich in die Spätpubertät kam, um die Welt auf meinen Schultern zu tragen, da war er schon ein angesehener Arzt. "Was habt ihr Beide dem Mädchen angetan!?" wurde der Fotograf ungeduldig. "Das Taxi", so der Arzt. "Gib ihm 500 und lass ihn das Kind nach Hause fahren". "Dein durchgeknallter Freund hat mich dem Mädchen einen Chip implantieren lassen. Den Chip wird niemals einer finden..." "Wozu willst du ein Kind überwachen?" "Nicht ich. Eine Atombombe". "Was?" Ciechelsky lachte: "Sollte dem Mädchen etwas Inakzeptables passieren, wird in einer Millionenstadt eine Atombombe hochgehen". "Es ist nicht gut, wenn ein Kind vergewaltigt wird und alle friedlich weiter schlafen. Das ist meine Botschaft: wenn eine Ungeheuerlichkeit passiert, dann passiert nicht nichts, sondern eine Ungeheuerlichkeit, um zu zeigen, welche Ungeheuerlichkeit gerade passiert ist". Schmunzeln musste ich bei dem Satz schon.

9. "Es ist dir aber klar, dass das mit der Atombombe nur unter uns bleibt, wenn du alles Menschenmögliche tust, um mir zu helfen, die Welt zu vernichten", ermahnte mich Ciechelsky als wir zum Flughafen fuhren, "man könnte dir sonst Fragen stellen von der Art, wo du sie her hast, und ob du nicht noch mehr..." "Zwei". "Was!?" "Ich habe noch zwei Atombomben". "Mexiko City, bitte..." "Nein". "Ich werde Sie verraten, wenn Sie mir nicht helfen". "Das ist mir klar. Aber auch Ihnen sollte klar sein, dass meine Wohltat von Vorhin nur eine Hommage an meine Spätpubertät war, in der ich unter meinem Mitleid sehr gelitten habe. Ich bin verdammt alt, gehe auf die 40 zu, habe mich seit 15 Jahren kein eiziges Mal verknallt. Mein Leben ist mir so egal wie Ihres, aber solange ich lebe, genieße ich es". "Nur eine Bombe, bitte", flehte er mich an. "Gut. Aber Sie sind mir wieder was schuldig. Und seien Sie vorsichtig".

 Das Bewusstsein, dass mein Leben vielleicht in Gefahr sein könnte, gab mir zu denken. Warum haben mich die Söldner noch nicht umgelegt? Ich bin mit ihnen nie respektvoll umgegangen. Warum hat mich kein Despot umbringen lassen? Weil niemand böse sein wollte? Weil keiner sich für irgendetwas verantwortlich fühlen will? Die Söldner, sie mit ihren Prinzipien, nicht auf Kinder schießen. Die Regenten, die ihre Völkermorde nicht selbst organisieren wollen. Die Welt ist voller Feiglinge.

 Mein neuer Auftraggeber begrüßte mich in einer Eckkneipe in Antwerpen. "Wir haben hier ein Antisemitenproblem. Juden fühlen sich nicht mehr sicher". "Warum lässt Ihre Regierung denn Antisemiten einwandern?" "Um die politische Lage zu destabilisieren, wahrscheinlich im Auftrag einer gewissen Notenbank. Und um die Mittelschicht gegen die Fremden aufzuhetzen, damit sie auf die Reichen nicht losgeht". "Und jetzt fürchtet sie um ihre Steuern?" "So ist es. Juden arbeiten. Antisemiten hängen dem Sozialstaat am Hals". Ich sah mich nach Flamen um, die meinen Gesprächspartner gehört haben könnten, aber kein Nachbartisch beschwerte sich über die fremdenfeindlichen Worte. "Sie sollen eine Massenpanik organisieren, bei der Rechtsradikale und Antisemiten, möglichst viele, einander tottrampeln". Ich lachte. "Was denn?" "Warum nennen sie diese Menschen andauernd Antisemiten?" "Vom M-Wort wird mir schlecht", wurde er charmant. "Ich bin ein unpolitischer Mensch", sagte ich, "ich weiß nicht, womit wir einen gewaltigen Aufmarsch von Rechtsradikalen provozieren könnten, aber das ist es, was wir brauchen: ein laut angekündigter Aufmarsch. Auf dem Weg zur Gegendemonstration werden die aufständischen Anständigen und ihre Antisemiten nach rassischen Merkmalen gefiltert, damit keiner dieser dummen Gutmenschen draufgeht. Ein Selbstmordattentat wäre gut, er würde die Panik auslösen. Geben Sie mir einen Stadtplan. Hier.. oder hier. Die Straßen sollten schmal sein, und es darf vom Ort des Zusammentreffens keinen schnellen Fluchtweg geben". Eine Schweigepause. Ich stand auf und verabschiedete mich. Er blieb sitzen, schaute zu mir auf: "Ich bewundere Sie". "Protestantische Arbeitsethik. Sollten Sie vielleicht auch Ihren Antisemiten beibringen". 

10. Huysegems, ein Völkermordbeauftragter einer nigerianischen Befreiungsarmee, erwartete mich in Nouakchott. Auf dem Weg dachte ich über die jungen Flamen nach, die ich als Kollateralschaden verfrühstückte. "Zu viele Unbeteiligte sind getötet worden. Ich gewähre Ihnen einen Rabatt", rief ich den Mann aus Antwerpen an. "Zu viele? 121 sind doch nicht zu viele! Sie sind ein Genie!" Ich blieb dabei: "25% Rabatt. Und es tut mir wirklich Leid. Sie waren zu jung, sie konnten noch nichts für ihre politischen Überzeugungen".

 In Mauretanien angekommen, sah ich Negersklaven. "Wem gehören die?" fragte ich Huysegems. "Einem schwarzen Imam aus London". Ich schwieg. "Sie schweigen? Es wundert Sie nicht?" "Ich erinnere mich an einen Fussballspieler, der in seiner Heimat, Nigeria oder Ghana, Sklaven hielt. In den Vereinigten Staaten leben mehr Sexsklaven, als ich Frauen hatte". Huysegems lachte: "Sie hatten doch keine halbe Million Frauen?" "Ich wollte nur den Harten markieren. Ich bin ein sentimentaler Mensch", sagte ich, als wir in seinem Haus ankamen und ich an der Wand ein großes Porträt des guten alten Mengele sah. "Er ist mein großes Vorbild", war Huysegems stolz.

 Mir gefiel die Stadt. Ich war noch nie zuvor in Nordwestafrika. Es war schön. Nein, ich hatte nur einen schönen Tag. Ortswechsel - Gedächtnisverlust. Als wäre ich wieder zwölf. Aber zurück zu Mengele - Huysegems zeigte mir am nächsten Tag seine Folterkeller, es waren sieben an der Zahl. "In diesem Luxuskeller hier wachsen Mädchen auf, die nichts anderes kennen als Sex. Sie ernähren sich nur von menschlichen Körpersäften. Wenn Sie gesund sind, sind Sie mit zwei Riesen dabei. Los, füttern Sie sie!" Ich verneinte dankend, wollte die restlichen Keller sehen. "Hier ergründe ich den Schmerz. Ich versuche, wissenschaflich zu ermitteln, welche Foltermethode den intensivsten erlebten Schmerz beim höchsten Bewusstsein erzeugt. Es ist der Geist, der Schmerz empfindet, verstehen Sie? Die Person muss sich fürchten, muss leiden, darf den Schmer nicht blockieren, darf nicht denken, dass sie irgendwann erlöst sein wird. Ich beschäftige 180 Wissenschaftler aus 70 Ländern - Ärzte, Physiker, Chemiker, Psychologen, sogar einen Sprachwissenschaftler", erzählte Huysegems. Im nächsten Keller züchtete er Kampfroboter, gab ihnen nur gefangene Menschen zu essen, die diese selbstredend selbst töten mussten. Ein Drogenkeller, ein Keller für religiöse Folter - unter Androhung von Gewalt gegenüber der Familie des Gefangenen wurde dieser aufgefordert, seinen Glaubenssätzen zu widersagen. Nur streng Gläubige wurden zu diesem Zweck entführt. "Zwei Korane, vier Bibeln. Aufgehoben wie in einem Museum. Das sind die heiligen Bücher der Versuchspersonen, die alles über sich ergehen ließen, aber ihren Gott nicht verfluchen wollten. In meinem Garten steht ein Ehrenmal für sie".

 Während ich schlief, wurden eine Etage tiefer Menschen gefoltert und gegessen, Kinder als Sexsklaven gehalten, aber das ging mich alles nichts an. Am frühen Morgen machte mich Huysegems mit meiner Aufgabe vertraut: ich sollte an die 1000 Leute fangen und mit Lastwagen nach Nouakchott bringen lassen, um Gaskammern für die Befreiungsarmee zu testen. "Gehen Sie da rein, na los", forderte Huysegems mich auf. Ich ging in die Gaskammer, er schloss sie von Außen und ließ Wasserdampf hinein, welches aus der fein gelochten Decke in die Kammer sank. Huysegems öffnete die Tür: "Haben Sie jüdische Vorfahren?" "Wieso fragen Sie?" "Es wäre sonst etwas geschmacklos, Sie darum zu bitten". Ich schwieg. Ich hatte die Massenvernichtung in den Gaskammern vor Jahren ausführlich studiert und fühlte mich in jene Zeit zurückversetzt. "Machen Sie den Job?" Ich wusste keine Antwort. "Fangen Sie mir 1000 Neger oder nicht?" Mein Gesicht fühlte sich nass an, aber es war nur Wasser von der Decke. Ein junger Araber sah mich an und erdolchte Huysegems von Hinten mit den Worten: "Stirb, du Hitler!" Ich sah mich um - ein alter Mann in russischer Uniform schaute den Jungen wohlwollend an und entließ ihn aus dem Haus. "Wir sind Geschäftsleute, keine Monster", klopfte er mir auf die Schulter. "Monsieur Huysegems ist gefeuert, wir tun es auf Ihre Art, effizient und menschenwürdig". Ich trocknete mein Gesicht mit einem frisch gebügelten Kleinmädchennachthemd ab - die eine oder andere Glücksträne war durchaus da.

11. Ich hatte nie Sex: ich brauche alle Unschuld die ich kriegen kann, um all die Schuld auf mich laden zu können. Ich habe mich aber mit Schuld nicht geradezu überfressen. "Tötet die Kinder mit aller Zärtlichkeit, die beim Töten möglich ist. Mit den Monstern macht was ihr wollt", verfügte ich über Huysegems´ Nachlass. Der alte Russe begleitete mich zum Flughafen. Auf den Weg dorthin erklärte ich meinen Plan mit den Neutronenbomben und dem religiösen Fest. Die Kunden waren zufrieden. Einer hatte noch eine Bitte: "Kommen Sie mit nach New York". Ich hatte nichts Besseres zu tun.

 Eine alte Dame empfing mich in einer Lagerhalle in Long Island. "Geht es um diese Waffen hier? Was ist meine Aufgabe?". Die Dame erwiderte sogleich: "Vergessen Sie die Waffen. Es geht um die grausamste Sache der Welt". Die Liebe? Ich hatte nie damit zu tun, zumindest nicht als Objekt. "Was wird aus den Waffen?" "Ein Krieg im Tschad", war sie direkt. "Im Tschad ist kein Krieg", bemerkte ich. "Noch nicht". Sie brachte mich zu ihrem Sohn nach Manhattan, der mir sofort zu wissen gab: "Meine Mutter kann über diese Dinge nicht reden, sie fängt immer gleich an zu weinen". "Ein Blick auf Ground Zero", stellte ich fest. "Seit 9/11 faszinieren mich Wolkenkratzer. Davor nie was dafür übrig gehabt, nun wohne ich ungefähr in der Höhe, in der die Flugzeuge einschlugen". Ich schwieg anstatt mich zu wundern - ich kannte richtige Fetischisten, mit solchen Vorlieben konnte er mich nicht beeindrucken. "Es geht um diese Frau", zeigte er mir ein Foto. "Sie ist ein bezauberndes Wesen. Nie wurde ihr nur ein Haar gekrümmt, und dennoch machte sie das Härteste mit, was man sich vorstellen kann. In einem Alter von 7 bis 14 war sie als das sogenannte zärtlichste Kätzchen der Welt in gewissen Kriesen bekannt, befriedigte Kunden mit einer durch andressierte Höllenangst unnachahmlichen Hingabe, wofür ihre Mutter sechsstellige Summen kassierte. Dann schloss sie die Schule mit der Bestnote ab, ebenso das Jurastudium. Eine gute Anwältin. Sie verführt Väter, ihre Töchter zu missbrauchen". "Rache an der Welt. Bekanntes Motiv. Und Ihre Mutter?" "Ich glaube, sie ist in diese Mieze verknallt. Nein, für sie geht es nicht um Rache. Es ist Eifersucht". "Sieht wie ein Engel aus", schaute ich nochmals auf das Foto. "Dieser Engel hat meine Mutter zusehen lassen". "Wobei?" "Blowjob. Der Mann war dick. Meine Mutter ekelt sich vor Dicken. Das hat ihr das Herz gebrochen". "Und was erwartet sie von mir? Eine ausgeklügelte Foltermethode?" "In der Tat", lachte er.

 Kurz vor dem Eintreffen der jungen Frau ließ er die Bombe platzen: "Sie ist in Sie verknallt". Er zeigte mir ein Foto, auf dem ich gerade ein Massaker organisierte. "Das Foto hat sie nicht mehr losgelassen. Sie wollte wissen, wer das ist". Sie kam herein. Eine zerbrechliche Kreatur, zierlich, hauchdünn, zart. Da sie schneeweiß war, war sofort zu sehen, wie sie rot wurde, als sie mich sah. "Cliff Ceachelle", stellte ich mich vor. "Celine", nannte sie ihren Nachnamen nicht. Ein Anruf. "Der Doktor", murmelte Kibort. "Tot? Ermordet?" "Zum Glück nicht", gähnte er, "aber er hat eine Bombe gezündet, in Lagos, wie es aussieht. Ich brauche Namen, wir haben uns auf Islamisten geeinigt". "Doku Babaev, Ahmed Rahman, Dieter Hirn. Ich habe sie für die Anschläge von Frankfurt und Sankt Petersburg beliefert". "Lagos", lachte Kibort, "der Doktor und sein Elend, die Welt vom Elend erlösen zu wollen". "Millionen Ärmster müssen nicht mehr leiden. Denkt er". "Und wenn sie gern leiden? In den ärmsten Ländern leben angeblich die glücklichsten Menschen. Gute Nacht, mein Freund".

12. "Wovor hast du Angst?" fragte mich Celine auf dem Dach eines Wolkenkratzers. "Es gibt unangenehme und ekelhafte Dinge, aber Angst..." "Ich habe Angst, nicht jung genug zu sterben". "Wieso?" "Sieh mich an. Darum". Ihre Schönheit. Sie war zu ihr verdammt. Sie war der Sinn ihres Lebens. "Du könntest springen, zum Beispiel jetzt", wurde ich so richtig romantisch. "Ich bin 26. Zehn Jahre sind noch drin", erwiderte sie ruhig und sachlich. Im Aufzug nach Unten fragte sie: "Was hast du morgen vor?" "Nichts Weltbewegendes, ein kleines Massaker in New Hampshire. Es soll nach einem jugendlichen Amokläufer aussehen". "Ist das nicht streng geheim?" "So geheim wie das zärtlichste Kätzchen der Welt". Ich bemerkte erst nach einer langen Schweigepause, dass sie leise weinte. "Wer hat es dir erzählt?" "Ich bin wie ein Priester, man beichtet mir alles. Ich bin der schwule Freund der Hure Menschheit".

 Alles lief wieder mal nach Plan. Der 16-jährige Jeffrey Linus erschoss zwölf Lehrer, zehn Schüler und sich selbst, so der mediale Hauptstrom. 23 Tote, also waren es die Illuminaten, bloggten viele. Der Mörder saß in einer Imbissbude mit einem Blick auf den Mt.Washington und trank Kaffee. Es klingelte. Da seine Herrlichkeit zugleich meine Wenigkeit war, ging ich ans Telefon. "Haben Sie sie schon fallen lassen? Halten Sie die Schlampe hin, machen Sie Versprechungen, ficken Sie sie! Lassen Sie sie Ihren Arsch, Ihre Füße, Ihre Schuhe lecken, sie soll das Klo nach Ihnen mit ihrer Zunge putzen! Sie ist verrückt nach Ihnen, zerstören Sie sie, Sie mieser Wichser!" schrie der Sohn der alten Dame in den Hörer. "Ich bin etwas müde, werde in einem lokalen Hotel übernachten. Morgen sehen wir weiter", vertröstete ich ihn.

 Am nächsten Tag fuhr ich nach New York, es war eine angenehme Fahrt. Ich war rattenscharf wie seit Jahren nicht, aber das lag nicht an Celine. Es war die Landschaft, die Luft, es waren die Erinnerungen. In Manhattan begrüßte mich der Butler meines Gastgebers. "Sind Sie schwul?" fragte er direkt. "Nein, aber mich interessiert der Grund dieser Vermutung". "Ich weiß nicht, wie man es sagt, ich bin kein Sprachgenie. Aber Sie wirken irgendwie steril, verstehen Sie? Sie sehen gut aus, männlich, und gefährlich auch, etwas düster, aber die Frauen fliegen nicht auf sie. Zeigt man Sie auf Video, sind Sie ein Traumtyp. Begegnet man Ihnen, will man Sie nicht ficken. Auch als Mann nicht". "Steril trifft es, denke ich". "Sie lassen sich viel entgehen". "Die einen ficken, die anderen töten. Wer ruhiger schläft, hat das Bessere gewählt". "Und wie schlafen Sie?" "Wie ein Kind".

 Celine kam hinein, der Butler ging. "15 Millionen Tote in einer Sekunde, das hat es noch nie gegeben", kommentierte sie die Atombombenexplosion von Lagos. "Komisch dass kein Sender mehr davon berichtet. Alle reden von diesem Jungen aus New Hampshire", lobte ich mich selbst. "Du bist ein herzloser Zyniker und ein Sadist. Bist du Single?" "Sicher". "Seit wann?" "Seit immer". "Heimlich in jemanden verliebt?" "Nur platonisch". "In wen?" "Du sagtest heimlich". "Sag es, oder ich erschieße mich", nahm sie meine alte Beretta. "Ich rufe den Butler und in zehn Minuten ist die Leiche weg. Die Pfütze auch. Ich habe im Leben mehr Blut gesehen als du Spe.. entschuldige...". Sie schwieg, sah mich sonach kindlich mit ihren großen Augen an: "Warum hast du dich entschuldigt?" "Ich mag dich". Gelogen war das nicht.

13. Ich war mit Celine auf dem Weg nach Kopenhagen, als Kibort anrief: "Den Haag. Du bist als Kriegsverbrecher aufgelistet. Pass auf dich auf". Ein Kopfgeldjäger entführte Ciechesky während wir flogen. Eine Weltschmerz-Selbstshow vor dem Tribunal war zu erwarten. In Kopenhagen angekommen, kam ein zweiter Anruf: "Wir machen es wie mit Milosevic. Hast du eine Nachricht für ihn?" "Versprich ihm, dass du die ganze Menschheit ausrottest, bevor er vergiftet wird". Es regnete. Celine zitterte, ich nahm einem großen Dänen seine Lederjacke ab und wickelte diesen dünnen zierlichen Körper ein. Leichen, Körper, das sah ich stets vor mir - lebende Körper sind und werden sein potentielle Leichen. Sie nahm meine Hand. Die langen dünnen Finger. Der Berührung nach war sie nicht älter als 15. Es regnete in respektablen Strömen. Als schütteten Millionen Tote das Wasser aus Eimern vom Himmel.

 In meiner geheimen Wohnung in Kopenhagen machten wir es uns bequem. Sie saß vorm Kamin, ich trank Whisky. "Was war das Fürchterlichste, was du je getan hast?" fragte sie mich. "Ich denke, das kommt erst noch". "Ich habe einem neunjährigen Mädchen gedroht, ihre Eltern umzubringen, falls sie nicht Folgendes tut: ein Kleinkind verstecken, seinen Vater auffordern, sie zu vernaschen, oder das Kind verhungert keiner weiß wo". "Hat sie es getan?" "Ja. Der Mann sitzt wegen Vergewaltigung ein - wer würde schon glauben, ein kleines Mädchen hätte ihn erpresst... Bist du für Todesstrafe für Vergewaltiger?" "Ist mir egal. Die einzig interessante Frage ist, wie viele Frauen dann die Vergewaltigung vortäuschen würden - mehr oder weniger als gegenwärtig". "Viel mehr", lächelte Celine. Ich kontrollierte die Fenster und die Eingangstür. "Was würdest du jetzt am Liebsten tun?" fragte sie. "Lesben holen und dich auspeitschen lassen", scherzte ich mit ernster Stimme. "Wann hörst du mit dem Töten auf?" "Sofort, wenn ich eine sinnvollere Tätigkeit finde, etwas, das im Angesicht des Todes nicht umsonst ist". "Töte mich", sah sie mich kindlich an. "Gern, aber nicht hier". "Warum nicht?" "Ich habe keinen Butler, um die Leiche zu beseitigen". "Leichen verschwinden zu lassen, ist ein Kinderspiel für dich... Ich bin nicht irgendjemand, du kennst mich persönlich. Bin ich diesen Aufwand nicht Wert?" Ich schwieg. Sie ging ins Schlafzimmer und schlief ein. Ich blieb im Saal auf dem Sofa sitzen. Warum verwest sie nicht nach all dem Dreck, das in sie hineingepumpt wurde? Sie blüht stattdessen. Sie sieht unschuldig und rein aus. Ihre dünnen Beine sind die schönsten der Welt, ihr langes blondes Haar entzückt bis zur Verzweiflung, ihre langen kirschroten Krallen sind so perfekt wie die der Frau der ich in einem Traum vor vielen Jahren in die Brust schoß und sie vom Hochhaus in ein Schlammloch stieß, wobei ich nicht ich war, sondern ein Profikiller aus der Neuauflage von La Piovra; die kindliche Nase der süßen Celine, ihr kleiner Mund, ihre sinnlichen Lippen, ihre niedlichen Zähnchen, als hätte Kibort selbst sie entworfen. Ich dachte wieder an den Traum: der dicke Ravanusa kam zur Tür, als ich, der Killer, den entstellten Terrasini betrachtete: sein linker Fuss war abgehackt und unten am Bein war ein Haken verschraubt; aus seinem Bauch quollen die Innereien hervor. Mein Todesschuss war nur noch Euthanasie.

14. Um fünf Uhr Nachmittags musste ich in Göteborg sein, ich verspätete mich nur um fünfzehn Minuten. "In diesen Ländern", war eine kurzhaarige schwedische Frau während ihrer Präsentation sehr aufgeregt, "würden die meisten Eltern niemals ein missgebildetes Kind abtreiben oder gar töten lassen. Hier könnten wir dem medizinisch-industriellen Komplex mit den radioaktiven Nahrungszusätzen zu elfstelligen Summen verhelfen. Doktor Li?" "Danke. Jetzt stelle ich Ihnen unser neues Präparat vor, das als geheimer Nahrungszusatz eine 60%-ige Wahrscheinlichkeit von Missbildungen bei Neugeborenen garantiert". Im Foyer machte sich ein junger Arzt aus Berlin über den Chinesen lustig: "Wie kann man eine Wahrscheinlichkeit garantieren?" "Anders Helveg", stellte ich mich vor, "ich arbeite für die dänische Regierung".

 Es war eine geruhsame Nacht. Ich dachte zwar an Ciechelsky, insbesondere daran, wie sehr er das heute gehörte Vorhaben verabscheuen würde, aber nicht jeder Mensch ist ein Gandhi, und auch Gandhi war nur ein Mensch. Früh am Morgen reiste ich ab. Im Sportkeller meiner Geheimwohnung in Kopenhagen erwartete mich ein wunderschönes nacktes kleines dänisches Mädchen, welches leider gefesselt und totgefoltert zwischen Decke und Boden hing. Celine schlief auf dem Sofa wie eine Katze, die unerlaubterweise einen Goldfisch gefressen hatte. Ich rief Kibort an, sagte ihm, er solle Persephone im Glauben aufwachsen lassen, die Welt außerhalb ihres Palastes und der dazugehörigen Ländereien gäbe es nicht, aber das hatte er längst vor. "Was ist los, Junge?" fragte er, und ich fing an zu weinen. "Als ich Student war, sagte mir ein Professor: Das Leben ist keine Mathematik", erzählte Kibort, "daraufhin schwor ich ihm, das Leben in Mathematik zu verwandeln. Ordnung und Perfektion - dafür lebe ich. Bleib bei mir und wir werden aus dieser Welt ein Reich der Vernunft machen".

 Im Fernseher wurde ein gewisser Anders Helveg gezeigt, der offenbar vom Interpol gesucht wurde. Kopenhagen war nicht mehr sicher. Ich packte meine Sachen und wollte zur Tür, sah aber die schlafende Celine und dachte, dass die Polizisten eine so schöne Frau bestimmt vergewaltigen würden, bevor sie sie festnehmen. Ich weckte Celine und hinterließ eine Bombe in der Wohnung. "Wo fahren wir hin?" "Nach München". Ich fragte sie nicht, sie sagte nichts. Wir schwiegen zwei Stunden. "Siehst du diesen Eber? Wiegt bestimmt alle 200. Das Ekelhafteste, was mir ästhetisch je widerfahren ist". Sie schwieg, ich auch. Nach einer halben Stunde flüsterte ich, ich hätte mich in sie verliebt. Es war mir gelungen, dies nicht gespielt aussehen zu lassen. Ich schloss die Augen und lehnte mich zurück. Sie stand auf, streifte mit ihrer Hand absichtlich die Meinige, ging ins nächste Abteil. Ich hielt sie auf und sah sie ängstlich-verliebt an. "Lass mich los, oder ich werde Vergewaltigung rufen". "Was hast du vor?" "Ich werde diesen Eber da ausführlich küssen", lächelte sie kindlich. Ich ließ sie los: "Das war ein Scherz". "Was?" drehte sie sich um. "Dass ich verliebt in dich bin. Du widerst mich an. Ich habe einen Auftrag bekommen, dich zu vernichten. Der Tod, dachte meine Auftraggeberin, wäre zu gut für dich. Ich soll dich quälen, weil du endlich wieder fühlst. Zwölf Jahre lang hast du perfekt funktioniert und keine Gefühle zugelassen, aber nun ist es passiert". Sie setzte sich wieder auf ihren Platz zurück und war wie versteinert. "Ich könnte dich niemals töten", sprach ich gnadenlos weiter, "ich töte arme, erbärmliche, kranke Menschen, aber keinen Abschaum wie dich".

 München. Ich hatte die Schlüssel zu Ciechelskys Geheimwohnung. Ein überdimensionales Kruzifix hing im Saal. Celine zitterte, sprach kein Wort. Ich sah einen Hundekorb - hier lebte früher Ciechelskys Schäferhund. Ein Spielknochen war da, auch ein Fressnapf. "Willst du mein Hund sein?" fragte ich Celine. "Ja", sprach sie leise. Ich warf eine lange Kerze vom Tisch in die Ecke: "Hol das Stöckchen!" Celine kniete sich hin. Ich wiederholte den Befehl. Als sie kurz vorm Losrennen war, hielt ich sie auf und ohrfeigte sie. Und dann wieder, und abermals. Sie weinte und schrie und ich wiederholte mit ruhiger und sanfter Stimme: "Du bist ein Mensch". Ich ließ ihr ein Bad einlaufen und kochte Ciechelskys unnachahmlichen Tee für sie. Als sie schlief, bekam ich Hunger, fand aber keine Teller im Küchenschrank. Ich nahm den Fressnapf und schüttete Maisflocken da rein, welche ich gierig aß, während im Fernsehen vom Beginn eines Krieges zwischen Tschad und Sudan berichtet wurde.

15. In der Nacht rief ich Kriegsverbrecher an, die mir noch Geld schuldeten. Ich erließ ihnen die Schulden für einige Informationen. "Wir fahren in die Schweiz", weckte ich Celine. "Hast du noch alte Fotos von dir?" fragte ich sie während der Fahrt. "Meine Mutter hat nur Kinderpornos von mir aufgehoben. Ich sollte sie verkaufen, falls ich Geld brauchte". Zürich. In einem Fotostudio ließ ich aus einem perversen Filmchen ein anständiges Mädchenfoto extrahieren. Als wir uns zur Tür umdrehten, musste ich den freundlichen Schweizer erschießen, denn er wollte die Polizei anrufen. Ich kann auf Befindlichkeiten kleiner Leute in meinem Beruf keine Rücksicht nehmen, erst recht nicht in meiner Freizeit.

 Bern. Ein unscheinbares Haus am Stadtrand. Ein sehr höflicher großer Spanier machte auf. "Kennen Sie dieses Mädchen?" zeigte ich ihm das Foto. Er bat uns hinein. "Von welchem Geheimdienst sind Sie? Wer ist diese Frau?" "Keine Angst, wir sind nur Privatpersonen". Eine hübsche Frau kam in den Saal, sonach drei Kinder im Alter von 10 bis 15. "Wieviel haben Sie bezahlt?" fragte ich den Mann. "Insgesamt etwas mehr als eine Million Franken". "In diesem Koffer sind zwei Millionen Franken. Nehmen Sie das Geld". Er starrte mich an, sah flüchtig Celine an, schaute verängstigt auf das Foto: "Was wollen Sie?" "Wir geben Ihnen Ihr Geld zurück und Sie machen rückgängig, was Sie getan haben". Er wollte zur Tür, ich schoss ihm in die Beine. Celine nahm die Beretta, ich fesselte die ganze Familie an Stühle und schob den Kinderporno in den DVD-Player. Auf einem großen Flachbildschirm war einiges zu sehen. "Ich bin das nicht, das sehen Sie doch", flehte der Mann. "Der Film ist nur repräsentativ. Aber was soll ich nun mit Ihnen machen? Nehmen wir an, sie ist meine Schwester". Der Junge rief: "Töte ihn und lass uns frei!" Die Frau erwies sich wahrhaft als sozialer Kitt: "Töten Sie bitte die Mädchen nicht. Machen Sie mit ihnen was Sie wollen, aber bitte töten Sie sie nicht". Dies brachte mich nicht aus der Fassung, denn ich war charakterlich Widerlicheres gewohnt. "Schauen Sie Ihre Töchter doch an - ist das Ihr ernst? Ja, sie sind hübsch, aber die Kleine in Film ist so richtig wunderschön, wie es das nur einmal gibt. Was machen wir jetzt?"

 Für lange Folterungen hatte ich keine Zeit: es gab noch vier Familien allein in der Schweiz. Nach demselben Muster - erst in größtmögliche Furcht versetzen, dann barmherzig erschießen - löschte ich diese aus. Celine stand an meine Seite, eine stille Maus, sagte nichts, schloss nur manchmal die Augen und griff mich fester am Arm. Der erste Kunde, der vor 19 Jahren die Ehre hatte, erwartete mich den Kokaindealer vor dem Holocaust-Mahnmal in Berlin. "Bringen wir unsere Familien mit, damit wir einander vertrauen können", schlug ich am Telefon vor, "es geht schließlich um viel Koks und Kohle". Er kam mit seiner Frau und seinen vier Söhnen, ich mit Celine. "Gehen wir zu Ihnen oder in ein Café", wollte ich ihn vom Ort der Erinnerung weglocken, aber er begriff schnell und fragte: "Müssen denn die Kinder für die Verbrechen ihrer Eltern haften?" "Wenn es nach reinem Sollen ginge, natürlich nicht, aber die Welt ist kein Kindergeburtstag", wurde ich moralphilosophisch. Sie rannten in alle Richtungen, ich traf sie alle. Ich lehnte mich an eine Stele und bedauerte den Ort des Geschehens, als ich sah, wie zwei Jugendliche hinten die Stelen anpissten. Jemand sprühte ein Hakenkreuz. Die Polizei war an diesem Ort seit Langem unterbesetzt. Anstand, Kultur, Zivilisation sind wie ein Balztanz, der nur einen Sinn macht, wenn alle zusehen. Ich ging mit Celine durch dieses bedrückende Labyrinth und erschoss die Jugendlichen. Unbehelligt gingen wir zum Reichstag, welcher brannte. Ein Amoklauf mit Brandbomben oder aber ein Auftragsterrorist von meiner Sorte.

 Ich kaufte im ersten Autohaus das wir sahen den besten Geländewagen den es gab. Celine fuhr, ich erholte mich hinten. Sie hielt in Wolfsburg an, weckte mich. Im Hotel setzte sie sich auf mein Bett: "Zieh dich nicht aus, ich schlafe bei dir". Ich vertrieb sie nicht. "Mach das Licht aus", flüsterte sie. Sie hatte offenbar Angst, den Weg vom Lichtschalter zum Bett in der Finsternis zu beschreiten.

16. Am Morgen rief Kibort an: "Die Welt ist in Aufruhr, wir brauchen Leute wie dich nicht mehr. Deine Aufgabe wird nun von den aufgebrachten Völkern vollautomatisch erledigt. Du bist arbeitslos, Junge. Such dir einen Job". Kam das plötzlich? Durchaus. Gelegen? Ich weiß nicht. Eine Pause würde mir gut tun, aber noch mehr eine Professur an einer australischen Universität, die sich seit Jahren um mich bemühte. Ich flog mit Celine nach Sydney und war am übernächsten Tag Professor. Ein überaus harter Job, den ich zuerst unterschätzt hatte. Ich kaufte mir ein Penthouse in der City, Celine wohnte bei mir und ging nie aus dem Haus. Etwas beschäftigte sie, sie hatte Angst, sich den Australiern zu zeigen. Als ich eine Woche später beim Fernsehen einschlief, erschien sie mir im Fernseher, aber das war bestimmt geträumt. Sie ließ sich wie eine Sechsjährige behandeln, ich verwöhnte sie wie ein kleines Kind. Es war logisch, dass sie sich psychisch in die Zeit vor ihrem 7-ten Geburtstag zurückversetzen wollte, der wohl kein Kindergeburtstag war.

 Ich hielt den Gasthörer zunächst für meinen Söldner Demba, aber er war älter. "Ich bin Luc", stellte er sich mir vor, "kommen Sie mit". Ich schritt ruhig zu meinem Sterbeplatz, war unbewaffnet und auf den Auftragskiller nicht vorbereitet. Er führte mich tief in den Wald, zog seine Waffe mit Schalldämpfer und richtete sie auf meinen Kopf. "Wer hat Sie bezahlt und wieviel?" war mein letzter Wunsch informativer Natur. "Der Sohn einer Frau, die Sie betrogen haben". "Ich werde Celine nichts tun, die Frau bekommt ihr Geld zurück". "Wer ist Celine?" "Das wissen Sie doch". Luc drückte die Knarre an meine Stirn: "Die australische Schauspielerin, die Sie für Kiborts Gegenspieler seit geraumer Zeit ausspioniert, ist nicht das Mädchen, für das Sie sie halten. Das legendäre Mädchen wurde mit 14 Jahren an einen Endkunden verkauft, der sie 28 Tage bestialisch zu Tode quälte..." Woher wissen Sie das?" "Ich war es", gab er mir seine Waffe, "und ich habe nur eine Bitte: töten Sie mich!" "Warum ich?" "Weil Sie rein sind. Das wäre meine Absolution". Er ging auf die Knie. "Wenn das wahr ist, kann ich Ihnen nicht vergeben. Das ist ein zu großes Verbrechen, als dass ich es vergeben könnte". "Bitte, töten Sie mich", wiederholte er bis ich ihm in den Kopf schoss.

 Ich hielt meine Vorlesung, ging nach Hause, duschte, legte mich in einen tiefergelegten Sessel. "Wer bist du?" fragte ich Celine. Sie zitterte. "Du bist nicht das Mädchen in den Filmen". Sie senkte den Kopf: "Bist du enttäuscht?" "Für wen arbeitest du?" "Ich arbeite nicht. Ich habe noch nie gearbeitet". "Was machst du dann hier? Was willst du?" zog ich Lucs Knarre. Sie lächelte sanft und setzte sich auf meinen Schoss: "Du bist der skrupelloseste Killer den es gibt, und darum der beste Beschützer für mich". "Hast du nicht gesehen, weshalb ich all diese Leute getötet habe?" "Du hast nie an der Geschichte gezweifelt, weil es dir gefiel, den Rächer zu spielen". "Das ist nicht wahr. Bist du psychisch irgendwie nicht normal?" "Ich bin unberührt und wurde mein Leben lang verwöhnt. All die Zeit hatte ich nur einen Traum: den Menschen zu finden, der das pure Böse ist, ein Sadist, der aus Lust tötet, der so schuldig ist, dass er unschuldig ist". "Ich bin nicht das perfekte Böse, das du dir erträumt hast". "Meine Mutter, die Waffenhändlerin, die du bestimmt kennst, hat die besten Psychologen nach dir suchen lassen. Es gab keinen Zweifel, dass du der Tyrann der neuen Welt sein musst". "Ich bin ein kleiner Killer, ein Eventmanager, weiter nichts". "Du bist jung, deine Zeit kommt noch". "Kiborts Zeit kommt, nicht meine". "Dieser Vatermord wird dein letzter Schritt zur Weltherrschaft sein", legte sie sich zu mir, auf mich, in den Sessel. "Lass uns etwas trinken", vergiftete ich sie. Eine Leiche verschwinden zu lassen, war ein Kinderspiel für mich.

 Am Freitagabend saß ich allein in meinem Penthouse und fühlte mich so einsam wie nie - oder eben wie immer. Die Worte des Butlers drehten sich in meinem Kopf wie der Mond um die Erde. Bin ich das pure Böse? Nein, das bin ich nicht. Ein guter Mensch? Ich? Nein, dieser Zug ist längst abgefahren, womöglich als ich mich mit 16 Jahren im letzten Moment dagegen entschied, von einer Brücke in den Tod zu springen. Was bin ich? Steril - was heißt das? Vielleicht bin ich dein Super Mario und du hast gerade den Joystick in der Hand und meine Welt ist dein Spiel. Ich lachte so laut, dass mir die Ohren schmerzten, trank etwas Wasser und setzte mich an den Schreibtisch, um die Vorlesung für den kommenden Montag vorzubereiten.  



2011

Sonntag, 28. Juni 2020

Das Unmädchen





Winwrath rannte ungeduldig von Busch zu Busch: wird der Pilot diesen Ort erkennen können? Winwrath hatte Glück. Das Transportflugzeug landete, sein Geschäftspartner Rays steieg aus und begrüßte ihn. "Die Weltmächte haben beschlossen, diese Region aushungern zu lassen", sprach Winwrath. "Ja, was wir tun, ist illegal", wusste Rays, "und wenn sie uns als Geisel nehmen, kommt uns keiner zurückkaufen". Winwrath sah den Arbeitern beim Entladen der Säcke und Kisten mit Lebensmitteln und Medikamenten zu: "Ich kenne die Sprache dieser Leute, bin hier als Naturforscher seit 20 Jahren unterwegs. Manchmal kommt es mir so vor, als wäre ich einer von ihnen". 

Am Horizont bewegte sich etwas - das waren zum Glück nicht die Rebellen, sondern die Bewohner des größten Dorfes in der Gegend. "Da sind sie ja", freute sich Winwrath, während Rays schaute: "Ich muss bald abfliegen". "Ist denn alles auf dem Boden?" ging Winwrath zum Erdloch, in dem er das Gold vergraben hatte. "Nein, noch nicht alles", bemerkte Rays und gab einen Wink. Ein blondes weißes Mädchen stieg aus. Das Mädchen war wie für einen Ball geschminkt, in einem eleganten aber dezenten Kleid, vom Alter 11 oder 12. "Wer ist das? Was tut sie hier?" Rays lachte: "Sie wollte unbedingt zu dir, alter Feund. Klär mich du doch auf: ist sie deiner Tochter? Deine Nichte? Sag schon". Winwrath kannte das Mädchen nicht, das nun auf ihn zukam, während etwa 200 Dorfbewohner einen respektvollen Abstand zu den Weißen hielten. "Diese Menschen wollen essen", bemerkte der Pilot. "Ich sehe viele Verletzte, sie müssen versorgt werden", eilte Winwrath zum Flugzeug, "nimm also das Gold - und das Mädchen fliegt mit dir zurück".


Winwrath lief zu den Dorfbewohnern, erklärte ihnen etwas in ihrer Landessprache, - es brach Jubel aus, denn sie hatten bereits mit ihrem Tod gerechnet. Als er sich zum Flugzueug umdrehte, blieb er erstarrt stehen: der Wind sorgte für Verwehungen am Kleid des Mädchens, das überhaupt nicht ans Zurückfliegen dachte. Winwrath lief zum Mädchen, das ihn mit großen Augen ansah, und ihre kleinen vollen Lippen flüsterten: "Ich will das Gold". Rays ließ die Arbeiter einen kleinen Teil des Goldes im Flugzeug verstecken. "Sollte unser Handel storniert werden - das sind die Flugkosten", erklärte er Winwrath. "Warum soll jetzt etwas schief gehen?" wunderte sich Winwrath, "du bist 6000 Meilen bis hierher geflogen, hast den Ort gefunden, die Hilfsgüter abgeladen, und ich habe dir das Gold gegeben. Nimm das Mädchen und verschwinde". Das Mädchen lutschte derweil ein Schokoladeneis am Stiel. "Du bist ein zuverlässiger Partner, Winwrath", verabschiedete sich Rays und stieg mit dem restlichen Gold ein. Winwrath stellte sich vor das Flugzeug und rief: "Das Mädchen! Nimm das Mädchen mit!" 


Der Start der Maschine wurde abgegrochen, Rays stieg wieder aus. "Du kannst das Mädchen doch nicht bei diesen Negern lassen!" schrie Winwrath in harsch an, worauf dieser erwiderte: "Ich kann nichts machen, das Mädchen weiß alles über unseren Deal. Wenn ich sie gegen ihren Willen mitnehme, wird sie singen". Vieles ging Winwrath durch den Kopf: wer war dieses Mädchen? Woher kam es? Woher wusste es von ihm? Was ging hier eigentlich vor? "Ich mag Gold", lächelte die kleine Blondine und leckte sich die Lippen. "Das Gold ist für die Hilfsgüter, Kind", erklärte Winwarth, "sieh diese Menschen, sie hungern, viele sind verletzt, sie sind Opfer in einem Bürgerkrieg, ich muss ihnen helfen". "Ich will ihnen auch helfen", streifte sie seinen Arm mit dem Handrücken und ging auf die Dorfbewohner zu. Winwrath lief ihr hinterher und hielt sie auf. "Sie brauchen auch menschliche Zuwendung, Zärtlichkeit", lächelte das Mädchen, "ich habe kein Gold, aber ich kann gut küssen". Winwrath packte das Mädchen am Arm und zog sein MG: "Du steigst jetzt ins Flugzeug!" "Sonst was? Sonst tötest du mich?" kicherte die Kleine und streichelte das MG mit ihren verwöhnten Händen. "Winwrath, wir müssen fliegen!" rief Rays, während das Mädchen flüsterte: "Ich will noch ein Schokoladeneis, aber habe keins mehr. Vielleicht haben die Jungs dort etwas zum Lutschen", blickte sie die Dorfbewohner an und leckte abermals ihre Lippen. 


"Alles wieder ins Flugzeug laden!" rief Winwrath. "Auch das Gold?" fragte Rays. "Ja, auch das Gold". "Du gehst aber mit mir einkaufen. Meine zarten Fingerchen mussten lange auf dieser schwarzen Tastatur tippen, bis ich die beste Luxusboutique der Welt gefunden habe", nahm das Mädchen Winwrath an der Hand. "Bitte", flüsterte er, "wir müssen diesen Menschen helfen". Das Mädchen zog ihn an seiner Krawatte zu sich runter und küsste ihn erst hauchzart, dann etwas ausführlicher. "Knallt die Neger ab!" rief Winwrath. Als ihm eine Träne kam, zog das Mädchen wieder an seiner Krawatte und küsste die Träne weg. "Wir fliegen!" rief Rays seine Männer zusammen, als das Erschießungskommando fertig war. Winwrath flog mit dem Mädchen auf seinem Schoss über das verwüstete geliebte Land, viele seiner Freunde lagen in der frisch zugeschütteten Grube. Zwei Jahrzehnte ging er mit Männern und Jungen aus diesem Dorf fischen, jagen, Affen und Großkatzen beobachten. Ein Arbeiter zog sich um, bis er schicker als Winwrath und Rays aussah: "Ich bin Agent Painsworth", stellte er sich Winwrath vor und nannte den Geheimdienst. 


7.2011

Mittwoch, 17. Juni 2020

Das Familienfest





Sie sah aus wie eine Nonne und war eine reiche wohltätige Frau. Sie setzte sich gegen die Todesstrafe ein, besonders in den USA, nicht so sehr in Iran, China oder Afrika. Sie bezahlte viel Geld für Anwälte, die einen zum Tode verurteilten Vergewaltiger und Frauenmörder aus der Todeszelle herausholten, und schließlich durfte er sogar das Gefängnis verlassen und zu seiner Wohltäterin nach Boston ziehen. Er hatte nie verstanden, warum er weltweit eine große weibliche Fangemeinde hatte, obwohl (oder vielleicht weil) seine Vergewaltigungen und Morde so grausam waren; hatte er in der Todeszelle noch bis zu fünfzig Briefe von verschiedenen Verehrerinnen am Tag bekommen, gehörte er nun dieser einen Frau. Als sie einen kleinen Urlaub von der Wohltätigkeit nahm und endlich Zeit für ihn hatte, ließ sie ihn an einen Sessel fesseln, bestellte zwei sehr hübsche Huren, und forderte ihn auf, im Detail davon zu erzählen, was er anderen Frauen angetan hatte. Sie ergötzte sich sichtlich daran und masturbierte vor ihm, während die Huren ihn für besonders detaillierte Beschreibungen oral belohnten und bei vehementen Weigerungen, weiter zu erzählen, ihm Stromschläge verpassten. Drei Monate bei seiner Retterin übertrafen seine jahrelange Qual in der Todeszelle um ein Vielfaches, doch schließlich konnte der Verbrecher fliehen, und suchte Unterschlupf bei einer Familie aus Baden-Württemberg, die die Sommerferien der Kinder in einem Landhaus im Bundesstaat Maine verbrachte.

Anika war mit 21 die älteste Tochter und war nur mitgekommen, weil die beste Freundin ihrer Schwester Julia (16) mit Anikas Schwester Julia mitgekommen war. Julias jüngere Schwestern Sophie (14) und Josefine (12) teilten sich ein Zimmer auf dem Dachboden, auf dem sie gemeinsam heimlich Pornos guckten, während die beiden älteren Schwestern keusche Prinzessinnen wie aus dem Märchenbuch waren. Es gab noch zwei jüngere Kinder, aber diese sah man nie draußen spielen. Als Anika 7 war, hatte sich ein 21-jähriger Soldat in sie verliebt; er gestand ihr seine Liebe, als sie 14 war, und tötete in den dazwischenliegenden 7 Jahren 20 Menschen. In den nächsten 7 Jahren tötete er nochmal 42 Menschen, womit er eine Person mehr umgebracht hatte, als der erschöpfte und offenbar sehr hilfsbedürftige Gast, der an die Tür klopfte, als Anika im Garten den Heiratsantrag ihres Helden in ihrer märchenhaft süßen Art endlich annahm. Die Eltern, beide knapp 50, sie Journalistin, er Manager, kümmerten sich fürsorglich um den Flüchtling, und gaben ihm schließlich ein möbiliertes Zimmer auf dem Dachboden für die weiteren Tage. "Wir wissen doch gar nicht, wer der Mann ist", fürchtete sich Josefine. Der Vater beruhigte sie mit den Worten: "Wenn er ein Perverser ist, töte ich ihn und wir vergraben die Leiche hinterm Haus".

Vier friedliche Tage vergingen in der langweiligen Idylle. Orgasmen hatten nur Josefine und Sophie, die es sich heimlich gegenseitig besorgten. Besorgt war nur Anika, weil Julias beste Freundin, die sehr zierliche und schüchterne Celine (12), womöglich mehr als Julias beste Freundin sein könnte. "Ich liebe Celine", stellte Anika ihre Schwester zur Rede, "und du sollst nur aufpassen, dass unsere perversen Schwestern sie nicht anrühren". "Ich habe nur ihr Haar gestreichelt, das war schon der Gipfel der Lust", wurde Julia zynisch. "Du hast ihr Haar ein wenig zu lustvoll gestreichelt", gab sich Anika nicht zufrieden, "finde einen Grund, warum Celine ab jetzt bei mir schlafen wird, oder ich erzähle du weißt wem von deinem heimlichen Verehrer". Und so bekam Anika ihre Maus, die sie die ganze Nacht zärtlich im Arm hielt und bewunderte, wie der Soldat sie all die Jahre bewundert hatte. Dieser hatte Anika auch vorgeschlagen, noch sechs Jahre zu warten und dann Celine zu heiraten, doch Anika fand das nicht so romantisch. Er wechselte das Thema, und traute sich endlich zu sagen, was er wusste: Anikas Eltern bestellten nämlich seit einigen Jahren junge Prostituierte, die Anika sehr ähnlich sahen, und fickten die Huren in den perversesten Varianten zuzweit durch. Wenn das alles gewesen wäre, hätte der Soldat geschwiegen, aber Anikas Eltern wollten ihre älteste Tochter vor deren Hochzeitsnacht gemeinsam vergewaltigen. Sophie, die kleine Spionin, hatte heimlich gelauscht, und sich mit ihrer Mutter einen Logenplatz bei der bevorstehenden Entjungferung des weißen Engels ausgehandelt.

Am sechsten Tag wollte der Verbrecher ficken. Er ließ sich einen Weg in die nächste Kleinstadt mit Puff zeigen, doch da kamen schon Gäste zum 50-sten Geburtsjubiläum der Familienglucke an, und es waren so viele attraktive Frauen dabei, dass er es sich anders überlegte, und blieb, wobei er den Männern mithalf, im Garten die Pavillons aufzubauen. Er hatte es auf die Cousine des Chefs, eine kurzhaarige burschikose 35-jährige Synchronsprecherin abgesehen. Als alle zur Abendzeit an den Tischen saßen, machte der Vater der Geburtstagskindin eine mitreißende Ansprache, wonach Gratulationen und Geschenke folgten. Es waren auch jede Menge Kinder mitgekommen, und als zwei Jungen in Josefines Alter Celine einen Streich mit einer toten Ratte spielen wollten, forderte Anika den Soldaten auf, seinen persönlichen Bodycount auf 64 zu erhöhen. Dieser verabscheute zwar, was die Bengel mit Celine vor hatten, wollte aber nicht noch weitere Kinder töten, denn er hatte schon 12 irakische Kinder als Kollateralschaden auf dem Gewissen. Er brachte die Jungs stattdessen in den großen Keller, was sich hinterher als ein noch größerer Fehler erwies, denn das Kind Nr. 5 wurde seit Tagen nicht gefüttert und zerfleischte einen der Jungen, nachdem der Erwachsene den Keller wieder verließ und das Licht ausschaltete. Der zweite Bengel konnte vor der Bestie noch fliehen, doch im kleinen Keller lag das Kind Nr. 6 in einem Gitterbett und weinte, weil Säuglinge nunmal weinen, wenn sie zu lange allein gelassen werden. Das Baby war so schreiend hässlich, dass der Junge schrie, und fast wieder zurück zum zurückgebliebenen und verwahrlosten Zehnjährigen rannte, der gerade seinen Zwillingsbruder aß. Da nur im kleinen Keller Licht brannte, schlich der Junge zurück, und deckte das Monsterbaby mit einer schweren Decke zu.

Jeder stellte sich jedem vor, jeder prahlte im Garten von seinen beruflichen und privaten Erfolgen, und nur der Flüchtige und der Soldat schwiegen. Als der Letztere auf eine Nachfrage lapidar zugab, dass er bald Anika heiraten wollte, erntete er neidische Blicke und sarkastische Bemerkungen. "Wer 14 Jahre wartet, hat es am Ende auch verdient", erkannte der älteste Mann unter den Gästen die Enthaltsamkeitsleistung des künftigen Bräutigams an. Dieser lächelte verlegen, denn er war nie scharf auf Anika, er liebte sie nur, und man konnte davon ausgehen, dass die Dinge bei Anikas Eltern und Verwandten genau andersrum waren. Die Kinder hatten sich schon seit dem Anbruch der Dunkelheit ins Haus verzogen, und ein 13-jähriges keineswegs hässliches aber dennoch unattraktives Mädchen entdeckte die Pornoschwestern bei einem BDSM-Film, in dem eine dominante Frau eine zierliche junge Frau quälte. Die Göre wollte es den Erwachsenen erzählen, es sei denn Sophie und Josefine würden sie die ganze Nacht verwöhnen. "Das ist Kindesmissbrauch" bemerkte Sophie trocken und nahm ihre kleine Schwester zärtlich in den Arm. Die Eindringlingin revidierte ihre Forderungen: "Gut, dann möchte ich, dass ihr mich eine Stunde küsst, und dann will ich eure Brüste berühren". Josefine beschloss zu weinen, um Sophie zu weiterer Kühnheit zu ermutigen. Sophie sagte daraufhin: "Geh und erzähl es allen, wir werden bestimmt wie die Frau im Film von unserer Mutter ausgepeitscht und hot wax tortured, aber eine wie dich küssen wir niemals". Da begann die Göre zu heulen und flehte: "Darf ich einfach nur mit euch mitgucken, bitte!" Die Mädchen hatten nichts dagegen, aber ließen sie nicht unmittelbar in ihrer Nähe sitzen, woraufhin sie richtig losheute, denn sie wollte zwischen ihnen sitzen, Schulter an Schuler, händchenhaltend und die Haare der Mädchen riechend. Also stürmte sie aus dem Zimmer und schrie: "Die gucken Pornos! Josefine und Sophie gucken Pornos!"

Da die Erwachsenen mit dem Geburtstagsfest beschäftigt und außerdem schon ziemlich angetrunken waren, schaute stattdessen Anika nach ihren kleinen Schwestern. Sie empfahl, die Pornos - DVDs, Zeitschriften, alles - in einen Plastiksack zu packen und dem unbekannten Fremden zu geben, der den Sack für sie heimlich ins Lagerfeuer tun sollte. Dieser half gern den Kindern einer so hilfsbereiten Familie. Auf dem Weg in den Garten bemerkte er nur, dass sich ein 13-jähriges nicht sonderlich hübsches Mädchen gerade in der Küche aufhängte, was allerdings somebody else´s problem war. Der Gatte der Gefeierten erinnerte sich, dass er die Bestie schon lange nicht gefüttert hatte, und ging in den Keller. Sein einziger Sohn versuchte sich von der langen Hundekette zu befreien, neben ihm lag der zerfleischte Körper eines Jungen. Der Mann hörte ein leises Heulen und ging in den anderen Keller, wo der andere Junge zusammengekauert saß. Unter der schweren Decke atmete das missgebildete kleine Mädchen schon lange nicht mehr. Der Mann dachte kurz nach: sein Sohn hatte den Sohn eines der Gäste getötet, und dessen Zwillingsbruder tötete wiederum sein Kind Nr. 6. Sollte das Geschehene kein Geheimnis bleiben, müsste der geistig behinderte Sohn getötet und das Baby verbrannt werden, um den überlebenden Jungen beschuldigen zu können, er hätte zwei gesunde Kinder und seinen Zwillingsbruder ermordet. Es war logistisch kaum möglich, das Vorhaben selbst umzusetzen, also wandte sich der Vater in seiner Verzweiflung an den in den Genuss seiner Barmherzigkeit gekommenen Gast. "Jetzt habe ich Ihnen gesagt, was ich vorhabe, und wir wissen beide, dass ich Sie töten muss, wenn Sie mir nicht helfen", sprach er, doch der Verbrecher lachte nur höflich und offenbarte dem Gastgeber seine wahe Identität. Dieser Meister im Verschwindenlassen von Leichen erwies sich als große Hilfe, wobei die einzige Leiche, die er verschwinden ließ, die Leiche des überlebenden Jungen sein musste, denn der Verbrecher hatte den Familienvater überzeugt, dass man dem Jungen wahrscheinlich doch glauben würde, und so erstickten sie gemeinsam den Jungen und ließen seine Leiche verschwinden.

Am nächsten Morgen sammelten die Gäste ihre Kinder ein, bedankten sich für das wunderbare Fest, und fuhren heim. Als die Familie der Zwillinge nach ihren Kindern suchte, brachte das Gastgeberehepaar die besorgten Eltern wortlos in den Keller: allem Anschein nach hatte einer der Zwillingsbrüder seinen eigenen Bruder und zwei kleine Kinder getötet und ihre Leichen mit Benzin übergossen, wobei er sie nicht völlig verbrennen konnte, da er befürchtete, zu viel Rauch zu machen, oder gar einen Brand auszulösen. Die vier vom Unglück schwer getroffenen Elternteile ließen die Polizei nach dem flüchtigen Jungen suchen. Die alte Studienfreundin der Gastgeberin wohnte in einer Kleinstadt in der Nähe, und schlief bis zum Mittag ihren Rausch aus, wonach sie in die Küche ging, um zu frühstücken. Sie wühlte lange im Kühlschrank, setzte einen Tee auf, schaute verwundert auf die viele Polizisten im Garten, die gleich durch die Kellertür ins Haus gingen, und stieß sich schließlich beim Glotzen aus dem Fenster mit dem Kopf an einem weichen Gegenstand. Sie sah hoch und musste feststellen, dass dieser Gegenstand der Fuß ihrer Tochter war, die, wie die Polizisten ihr später mitteilten, wahrscheinlich schon seit dem späten Abend in der Kücke hing. Wie konnte das sein, fragte die verzweifeltze Mutter sich und andere, in der Küche gingen doch all die vielen Gäste die halbe Nacht ein und aus! Ein Polizist vermutete, dass die fröhliche Gesellschaft die hängende Leiche für eine Dekoattrappe, eine Puppe oder ähnliches gehalten haben könnte. Die vier Töchter verschlossen sich mit dem Soldaten und Celine in Anikas Zimmer. "Wenn die Polizei rausfindet, dass wir es wussten..." weinte Sophie. "Dass wir was wussten?" fragten Anika und Josefine; "dass ihr was wusstet?" fragten Celine und der Soldat. Eines Tages hatte Sophie ihrer Mutter nachts hinterherspioniert und die Sache mit dem versteckten geistig behinderten Bruder herausgefunden; eines Tages hatte sich Julia, unsichtbar wie nachts eine Maus, ins Elternzimmer geschlichen, weil sie richtig vermutete, dass die laut gespielte klassische Musik im Elternzimmer Babyschreie übertönen sollte. Nun flossen literweise Tränen, und Sophie forderte den Soldaten schließlich auf: "Fick uns alle durch und töte uns!" Doch der Mann guckte sie nur kurz halb verachtungsvoll halb verdutzt an und flüsterte Anika etwas ins Ohr, wonach diese Sophie zärtlich in den Arm nahm und ihr etwas sehr Schönes versprach.

9.2014