Sonntag, 28. Mai 2017

Beim Demiurgen





hätt gern eine welt. aber nicht zu teuer.

da hätte ich eine im angebot. steady state, also ewiges universum, 900 lebensplaneten unabhängig vonei...

zu teuer. was günstigeres vielleicht?

die hier. nur ein planet mit leben. urknall. aber fast ewig. kältetod erst in 10²²² jahren.

bin wirklich knapp bei kasse. 

heißt?

heißt am arsch. nur die paar astro hab ich noch.


kauf dir ein billignirvana und leg den rest der münzen bei einer bank an. wach in einer quadrillion jahren auf und komm wieder.

aber ich will eine welt. egal welche.

so notgeil?


es ginge auch eine, in der ich mir die pornos die ich in meiner traumwelt gucken würde selber im kopf ausdenken müsste.

so eine welt kack ich dir umsonst. überleg dir das mit den nirvanas. sind zur zeit welche im angebot...


 12.2010

Donnerstag, 25. Mai 2017

Kürzstgeschichtchen 4





Miniane


Nach der achten Stunde wird die Schulbibliothek geschlossen, denkt Miniane, also nichts wie rein da, bevor Gundula aus dem Klassenzimmer rennt, und die Kleinheitsprinzessin der Milky Way Minis umpustet, o ja, Gundula braucht nur zu pusten, schon fliegt Miniane gegen die Wand und bricht sich alle Knochen. Die Bibliothekarin Karin schließt rechtzeitig, Miniane ist drin. Doch Gundula weiß, wo sie sich versteckt: Milly hat den Schreck aller Elektronenmikroskope verpfiffen. Dafür darf Milly Miniane ängstigen und wieder sagen, nein, das war doch nur Spaß, ängstigen und wieder sagen, nein, das war doch nur Spaß, ängstigen und wieder sagen, nein, das war doch nur Spaß. Gundula ist für solche Späße nicht zu haben, sie ist eine ehrliche und grobe Haut: sie will Miniane mit der Faust schlagen, einmal, gar nicht sehr heftig, nur dass die Kolibrireiterin endlich den ersten blauen Fleck ihres Lebens bekommt, das verwöhnte Biest von einer Bänkerstochter. Die Tür ist massiv, Gundula hat nur zwei Fäuste. Sie scheitert am Holz und ruft Gudrun, und diese ist durchaus für Späße zu haben: sie schlägt die Tür mit Fausthieben tatsächlich ein, macht ein Loch, schließt dadurchs von Innen auf, aber da ist eine zweite, noch massivere Tür. Die Lehrer sind längst zu ihrer Fete abgezischt, und zischend zickt Milly, verweigert diesmal ihre schlanke Hand Gundulas obligatorischer Zerdrückungsbegrüßung, - und ebendies verbrach Miniane, die von der Gravitation von Glasperlen zum freien Fall gebracht wird, wenn sie nicht gerade in einem Nanopartikel der furchtbaren Schwerkraft der Murmeln davonrast: gestern war Gundulas Geburtstag, und Miniane gab ihr nicht die Hand, da sie die Gratulationsbereitschaft mit 41 Knochenbrüchen hätte bezahlen müssen. Gundula hätte zwar nicht so fest zugedrückt, wie immer bei Milly, aber Miniane wäre vor Schmerzen gestorben, bevor sie verblutet wäre. Wessen Blut wird fließen? Gudrun holt eine Axt und feilt sanft an einer Eingangsmöglichkeit in die geschlossene Schulbibliothek. Doch ein schicker Sportwagen wird hastig vor der Eingangstür der Schule geparkt, und die dürre Physiklehrerin strömt mit Lichtgeschwindigkeit in den Vorraum der Bücherei. Sie zieht zwei Samuraischwerter und macht aus Gudrun und Gundula zwei Salatschüsselinhalte für antivegane Mitbürger. Milly schreit, doch die junge flinke Frau fängt und fesselt sie nach japanischem Rezept. Sie öffnet die Tür, doch diese ist so eingeschlagen, dass sie hinfällt, und sie erschlägt. Milly ruft: Miniane, komm bloß nicht her, doch zu spät: die Königin der Häschen, die aus Angst zur Säule erstarrt, wenn sie bloß ein Wort hört, das nicht gleichbedeutend ist mit sanft, sieht die Schweinerei, und bekommt einen solchen Schock, dass sich die Zeit zurückdreht. Nach der achten Stunde wird die Schulbibliothek geschlossen, denkt Miniane, also nichts wie rein da, bevor Gundula aus dem Klassenzimmer rennt...




Femme Banale


Nur weil ich die Schönste bin. Die Übelste bin ich, nicht die Überste. Ich habe lange Haare bis zum Arsch, pralle Titten, bin 1,70 groß und wiege 48 Kilo. Nein, nicht magersüchtig, tut mir leid. Gestern sind zwei Deppen mit den Köpfen zusammengestoßen, als sie um mich in der Bar saßen, und jeder der beiden dachte, ich würde jeweils in seine Richtung zu einem Kuss ansetzen. Vorgestern gab es eine Schlägerei, weil der eine meinte, der andere hätte sich vorgedrängelt, mir die Tür aufzumachen. Das ist ja noch amüsant, aber wie dämlich muss ein Mann sein, der mich - ohne Scheiß - als eine moralische Instanz ansieht? Ganz im Ernst: wo ich hingehe, überall richten sich die Männer danach, was mir gefällt. Vorhin saß ich im Café, trug wie immer einen Pelzmantel, und um mich herum nur Tierschützer. Keiner sagte was, aber die Komplimente fielen wie Scheiße aus dem Arsch. Ich weiß, man erwartet solche Ausdrücke nicht von mir. Man erwartet auch gar nicht, dass ich scheiße. Neulich sagte mir so ein Irrer, dass er nur noch an mich denken würde, den ganzen Tag, und als das Länderspiel in Fernsehen lief, schaltete er die Glotze demonstrativ aus, und guckte 90 Minuten ins Leere, stellte sich dabei mein Gesicht vor, und wo ich jetzt bin, und was ich jetzt mache. Ich war aufm Scheißhaus. Als das 1:1 fiel, da rutschte ich beim Arschabwischen aus, und fiel auf den Arm. Heute hat mich ein Trottel genau da am Arm berührt, ich zuckte, und er sang ein Loblied, was für ein zartes Pflänzchen ich wär, und so zerbrechlich. Ich düng dich mal, du Pflänzchen, fall du doch mal so hin, und lass dich angraben. Aber das mit dem Pelz, nun ja, ich ficke mich tot: keiner sagte was zu meinem Pelzmantel, sie redeten darüber, dass man Tiere nicht essen sollte, alles verfickte Vegetarier, und ich guckte rüber zu einer Dame im Pelzmantel und schimpfte, wie kann man Pelz tragen, widerlich! Und alle stimmten mir zu. Ich guckte dann auf meinen Pelzmantel, Schweigen, ängstliche Blicke, hoffnungsvolle Blicke, in der Erwartung, der andere Depp würde mich jetzt kritisieren, damit man den Beschützer rauskehren kann. Alles totsozialisierte verweichlichte Eunuchen, nur zum Ficken gut. Das Patriarchat hat euch übel mitgespielt, ihr Hodensäcke. Wer herrscht, kann den Bauch hängen lassen, wer dient, muss ein feines Kostüm tragen. Das geht dann nach hinten los: die mit den feinen Kostümen verlieren alle Natürlichkeit, so, als würden sie nicht mehr scheißen, und so sind wir Frauen Schaufensterpuppen geworden. Scheißtheorie, nein. Aber Matriarchat wäre gut. Damit sich kein Weib schämt, mit hängenden Titten in die Sonne zu gehen, so wie die Kerle, auch die Scheißkerle mit nacktem Oberkörper rumlaufen. Wie dumm seid ihr eigentlich, wann merkt ihr, dass an mir nichts echt ist? Haut, Fresse, Titten, Haare, Arsch, Zähne, - alles echt, aber ihr wisst schon, was ich meine. Ist doch nur Äußeres, aber ich kacke doch genauso braun wie ihr. Der Punkt ist: wie sehr ich mich auch anstrenge, ich begreife einfach nicht, wo ihr all das an mir findet: diese edle Zartheit, diese erhabene Güte, diesen inspirierenden Blick, dieses kindliche Lächeln? Ihr schaut mir in die Augen und tut so, als wäre ich gar nicht da, redet mit einer nicht existierenden Person, mit eurer Einbildung. Das beleidigt mich, ich fühle mich benutzt. Ich bin pervers und durchschnittlich, ein völlig normaler Mensch, - keine Heilige, keine Hure, fickt euch und hört zu: Küssen hasse ich noch mehr als warmes Bier. Den Hodensack lecken hat was. Ich stehe unheimlich auf männliche Brustwarzen, aber bitte keine Titten drumrum. Ich bin nicht bisexuell, aber ich mag, wenn Frauen scharf auf mich sind, und versuchen, es sich nicht anmerken zu lassen. Ich verführe diese töchterlichen und mütterlichen Dinger gern zu perversen Spielchen, nichts, was man bei Youporn nicht findet. Ob ich mir Sorgen mache, dass meine Schönheit irgendwann vergeht? Du, ich sag dir, ich mag zwar meinen Körper, aber wenn du meine Schönheit anhimmelst, weiß ich nicht im Geringsten, was du meinst. Irgendwann kratz ich eben ab, das ist alles. Und wieder ein Blumenstrauß, von wem diesmal? Schenkt mir lieber Niederegger Marzipan, das fress ich gern, aber die Pflanzen - bin ich eine Ziege, oder was?




Stjüpid Bätch


Noch mädche ich, aber schon mit 15 hatte ich nicht mehr diese kindliche Nase. Wie lange wird meine Haut noch so frisch sein? So mädche ich und mädche vor mich hin, bin mir für Jungs noch zu schade, werde bald jeden Dahergelaufenen nehmen. Tage, immer wieder Tage. Auch die Hände sind bald nicht mehr kindlich. Die Haare waren immer schon widerspensitige Wolle. Der Spiegel ist mein Erzfeind, aber ohne ihn wüsste gar nicht, dass es mich gibt. Manchmal wache ich morgens auf, und bin schockiert: "Ich sehe ja aus wie 20!" - wie diese Nancy aus "A Nightmare on Elm Street", dem mädchenisch jungfräulichen ersten Teil. Ich käme mich und ich schäme mich, und morgens begegnet mir immer dieses freche Kind: es ist von mädchenialer Schönheit, und so unbekümmert. Nein, diese Mädchenika weiß nicht, was sie später erwartet. Sie erwartet etwas ganz anderes vom Leben. Ich zwänge mich immer gewaltsamer in mein Katzenkostüm von Niedlichkeit, - eine künstliche Aura, die ich mit 14 begann aufzubauen, um alle Vorteile des Kindseins auch bei Sex und Alkohol genießen zu können. Ende 20 ist dann alles vorbei, alles. Das Leben ist so grausam, der Spiegel ein Sadist. Die Jungs finden immer irgendwas in Büchern, langweilige Loser, die ihre Fehler und Behinderungen kompensieren müssen. Mathematik, Geographie, Philosophie, - was soll mir das? Ich lasse mich immer noch von einem suchen, der gut genug für mich ist. Ich will einen richtigen Mann, der mich beschützen kann, ich bin doch so unschuldig, und er soll es mir richtig besorgen können, was soll ich mit einer Schwuchtel? Ach, ich liebe Katzen, und der Nachbarsjunge fickt sie, und ich habe einmal mit ihm geschlafen. Tierficker. Die Welt ist so grausam. Freunde habe ich, ehrlich gesagt, keine, - nur Zuhörerfreunde und Verehrer, die Schlange stehen. Irgendwann muss ich mit meinem Freund Schluss machen, das füllt die Biographie. Neulich habe ich mich so gut mit dieser Neuen verstanden, eine mädchenmäßig nette Maus, sie mag mich, sie versteht mich, aber wir werden nie Freundinnen sein, denn sonst denken die Leute noch, ich wär eine Lesbe. Dann schon besser eine Nutte, das fällt nicht so auf. Das Leben ist so ungerecht, und zu mir nochmal doppelt. Scheiße, wo habe ich die Condome vergessen...




Und/aber die/das Taube sprach/sang/schwieg


Ich habe probiert zu versuchen, nicht in jeder Pissrinne einen tieferen Sinn zu sehen, nicht jedes Gelb nah an der Geldbörse zu tragen, ich habe nicht versucht zu probieren, mir die Gedärme aus dem Loch zu pressen, zu schreiben, sie zu nötigen, mich und sich selbst in mir zu verlassen. Ich habe es nie verstanden, weshalb der Schnee weiß sein muss, wo er doch genausogut blauorange sein könnte, und konnte nicht kennen können, wann und weshalb aus einem Wellensittich ein Krokodil gemacht werden müssen sollte, denn hätte ich einen an der Waffel, passten drei, gar ganze dreieinhalb Kugeln Himbeereis hinein. Fliegen möchte ich, über perlendem Wasser des Atlantiks Suren aufsagen, die Meeresluft der freundlichen Blicke meiner Ehrer und Verehrer wie Monica Bills Ejakulat aufsaugen, um wie eine entführte Passagiermaschine in den im Bau befindlichen Freiheitsturm zu rasen. Vögel, ich bin keine von euch, ich bin eine von ihnen.




Warum Katze und Maus


Vor langer Zeit saßen die Katze und die Maus auf einem Baum und beobachteten die im Park spielenden Mädchen. "Mädchen sind wie ich!" freute sich die Maus, und lächelte niedlich, dezent darauf hinweisend, wie klein und ängstlich sie war. "Nein, Mädchen sind wie ich!" erwiderte die süße und verspielte Katze. Die Maus wurde wütend: "Du frisst kleine Vögel, Mädchen fressen aber kein Fleisch!" Die Katze lachte verachtungsvoll: "Du aber vögelst rum, wie ein Kaninchen, und Mädchen sind keusch!" Da miaute eines der Mädchen, und die Katze triumphierte. Da guckte die Maus so niedlich, dass die Katze sich nicht halten konnte, und die Maus fraß. Das Mädchen weinte um die Maus, und war von der Katze enttäuscht. Die Katze aber fand das weinende Mädchen so süß, dass sie danach süchtig wurde, Mädchen weinen zu sehen, und da sie die Maus nach dem, was vorgefallen war, ohnehin hasste, jagte sie von da an Mäuse.




Assoziatives Treiben


Mach mal Kurzprosa ja mache ich. Kopf geht nicht aus dem Text. Muss schreddern. Das geht nur, wenn schreibe. Geschrieben, vergessen. Geblieben, versessen. Fertilitätstaliban, gib deinen Bin Laden raus! Ich zahl nicht Million. Ich zahl nicht Billion. Ich zahl kommst nicht in die Hölle. Weiter, immer weiter, immer kiffen. Die Welt dreht Kopf. Ohnmächtig durch das Schwert, bewusstslos durch Pflugscharen. Anti und noch antier. Komm, wir glauben. Lass dich davon nicht betreffen. Wer gebiert, verliert. Wer brütet, tötet. Ich kiffe nicht, du kiffst. Sklave. Heb auf. Guter Hund. Gib Ärschchen. Gesellschaft. Voll integriert. Prima Junge. Wie gesagt, guter Hund. Oder komm mit: gehorch nicht, kiff nicht, brüt nicht. Bist Brutus? Nein. Also.




Trivialfabel


"Warum trägst du diese schwere Bürde mit dir herum?" fragte der Glückliche, "Willst du denn nicht glücklich sein? Du brauchst dich doch nur zu ändern, dann kannst du auch den ganzen Tag tanzen, und aller Schwermut fern sein!" "Natürlich will ich glücklich sein", sagte der Unglückliche, "aber was hätte ich davon, wenn ich nicht mehr ich wäre?"

Sonntag, 21. Mai 2017

Geschlechtgeschichte der Menschheit





Männer, insbesondere jene, die sich Frauen nennen, halten sich für die Krone der Schöpfung. Dabei sind sie zwei letzte Zacken, die noch übrigblieben. Vor 15000 Jahren existierten viele Geschlechter, nicht nur zwei. Der Gan zum Beispiel war so etwas wie ein sexuelles Raubtier, er fing und fock alles, was rassisch rein war, sprich zur menschlichen und nicht zur affigen Rasse gehörte. Allerdings gab es Menschenaffen, die den Gan fingen und focken.

Die Niu war die Ultraelfe unglaublichhin. Sie war ständig auf der Flucht vor allen Menschen und Affen, denn alle - Männer, Frauen, Gane, Kinder, Tiere, - alle wollten die Niu fangen und ihr mit ihren Kuss- und Stoßwaffen wehtun. Die ultraschlanke persilweiße langhaarige Niu weckte die Begierde, ein müder Abklatsch von welcher immer noch übriggeblieben ist, und uns bekannt als der Lockruf des Weiblichen.

Die Drix war eine Raubkatze - flink, kampferfahren, eine Einzelgängerin. Die meisten Niu wurden von den Drix gefangen und genossen - in 90% der Fälle endete dieser Genuß tödlich, und zwar nicht für die Drix. Diese Kampfmiezen machten sich einen Spaß daraus, das was wir heute  Männer nennen anzugreifen und zum Zwecke der Kastration zu überwältigen, und das was wir heute Frauen nennen, aus sadistischen Gründen zu vergewältigeln.

Die Dudu waren das hinterhältigste Geschlecht - sie waren sehr praktisch und naturverbunden, so dass Männer, Niu und Gane auf sie oft angewiesen waren. Die Dudu traten dafür als Katalysatoren auf, dass Männer und Baben (von denen später) sich im Ganwahn an allen Geschlechtern außer natürlich den Ganen und den Drix vergingen. Oft war eine threesomme-porn-situation im Urwald und in der Savanne zu beobachten - ein Dudu hat einen Baben verführt, einen Mann oder eine Frau oder einen anderen Baben zu vervollwältigen.

Nun von den Baben: heute würden wir sie Machos nennen, aber das waren Feiglinge, die ihr halbes Leben in und unter den Schürzen von Dudu und Frauen verbrachten - sie lebten parasitär und hatten das von allen Geschlechtern am Wenigsten ausgeprägte sexuelle Verlangen.

Die Dudu konnten nur in Orgien befruchtet werden, in denen reichlich Blut vergossen wurde. Kam ein Dudu nicht, konnte es nicht befruchtet werden. Damit ein Dudu kam, musste eine Grob-Fein-Spannung in der Orgie gewährleistet sein: war eine Niu dabei, so kam ein Dudu immer, aber eine Frau oder ein Babe musste von einem Gan hart gestreichelt werden, oder vom Peitschenschwanz einer Drix bis aufs Blut ausgepeitscht werden, welches das Dudu trank. Diese Bestien waren für 98% aller Geburten verantwortlich, Frauen für 0,5%, Randgeschlechter wie Reo oder Magal (es gab insgesamt 12 gebärfähige Randgeschlechter) für 1,5%. Die Drix und die Niu konnten niemals schwanger werden; eine Drix verstarb sofort nach vaginalem Eindrigen, eine Niu bereits bei einer Nicht-Niu-Berührung, wobei es Geschlechterkonstellationen gab, bei denen eine Niu stundenlang genossen werden konnte, ohne sofort zu sterben.

Am Ende der Eiszeit kam es innerhalb von 300 Jahren zu einer Verhundertfachung der Weltbevölkerung. Innerhalb von zwei Generationen wurden die Niu ausgerottet, und in der Folge verstarben 99,99% aller Individuen und alle Geschlechter bis auf vier durch Massensuizid aus sexueller Sinnlosigkeit. Im sogenannten Flaschenhals, durch den die Weltbevölkerung am Ende der letzten Eiszeit ging, gab es 300 Drix, 50 Frauen, 10000 Baben und 25 Männer. Die in orgloser  bzw. unorgialer Sexualsituation unfruchtbaren Individuen konnten ihr Geschlecht nicht weitergeben, und so blieben die primitiven Geschlechter übrig, deren zwei schon zur Fortpflanzung genügten.

Sonntag, 14. Mai 2017

Bahnhof Zivilcourage





Bahnhof. Drei euphorisch-aggressive jugendliche Hartzer, mit Messern bewaffnet, belästigen einen Jungen. Heinz gafft heimlich, vertieft sich sichtbar in seine Bildzeitung. Ein in der Schweiz seine Steuern zahlender Leistungsträger, gestern beim Gang in den Wahllokal, in dem er die FDP wählte, gestürzt und sich einen Finger gebrochen, geht dazwischen. Die Messer werden gezogen, und nur sein Handicap rettet den Mann vor dem Knast. Ihm wird die andere Alternative zuteil - er wird erstochen. Die Menge gafft, Heinz gar von einem Logenplatz.

Apropos Platz: Spielplatz. Ein depressives leicht bierbesoffenes Milchgesicht sitzt auf einer Schaukel. Eine junge hübsche Frau um die 30, mit Kleinkind und Migrationshintergrund, beansprucht die Schaukel zurecht für ihr Kind. Das Milchgesicht, etwa im selben Alter, bleibt zunächst sitzen, kommt der Aufforderung aber bald nach und murmelt etwas verbittert hinterher. Das mag eine fremdenfeindliche Phrase gewesen sein, durchaus, aber das Milchgesicht guckt traurig zu Boden und beginnt sich - völlig harmlos - zu entfernen. Da ist aber Heinz zustelle. Heinz will wissen, welche Worte der Beleidigung das Milchgesicht der Frau hinterherflüsterte, und Heinz ist nicht allein. Ein Dutzend Heinze umstellen das Milchgesicht, provozieren, reden auf den depressiven Jungalkoholiker ein. Heinz rempelt ihn an, schlägt ihn ins Gesicht. Es wird gelacht und Beifall geklatscht. Das Milchgesicht verzieht sich, Heinz wird für seine Zivilcourage gedankt.

Heinz geht fröhlich nach Hause - ein langjähriger Traum ist für ihn in Erfüllung gegangen! Endlich hat er im Beisein vieler Leute eine junge hübsche Frau beschützt - dass die vermeintliche Bedrohung von einem harmlosen Milchgesicht ausgegangen war, unterschlägt Heinz natürlich. Er freut sich die Scheiße aus dem Arsch, als die drei jugendlichen Hartzer, die er vorgestern am Bahnhof beim Mord an einem sozial kalten rechten Reichen beobachtete, ihn anrempeln und Geld von ihm fordern. Kein Heinz kommt Heinz zu Hilfe - erstens ist die Bedrohung nicht harmlos genug für Zivilcourage, zweitens ist Heinz keine hübsche junge Frau. Da kommt aber das bekannte Milchgesicht um die Ecke und ruft demonstrativ die Polizei an. Die Gewalttäter wollen ihn zunächst kaltmachen, sehen aber die Verzweiflung und den Nichts-zu-verlieren-Ausdruck in seinen Augen und stimmen überein, dass sie ihm nur einen Gefallen tun, wenn sie ihn erstechen. Sie verziehen sich und hartzen woanders zusammen, das Milchgesicht setzt sich auf eine Kinderschaukel und hartzt auf ihr allein und Heinz geht beschämt nach Hause.


Freitag, 12. Mai 2017

Der Kallophile und die Lesbe




"Du musst die Frau nehmen, die dich nimmt", gab mir Torsten einen Rat von Mann zu Mann. Dass ich kein dressierter Mann bin, wusste er nicht. Rolf zeigte mit dem Blick auf ein vorbeischneiendes Häschen, doch ich antwortete mit energischem Kopfschütteln und dem Spruch: "Arsch und Titten sind nicht genug". Seine lesbische kleine Schwester, gerade 18 geworden, rebellierte auf erfrischende Weise gegen die selbst in den Zeiten der größten Aufgeklärtheit von fast keinem hinterfragte Gynaikokratie mit der Bemerkung: "Warum muss er überhaupt eine Frau nehmen?" Torsten verzog die Miene: "Aber guck doch, jeder in diesem Raum hat eine Freundin, nur er nicht. Kein Wunder, dass viele denken, dass er gestört ist". Ich wollte schweigen, doch eine ferne Silhouette erfüllte mich mit Sehnsucht und Bitterkeit, also sagte ich: "Ich bin mir durchaus bewusst, wie gestört ich bin, ich bin nämlich kallophil. Ich stehe auf extreme Schönheit, die es nur in der Vorstellung gibt, aber nicht in der Realität. Und Reinheit setze ich voraus". Rolf dachte nach, ob er seine heute aus physiokalendarischen Gründen abwesende Freundin mit dem aufreizenden Häschen an der Theke betrügen wollte, oder es diesmal besser lassen. Bevor er sich fürs Erste entschied und unseren Tisch verließ, sagte er zu mir: "Ich verwette meinen Arsch, dass du einsam stirbst". Mir war nicht erst seit heute klar, dass er Recht hatte, vielmehr hatte ich mich seit Jahren damit abgefunden. Torsten und seine beiden mir nur flüchtig bekannten Freunde standen auf und gingen tanzen; Torsten sagte noch: "Ich lasse euch beide mal allein, aber nicht weil sie eine Lesbe ist, sondern weil man dich mit jeder Frau allein lassen kann, da wird nämlich gar nichts passieren". Und auch er hatte Recht, wozu also mit Zynismus kontern. Während ich mich mit Rolfs Schwester über das im Film "Martyrs" thematisierte Schuldtrauma unterhielt, knallte Rolf im Nebenraum das Häschen. Ein Hengst hielt Frauenheld Torsten aufgrund seiner Tanzbewegungen für schwul, und behielt offenbar seine Meinung auch nach dem erhaltenen Korb.


Nur der Kallophile und die Lesbe verließen den Club nüchtern, die anderen waren gut angeheitert bis mäßig besoffen. "Du bist ein arrogantes Arschloch", schleuderte mir Torsten entgegen. Da ich nicht jedem von meinem Asperger-Syndrom erzähle, das mich manchmal arrogant wirken lässt, rege ich mich über solche Bemerkungen auch nicht auf. Rolf scherzte: "Ja, Menschen, die von unmöglichen Dingen träumen, sind wirklich das Allerletzte! Was sind schon Mörder oder Vergewaltiger dagegen". Torsten war nicht klar, dass dies ein zynischer Witz war, und er sprach, unterstützt von Alkohol: "Ja, arrogante Arschlöcher sind echt das Allerletzte, mit einem Mörder kannst du wenigstens normal reden. Aber wartet, nein, die Pädophilen, die sind noch schlimmer, das sind aber auch die einzigen..." Mit diesen Worten verabschiedete er sich, und an der nächsten Haltestelle stiegen seine mir namentlich - da ich auch nicht gefragt hatte - nicht bekannte Freunde in den Bus. Wir gingen zuviert weiter: Rolf, seine lesbische Schwester, sein schlechtes Gewissen und ich, und wir hatten noch einen weiten Weg. Nachdem wir uns vergewisserten, dass wir uns gegenseitig mögen und wertschätzen, fiel die Erleichterung der Herzen leichter: jeder gestand nun der Reihe nach, in wen er oder sie verknallt war. Rolf liebte tief, fest und heimlich eine der jungen und sehr hübschen Schulfreundinnen seiner Schwester. Als Realist lebte er mit einer nicht so unerreichbaren Kommilitonin zusammen, auf die er sexuell ja durchaus stand. Rolfs Schwester wollte es als Letzte gestehen, und so sagte ich ein Kurzgedicht auf, - Hand aufs Herz, in dieses Geistesbild von einem Mädchen bin ich seit Jahren verknallt. Es gab einfach keine reale Person, in die er verliebt war, - sollte ich etwa lügen und eine erfinden, um mich für die anderen sympathischer zu machen? Zu meiner Überraschung war zumindest einer meiner Begleiter von meiner Antwort alles andere als enttäuscht, und zwar derjenige, der lesbisch war. "Ich kenne so ein Mädchen", sagte sie, und man sah ihr an, wie ihr Herz schon bei dem Gedanken sofort höher schlug. Rolf glaubte nicht: "Du kennst sein Traummädchen? Du kennst eine, die ihm gefallen könnte?" Wir schwiegen eine Weile, dann sagte Rolfs Schwester: "Mich würde sie sofort durchschauen, aber du hast keine erotischen Absichten, wer weiß, vielleicht ist sie so rein, wie du es dir erträumst". Dann stieg sie in den Bus, und ließ dabei ein paar lautlose Tränen fallen. Ich machte einen Umweg wegen Rolf, der unbedingt sein Gewissen erleichtern wollte. Ich konnte sein Fremdgehen nicht mit Argumenten unterstützen, aber ich hatte Verständnis und Mitgefühl mit allen Beteiligten.


Am nächsten Nachmittag ging ich in die Universitätsbibliothek; im Foyer mangelte es nicht an durchaus hübschen Studentinnen, doch keine war wirklich bis ins Detail schön. Ich suchte den Leseraum, in dem mein Traummädchen angeblich regelmäßig las, und war auf eine wohltuende Enttäuschung vorbereitet. Stattdessen sah ich ein Engelwesen, wie es mir bisher nur in der Phantasie erschien. Natürlich hat mich diese Erstsemestermaus sofort durchschaut, denn meine Triebe verrieten mich augenblicklich: ich hatte einen entrückten Gesichtsaudruck, starrte sie an, und meine Beschützerinstinkte waren außer Kontrolle. Doch sie lächelte mich engelhaft an; dieses zerbrechliche Wesen was das menschlich Größte und Stärkste, was mir bis dahin begegnete. Wir sahen uns ein weiteres Mal an und gingen schweigend zusammen hinaus; die ersten Worte wechselten wir vor ihrer Haustür. Sie wollte wissen, wie lange schon. Lügen ist verwerflich, einen Menschen anlügen widerlich, und wer einen solchen Engel anlügt, ist das Allerletzte, nein, vielleicht das Allervorletzte. Ich suchte meine Sprachlosigkeit bei der wunderbaren Begegnung also nicht mit einer Geschichte über lange Sehnsucht und extreme Schüchternheit zu begründen, sondern sagte wahrheitsgemäß, dass ich sie heute zum ersten Mal sah. Ihr Atem wurde schneller, sie schaute kurz zu Boden, und sagte dann fast im Flüsterton: "Das ist ja fast wie bei mir". Der Unterschied sei, dass sie es der auf den ersten Blick geliebten Person sofort gesagt hatte, aber diese hatte sie auch nach erstem Blickkontakt direkt gefragt. Ich konnte mir nicht vorstellen, wen dieses wunderschöne Mädchen auf die Art angesehen hat, auf welche es selbst gewöhnlich angesehen wird.


Am nächsten Tag trafen wir uns wieder in der Bibliothek, sie wollte mich unbedingt sehen, was für mich eine bisher undenkbare Erfahrung war. Doch es ging zu meiner Erleichterung - man ist nämlich erleichtert, wenn lebenswierige Erfahrungen bestätigt werden - nicht um mich, sondern um jemanden, den ich offenbar kannte. "Ich wünschte, ich wäre so wie du, so ...kindlich", suchte sie nach dem richtigen Wort, und war mit dem ersten Adjektiv, das ihr einfiel, so unglücklich, dass sie sofort das Thema wechselte. Autismus mag eine individuell persönlichkeitsfördernde Begabung sein, aber für zwischenmenschliche Kommunikation eher eine - und durchaus erhebliche - Behinderung, so dass man nur mit Kindern reibungslos kommunizieren kann, unter Erwachsenen sich aber wie ein Alien fühlt. Seit einigen Wochen passte ich regelmäßig auf Kinder von drei unterschiedlich verschiedenen aber ähnlich paranoiden Ehepaaren auf. Einer der Väter sagte mir direkt, dass er 90% der Bevölkerung für potentielle Kinderschänder hielt, - im Falle besonders schöner Kinder ging er von 99,9% aus. Die andere Familie war mit einer Freundin von Rolfs Schwester verwandt, und eine Freundin dieser Freundin war auch eine Freundin des Engels, den ich traf. Engel sind wie Autisten: auch sie fühlen sich in der Gesellschaft von Kindern wohler als unter Erwachsenen, und so überraschte es mich nicht, dass sie mitkam, aber es überraschte mich schon, wie gut sie die Kinder kannte. Ich konnte mich sogar für eine Stunde zurückziehen, während sie mit den Kindern ein Gesellschaftsspiel spielte, - kam aber zurück zu den Spielenden, um ein anderes Spiel als das Spiel selbst zu beobachten, nämlich das Spiel ihrer unbeschreiblichen Hände mit ihren unbeschreiblich romantischen Haarsträhnen. So, als würde sie die ganze Zeit flirten. Wer war überhaupt da als potentieller Adressat ihrer lieblichen Reize? Sie war 19, ich 31, und nach Klein und Niedlich klaffte von Jung und Schön aus eine genauso große Lücke wie nach Alt und Grau: ein Junge und ein Mädchen waren 8, ein Junge 7, und ein Mädchen zu den Großeltern verreist. Frauen stehen eigentlich auf ältere Männer, dachte ich, und es waren keine Gleichaltrigen da, nur ich, - doch dann sah ich, wie sie in pissbedingter Abwesenheit der Jungs das Mädchen küsste. Es war natürlich der Kuss eines Engels, aber eines verliebten Engels. Sie hielten die ganze Zeit Händchen und kuschelten nicht bloß weil sie Mädchen waren. "Sie ist niedlich, oder?" versuchte sie das von mir Beobachtete herunterzuspielen, als ich sie nach Hause brachte. "Um es auf eine Größenordnung zu bringen: ich würde nicht bloß einen Mord an dem Teufel begehen, der ihr hypothetischerweise etwas antäte, ich würde es zu einem Massen- , nein, Völkermord ausbauen", tat ich den Ausmaß meiner Beschützerinstinkte für das Mädchen kund. Damit war ich empfindungstechnisch jedoch anscheinend nicht bei meiner Erstsemestermaus, vielmehr beim ultraparanoiden Vater des Mädchens, der mich zu seinem Stellvertreter auf Erden ernannte, nachdem er sich in langen philosophicotheologischen Diskussionen vergewissern konnte, wie sehr ich an die Existenz der Hölle glaubte, - und an den göttlichen Ursprung des Weltganzen.


Sie lud mich auf einen Tee ein, in ihre Wohnung, klein aber rein wie ein Tempel für einen Gott, an den man wirklich glaubt. Sämtliche Hausarbeiten wurden von zwei Kommilitoninnen erledigt, die Hilfsbereitschaft vorspielten, um meine Maus öfter zu sehen, und ihre süße Stimme zu hören; zwei bildschöne lesbische Jungfrauen aus der Abiturklasse von Rolfs Schwester halfen der Unvergleichlichen bei der Entfaltung und Pflege ihrer Schönheit, wofür sie sie aus der Nähe riechen konnten, und schließlich war jeder Hautkontakt mit ihr wie ein Blitzschlag, - wenn Aphrodite statt Zeus Blitze schlüge. Die Unerreichbare wollte mir etwas gestehen, weil ich Verständnis in jeder Situation und Mitgefühl mit allen Wesen hatte. "Es ist noch schwerer, als wenn eine Freundin mir sagen wollte, dass sie lesbisch und in mich verliebt ist", begründete sie die Sprachlosigkeit beim schmerzlich ersehnten Geständnis. Als ich ihre Hand berührte, flossen Tränen: "Ich wünschte, ich hätte deinen Mut". Es kostete mich in der Tat große Überwindung, aber nur zu einem kleinen Teil aus Schüchternheit: Gesicht, Haar und Hände machen 99% meines Interesses an Mädchenschönheit aus, beim Rest erwarte ich zwar Perfektion, aber finde diese Körperteile eher banal. "Sie ist ein Kind, du kannst nie wissen, was sie wirklich möchte, und was sie möchte, weil sie glaubt oder weiß, dass du es möchtest", fasste ich ihre Sorgen für sie zusammen. Auf dem Heimweg dachte ich über das allgemeine Vorurteil über Aussehen und Identität von Pädophilen nach: hässliche, widerliche Männer, 40 oder älter. Am nächsten Tag traf ich Rolf, der mir hasserfüllt berichtete, dass seine Schwester gestern versucht hatte, sich mit Schlaftabletten umzubringen, weil eine eingebildete Zicke so hartherzig gewesen sei, und nicht verstehen wollte, wie schwer es Lesben haben, zu ihren Gefühlen überhaupt zu stehen, geschweige denn sie dem anderen Mädchen zu offenbaren. Auf dem Weg zu meinem Weininger-Seminar wünschte ich mir so sehr, dass meine Maus in ihrer Liebe für die Kleine genauso romantisch anstatt erotisch empfand wie ich für sie, denn das kleine Mädchen hatte mir schon immer von einer Traumprinzessin erzählt und von ihren liebevollen Augen und ihrer süßen Stimme geschwärmt, nur hatte ich als promovierter Phantast diese Erzählungen für Tagträume eines sich nach einer wunderschönen und liebenden großen Schwester sehnenden Einzelkindes gehalten.



9.2014

Dienstag, 9. Mai 2017

Kürzstgeschichtchen 3





Linke Medien und ein möglicher Tippfehler

Ein Kolumnist einer großen linken Zeitung kommt von einer Anti-Islamophobie-Demo spät und müde nach Hause, schreibt noch schnell seine Kolumne, in der er unter anderem den Ausdruck "islamistischer Terrorismus" mit "islamist. Terror" abkürzt; am nächsen Tag wird die betreffende Stelle fehlerhaft als "Islam ist Terror" abgetippt. Bevor aufmerksame Leser auf diese Peinlichkeit (die der eigentlichen Aussage der Kolumne diametral entgegengesetzt ist) hinweisen können, greift ein bekanntes linkes Morgenblatt die Passage auf und tönt auf der Titelseite: "Linke Zeitung sagt: Islam ist Terror!" - ein Skandälchen aus kommerziellen Gründen, aus dem am nächsten Morgen eine Bekehrungsorgie wird: während konservative Medien verschämt schweigen, überbieten sich linke Zeitungen, Zeitschriften und Internetportale mit Schlagzeilen wie: "Endlich sagt es jemand!", "Paradigmenwechsel!", "Alice Schwarzer wusste es schon immer!", "Der neue Hitler ist schwarzhaarig und dunkelhäutig - die perfide Tarnung des Faschismus!" Gegen Mittag aber klärt der nun ausgeschlafene und über das Angerichtete schockierte Kolumnist den Vorfall auf, und schon meldet das erste linke Abendblatt: "Rechte Verschwörer manipulieren Zeitungskolumne!" 



Die Bleiche

Als die um eine halbe Stunde überzogene Vorlesung in seinem Hauptfach Gender Studies endlich zu Ende war, lief er noch in die Mensa im 20. Stock, um sich einen Kaffee für 40 ct. zu holen, aber die Kaffeemaschine war bereits aus und außer einer dürren bleichen Gestalt am Fenster befand sich keiner mehr im Raum. Er sah sich um und entschloss sich nach langem Zögern, sie zu fragen, ob sie ihm für zehn Euro einen blasen würde. Das Mädchen - das war beileibe keine junge Frau, 21, zu zart für ihr Alter - offenbarte ihm ganz direkt, dass es erhebliche Geldnot litt. Sie sagte: "In einer WG kann ich nicht wohnen, werde immer spätestens in der zweiten Nacht belästigt". Ihre Eltern habe sie vor langer Zeit wegen eines gemeinsamen Versuchs, sie zu missbrauchen, getötet, und es wie einen Doppelselbstmord aussehen lasen. Sie habe gar versucht, sich zu prostituieren, doch musste stets beim ersten Hautkontakt brechen und kollabierte. Er bemerkte, dass die Haut an ihren Unterarmen nur noch aus Narben bestand. "Da ist kein Platz mehr", seufzte sie, "ich habe fünf Riesen mit den beiden Armen verdient". Sie ritze sich nicht selbst - sie ließ sich für Geld schneiden. Er hörte ihr zu, und sie erleichterte sich ihrer Kleidung und zeigte ihm ihren volltätowierten Körper. "Nur noch Gesicht und Hände. Das ist mein ganzes Kapital. Die Handinnenflächen sind der empfindlichste Teil des Körpers, ich lüge nicht. Für zehn Euro darfst du mir in die Hand schneiden, aber nicht tief". Sie hatte schöne Hände und ein kindliches Gesicht. "Ich nehme das Gesamtpaket für zwei Riesen". Sie bedankte sich leise für seine Großzügigkeit und ging mit ihm in seine Wohnung. "Keine bleibenden Narben am Gesicht", erinnerte sie ihn an die Abmachung. Er bereitete alles vor - Kerzen, Nadeln, Messer und Stichwerkzeuge. Als er begann, vor der Prozedur ihre dürren bleichen Hände zu küssen, kotzte sie ihn voll. "Ich hatte dich gewarnt", sagte sie. "Du Freak!" schrie er und warf sie hinaus. Er öffnete nach einer Minute wieder die Tür und warf ihr ein paar zerknitterte Scheine ins Gesicht: "Für die Berührung!"




Der Habicht

Rolf war ein Habicht, ein Mann, der alles hatte: Koks, schöne Frauen, schnelle Autos. Leider überfuhr er eines Tages nach drei Linien Koks mit seinem schönsten Auto zwei Frauen, was Schaulustige auf Handys aufnahmen und ins Internet stellten, weshalb es auch nicht mehr zu leugnen war, bei aller Bestechlichkeit der Staatsanwälte und Richter. Der Wagen und der Rolf waren zu deutlich auf dem Video zu sehen, das im Flash-Format in solider Auflösung ins Netz gestellt wurde, und wo es bald eine Million Leute sahen.

Rolf kam in eine Zelle mit einem Drogendealer, einem Brotflüchtling aus Mauretanien. Rolfs Video erlangte eine immer weniger traurig zu werden drohende Berühmtheit, wurde bald Kult, und Rolf entsprechend zum Popstar. Vom Gefängnis aus ließ man Rolf einen Song zum Video aufnehmen, es wurde ein Hit. Die Schließer standen Schlange vor Rolf im Speisesaal, um an die begehrten Autogramme zu kommen, und bald hatte Rolf Koks und Frauen in den Knast geliefert bekommen.

Rolf schlief, als der Brotflüchtling aus Mauretanien seinen Laptop anmachte, und das Video ansah. Der nicht geduldete afrikanische Mitbürger war fassungslos: zwei schöne junge Frauen mir nichts dir nichts überfahren, getötet, man hätte damit doch so vieles anstellen können! Er versuchte, Rolf zu erwürgen, doch ein Schließer kam vorbei und schlug ihn brutal zusammen: Rolf hatte wieder Glück. Da konnte er sein Glück noch fassen, aber zwei Wochen später nicht mehr, als vor Gericht sein Doppelgänger erschien und die Schuld glaubwürdig auf sich nahm. Als Rolf das Gefängnis nach 111 Tagen verließ, hatte er ein Alibi, eine Libido, Koks für zwei Linien, und eine junge Frau, die auf ihn vor den Mauern wartete: ein Groupie. Und das ist schon die ganze Moral.



Klasse Treffen

Es barte. Hochbetrieb. Mittendrin ein Klassentreffen, und es war Lukas so peinlich. Er sagte: "Bei der Abiturprüfung habe ich übrigens geschummelt", und fühlte sich sofort besser. Er saß allein in einem großen niedrigen Sessel, während seine Klassenkameraden um ihn herum pärchenweise vorkamen. Alex küsste eine Vietnamesin, die kein Wort von dem verstand, was geredet wurde, und deutete auf einen BJ hin, wonach er den Daumen hochhielt. Lukas sagte nichts, drehte sich zu Erik um, der eine hübsche Barbraut auf dem Schoß hatte. "Seit zwei Wochen zusammen", sagte Erik, "und schon 30 mal gemacht, ich habe genau nachgezählt". "War es denn so gut, dass du dich an jedes Mal erinnern kannst?" versuchte Lukas die Rhetorkutsche. Erik nickte nur, während Sandra von ihren drei misslungenen Ehen erzählte - drei Fehler, die vier Bälger zur Folge hatten. "Du hast aber deine Fehler eingesehen, und verdienst nun einen guten Kerl", war Lara mitfühlend. Sie war immer mitfühlend, denn besonders schön war sie nie. Doch selbst diese emanzengesichtige Fleisch gewordene Verhütungsmethode war mit ihrem Freund auf dem Klassentreffen, Lukas aber ganz allein an diesem Abend. So wurde er natürlich danach gefragt, und versicherte, in den letzten zehn Jahren unzählige Bettgefährtinnen gehabt zu haben: "Gleich nach dem Abi - ich erinnere mich nur noch dunkel daran - war ich mit dieser Bailey zusammen, sie war Tschechin oder Russin, sehr devot und laut im Bett, danach hatte ich was mit Alexa, einer lokalen Schönheit aus dem Vorort, in dem ich wohnte, als ich den Bachelor studierte". "Soso", sprach Alex misstrauisch, und veranlasste Lukas, seinen Monolog fortzusetzen: "Dann zog ich nach Berlin und war zwei Jahre mit Alissa zusammen, eine sehr hübsche Blondine, die aber nach ihrem Studium nach Kiew zurückkehrte. Die Fernbeziehung hat nicht funktioniert, und man will ja figge, ihr wisst ja, wie dat is. Zurück in Hamburg, habe ich Veronika kennengelernt, lange Beine, wasserstoffblond, aber dann doch etwas zu langweilig für meine Ansprüche..." "Und jetzt?" wollte Erik auf den Punkt kommen. Lukas schoss wie aus der Pistole: "Eve!" "Eve?" "Ja... Eve Angel". "Ach was? So heißt sie?" Lukas lachte gekünstelt: "Ja, die heißt so, Komischer Name, was?" "Und, seid ihr...?" "Ja, wir sind sogar verlobt", nickte Lukas, und bekam auf einmal furchtbares Kopfweh, als Erik auf sein Flachofon schaute, und schmunzelte, eine Internetseite runterscrollend.



Tapferkeit

Es war im Frühjahr 1945. Um Punkt 5:00 erschien Andriy in der Baracke, und bekam den Befehl, die Zellen der Erschossenen aufzuräumen. Seine Arbeit erledigte er schnell und ordentlich, nahm sich vor dem Mittagessen etwas Zeit für Hygiene, und gab nur einen Drittel seines Tageslohns für Brot und Suppe aus, obwohl er noch mehr Hunger hatte. Andriy wollte immer etwas Geld auf der hohen Kante haben, doch flog hochkant aus seinem 1942 erworbenen Haus, als die Russen sein Dorf nach Kollaborateuren absuchten. Obwohl sie sein Haus niederbrannten, schäumte er nicht vor Wut, sondern mäßigte sich, und wartete auf den richtigen Augenblick. Als es so weit war, stürmte er allein auf die zu Abend speisenden Soldaten mit einem Maschinengewehr, und traf die meisten von ihnen tödlich. Es erschien ihm gerecht, jedem noch einen Gnadenschuss zu verpassen, bevor er, ohne den Toten etwas zu stehlen, ihre Leichen in einen Graben schleppte und dort zuschüttete. In einem Geheimbunker versteckte Andriy seit Wochen den verwundeten SS-Mann Heinrich. Auch an diesem Abend kam er mit Medikamenten und Mahlzeit zurück. "Du bist ein guter Mensch, ja die Tugend schlechthin: klug, gerecht, besonnen, tapfer", lobte ihn Heinrich, "und dazu noch so fleißig, ordentlich und pünktlich", war der Nazi entzückt. Andriy lächelte nicht einmal, sondern sprach mit Entschlossenheit und Akzent: "Auf uns wartet Arbeit. Wir haben noch nicht alle umgebracht. Werde schnell gesund, solange die hier im Dorf noch festsitzen".



Der Alkoholiker

Er sitzt jeden Freitagabend in dieser Bar, am Fenster, trinkt. Niemand kennt ihn, obwohl er seit Jahren dort trinkt. Er gibt immer zu viel Trinkgeld und bedankt sich besonders höflich, er kommt mit hängendem Kopf in die Bar und geht genauso nach Hause. Eines Tages stellte der Barkeeper bei näherem Hinsehen fest, dass er eigentlich gar nicht trinkt, er tut nur so, aber kippt seinen Alkohol immer weg. Dieser Alkoholiker, meinten die Kellner, trinke nicht - das soll doch ein Scherz sein - , aber der Barkeeper zeigte ihnen bei Gelegenheit, dass er den Alkohol, den er bestellt, wirklich wegkippt. Er tut zwar besoffen, redet wie ein Alkoholiker, trinkt aber nicht. Wenn er - und die Leute sollen denken, er sei betrunken - nach Hause geht, dann nicht zu Frau und Kindern, er lebt allein. Wenn er zurückkehrt, wird kein Kind weinen, sich fürchten oder schämen, sollen die Leute denken, - aber er trinkt nicht. Er gibt sein ganzes Geld für Alkohol aus, in jedem Alkoholfachgeschäft ist er Stammkunde, redet lange mit den Verkäufern über die Schnäpse und reißt oft selbstironische Alkoholikerwitze. Er ist ein fünfzigjähriger Mann, allein, wie er als Kind so sehr sein wollte, aber nie gelassen wurde. Er hätte von dem weggeworfenen Geld längst ein Haus abbezahlen können. Eines Tages schrie der Barkeeper ihn an, er solle sich schämen, dass er sich ständig betrinkt, anstatt seinen Kinder etwas zu kaufen, oder mit seiner Frau auszugehen, da hatte der Mann auf einmal - nur für dieses Gespräch - eine Frau, zwei Kinder, und ließ sich vom Barkeeper zur Sau machen. Als er an jenem Abend aus der Bar ging, sah man ihn lächeln.

Mittwoch, 3. Mai 2017

Kürzstgeschichtchen 2





Unentschlossenheit

Ein Schwein rennt auf einen weißen Palast zu; um die Wände des Palastes nicht zu beschmutzen, wird auf das Schwein nicht geschossen; schon ist es drinnen, und man traut sich noch weniger, dieses anzugreifen, da das Schweineblut die prachtvollen Teppiche entweihen würde; das Schwein ist nun im Festsaal, und alle erstarren, ach der gedeckte Tisch, ach das Porzellan, ach die schönen Weingläser; das Schwein marschiert ungehindert ins Schlafzimmer und vergewaltigt die Prinzessin.



Noch nie

"Wie oft hattest du schon Sex?" "Noch nie", sagte er, und sie lächelte unnatürlich, als würde sie eine ganz anders geartete Reaktion zurückzuhalten versuchen. Das, was von der Menschheit übrigblieb, lebte seit Jahrhunderten in einer kargen Wüste. Venerische Krankheiten grassierten neben den gewöhnlichen Seuchen. Nirgendwo gab es reines Wasser, nirgendwo ein sauberes Bett. An Körperpflege war nicht zu denken, aber angesichts der Hässlichkeit dieser Restmenschen hatte auch niemand Heimweh nach Hygiene. Geil waren die Menschen immer noch, so wie sie immer noch Durst und Hunger hatten. "Noch nie", sagte er, und sie verbarg ihren Neid und ihre Bewunderung hinter einem unnatürlichen Lächeln.



Um 11:55

Café. Kaffee. Kellner. Frisur gefällt. Zeitung. Am Fenster bequeme Sitze. Verkehr. Kaffee schmeckt gut. Uhr. Bald los. Gast rein. Kommt zu. Drehe mich weg. Bleibt. Spricht: "Für Aktivismus aktiv?" Verneine. Sagt: "Bin Aktivist. Aktivismus schützt vor Apokalypse". Trinke auf. Sage: "Aktivismus wofür?" Offener Mund. "Wissen Sie nicht wofür?" Mund noch offener. "Einfach Aktivist?" Nickt. Lache. Gehe. Hinterher. "Für Rettung der Rettung vor Nichtrettung!" Bemitleide. Frage: "Spendenkonto?" Nennt. Gehe. Geht.  



Die saubere Gesellschaft

Es wurde einfach mal das Kacken verboten. Das menschliche Verdauungssystem wurde dadurch natürlich nicht verändert, und es wurde nach wie vor reichlich gegessen. Alle öffentlichen und privaten Toiletten wurden abgeschafft, und wer beim Kacken erwischt wurde, wurde sofort denunziert, angezeigt und eingebuchtet. Da offenbar niemand mehr kackte, stellten sich einige die berechtigte Frage: wo ging bloß all die Kacke hin? Denen wurde von höchster Stelle empfohlen,  diese Störung des öffentlichen Friedens in Zukunft zu unterlassen. Da machten Verschwörungstheorien die Runde, als den Neugierigen verboten wurde, ihre Fragen zu stellen. Darauf gaben die Wissenschaftler eine Erklärung ab, laut welcher die Kacke sich vor ihrer Ausscheidung dematerialisieren konnte. Die Kirchen sprachen von fortwährenden millionenfachen Wundern. Das Unmögliche war per Gesetz real geworden - das menschliche Verdauungssystem arbeitete nun abfallfrei.



Kleiner Hitler

Als die Erzieherin die Fünfjährigen fragte, was ihr Traumberuf sei, sagte ein Junge, er wolle Hitler sein. Sofort wurden alle großen Brüder und Schwestern verständigt, die Stasiakten der Eltern aufgeklappt und die Federn gespitzt, die frauenfeindlichkeits-feindliche Gesinnungspolizei und die liberalstalinistische Inquisition waren vor Ort. Man einigte sich schließlich, den Fünfjährigen in ein Kinderguantanamo einzusperren. Da wollte der Richter zur Sicherheit noch mit dem Kleinen reden und fragte ihn, warum dieser Hitler werden wollte. "Im Radio laufen doch diese Hits", sagte der Junge, "und wer sie singt, wird berühmt. Ich will auch solche Hits machen, darum will ich von Beruf Hitler werden".



Öko

Ein furchtbares Geschrei. Ein Fussgänger mit perfekter CO2-Bilanz ging die Landstraße entlang und sah sie da liegen: zwei Autos waren aneinandergeprallt, einer tot, vier steckten fest. Der Fussgänger kam näher und drehte gemütlich am Verschluss seiner Mineralwasserflasche aus der Region, bis sie auf war. "Hilfe!" hörte er sie durcheinander schreien. "So ist es, Freunde, wenn man Auto fährt. Das ist das Risiko dabei". Einer der beiden nicht so schwer Verletzten forderte ihn auf, Hilfe zu holen. "Einen Krankenwagen? Nein, - ich ernähre mich so gesund, dass ich diese Nummer leider vergessen habe. Oder willst du einen Leichenwagen, du armes Hundchen? Aber eins nach dem Anderen, erst sterben, dann unter die Erde kommen. Die Nummer kenne ich übrigens auch nicht - meine Lebenserwartung beträgt 95 Jahre, und ich bin erst 35. Schönen Tag noch". Er spazierte genüßlich weiter, es war ein angenehm warmer Sonntag, und die ersten Fliegen legten auf dem ersten Toten ihre Eier ab.



California

Ein kalifornisches Lokalblatt titelte eines Morgens: "Zwei bestialische Verbrecher flohen letzte Nacht aus dem Gefängnis, vergewaltigten Beverly und fickten Kimberly". Die Bürger waren außer sich, wobei sie nicht das Ereignis selbst, sondern die Berichterstattung auf die Palme brachte. Die Ortschaft war keineswegs so überschaubar, so dass es nur eine Beverly und eine Kimberly gegeben hätte, aber das war nicht der Punkt. "Was für Perverse", schüttelte der Reverend den Kopf über die frechen Reporter. In den Abendausgabe korrigierten diese ihren verhängnisvollen Fehler, und nun stand auf der Titelseite: "Zwei bestialische Verbrecher flohen letzte Nacht aus dem Gefängnis, vergewaltigten Kimberly und fickten Beverly".



Eine kluge Nacht

Der Schnee legte sich still auf den Asphalt. Ein Linienbus überfuhr ihn mit 60, zerquetschte ihn förmlich. Die Ärzte konnten nur noch Schmelzwasser feststellen. Die Bäume sangen ein Lied von den Vögeln, die sie mit dem Süden betrogen. Zum Glück war der starke Westwind ein ausgezeichneter Scheidungsanwalt. Eine Flasche Nichts trank sich selbst und verdurstete. Revolver flogen durch die Lüfte und entluden sich, ohne zu schießen. Fliegende Unterhosen hängten sich an Strommasten auf, und die hohen Riesen gewöhnten sich schnell an Kleidung. Als die Unterhosen eingesammelt wurden, schämten sich die Strommasten zu Tode und begingen zusätzlich Selbstmord. Er ließ sich ein, zwei, dreimal begehen, schimpfte dann entnervt, und sperrte sich in einem Bunker ein. Nur noch Atombomben konnten ihn holen, aber sie genossen und schwiegen.

Dienstag, 2. Mai 2017

La Mädchenique




 Die Welt hat den Stecker gezogen. So jedenfalls fühlte es sich an, als von 22:21 auf 22:22 überall die Lichter ausgingen. Ich lag auf einer welligen Holzliege am Baggersee, und sah nur, wie all die Häuser und Laternen dunkel wurden. Ich wartete: vielleicht ein Stromausfall. Nach einer gefühlten halben Stunde wurde es mir zu kalt und ich ging nach Hause, nur war es hinter dem Bahnhof Richtung Norden so stockdunkel, dass ich nicht weiter gehen konnte. Ein Radfahrer fuhr weiter, an mir vorbei. Er verschwand im Dunkeln. Ich dachte, ich taste mich schon bis zu meiner Wohnung, sie ist doch nur einen lächerlichen Kilometer weit. Ich setzte meinen Fuss nach Vorn und sprang zurück - der Boden war nicht zu fühlen.
 

 So ging ich in die andere Richtung, nach Süden. Hunde bellten, Menschen riefen etwas, aber ich verstand diese Sprache nicht. Taschenlampen funktionierten nicht, Autos kamen ohne Licht von der Straße ab, und nur wenn etwas brannte, sah man gut. 

 Ich ging noch mehrere Stunden lang nach Süden, legte mich schließlich auf eine Parkbank und schlief ein. Morgen, dachte ich, werde ich mehr wissen. Ein EMP? Vielleicht. Aber das Loch, der verschwundene Boden... Ich hatte einen Alptraum, in dem ein halb Affe halb Dinosaurier mit Flügeln mich verfolgte. Nun spürte ich aber die Härte und Kälte der Parkbank wieder, und musste nur noch die Augen öffnen.
 

 Ich dachte, es wäre ein Traum im Traum gewesen, und nur wäre ich in einem einfachen Traum. Nochmal aufwachen, dachte ich, aber es ging nicht, denn es war kein Traum. Es musste Mittag sein, aber es war dunkel. Als ich aufstand, fiel ich fast in ein Loch. Der ganze Boden war von diesen scheinbar endlos tiefen Löchern vom Durchmesser eines Autoreifens übersät. Ich ging einen Slalom um die Löcher herum, hinter mir fielen Bäume um. Heute ist der dritte August, murmelte ich, um nicht den Verstand zu verlieren.
 

 Ich fand endlich ein Haus, in dem Licht brannte. Viele Kerzen standen auf einem Tisch, und ein Mädchen unbestimmbaren Alters ängstigte sich im Pyjama auf einem Bett. Sie griff nach meiner Wasserflasche und trank alles gierig aus. Dass es warm geworden war, bemerkte ich erst daran. Sie hielt die leere Nullkommafünfliterflasche fest, und ihre langen Krallenchen glitzerten in einer undefinierbaren Farbe. Ich sah ihr Haar hinab, wollte wissen, wie lang es war, aber fand nicht, wo es aufhörte. Ich ging in den dunklen Keller und holte eine Kiste Mineralwasser. Sie hatte viel Wasser da, aber keinen Mut, es zu holen. Fast wäre ich in ein Loch im Wohnzimmer gestolpert.
 

 Wir tranken, dann küssten wir uns. Ihre Lippen, ihre Haut, alles wollte ich küssen, langsam, ausführlich, endlos; ich hielt ihre Arme fest und küsste mich vom Mund runter zum Hals. Ich ließ los und ihre Hände gierten nach meiner Haut wie meine Küsse nach ihrer - vielleicht wollten wir uns versichern, dass die andere Person keine Ausgeburt der Phantasie im Dunkeln war. Nach etwa einer Stunde leidenschaftlichen Küssens bemerkte ich, als ich bei ihrem Bauchnabel war, das völlige Fehlen sexueller Erregung: es war Leidenschaft, es war Gier, aber in der Hose war Windstille. Und auch sie führte meine Hände nicht in ihren Schambereich, sondern griff nach ihnen so, dass sie stets auf ihrer Haut sein mussten. Das Kerzenlicht wurde schwächer, sie krallte sich mit ihrem ganzen hauchdünnen Körper in meine Umarmung hinein.
 

 Wir erkalteten. Ich schwang die Decke über uns, sie senkte sich langsam auf uns, das Mädchen ließ los. Das erste Wort fiel, und ich nannte ihr meinen Namen. Ich fragte sie auch etwas, und zwar  was die Ursache dieser Dunkelheit sein könnte, woraufhin sie sich wieder an mich krallte, als wollte sie in meinen Brustkorb hineinschlüpfen. Ja, ich hätte sie durchaus ins Herz geschlossen. Die Kerzen brannten nicht mehr lange, bald war es stockdunkel. Alle dreißig bis vierzig Sekunden fuhr sie mit ihren Händen über mein Gesicht, um sicherzugehen, dass es seine Form nicht veränderte.

 Ich wollte sie wieder küssen, hielt ihre Arme fest, aber sie bekam unbeschreibliche Angst und rief, ich sollte sie sofort loslassen, damit sie, wie jede Minute zweimal, mein Gesicht ertasten konnte. Sie flüsterte, als ich sie losließ, ich könnte sie verschlingen, wenn sie nicht aufpasste. Mit dem rechten Fuss wollte ich den Boden neben dem Bett ertasten, aber da war kein Boden mehr. Ich versuchte, ihr zuzuflüstern, dass da kein Boden mehr war, aber sie legte immer wieder ihre Hand auf meinen Mund. Dann sagte sie, ich sollte sie in die Halsschlagader beißen, sie flehte darum. Ich hielt wieder ihre Arme fest, fragte sie aus, wovor genau sie solche Angst hatte, und sagte, ich würde sie erst dann mein Gesicht ertasten lassen, wenn sie mir alles erzählt.
 

 Sie sagte mir fünf oder sechs Mal, dass ich es nicht hören wollen würde, aber ich bestand darauf. Menschen verwandelten sich in schlangenartige Monster oder einfach in Schleim, Tentakeln schwangen durch die Luft umher, und Fangarme kamen aus dem Boden hervor. So sei es mindesten zwanzig anderen Gästen ergangen, erzählte sie. Als ich kam, da wollte sie mich mit aller Macht in meiner menschlichen Form festhalten, was ihr ja bisher gelungen war. Als ich fragte, wie lange sie schon hier sei, und etwa fünfzehn bis zwanzig Stunden seit dem Stromausfall ausrechnete, da flüsterte sie kaum hörbar: vier Jahre. 


7.2011