Sonntag, 14. Mai 2017

Bahnhof Zivilcourage





Bahnhof. Drei euphorisch-aggressive jugendliche Hartzer, mit Messern bewaffnet, belästigen einen Jungen. Heinz gafft heimlich, vertieft sich sichtbar in seine Bildzeitung. Ein in der Schweiz seine Steuern zahlender Leistungsträger, gestern beim Gang in den Wahllokal, in dem er die FDP wählte, gestürzt und sich einen Finger gebrochen, geht dazwischen. Die Messer werden gezogen, und nur sein Handicap rettet den Mann vor dem Knast. Ihm wird die andere Alternative zuteil - er wird erstochen. Die Menge gafft, Heinz gar von einem Logenplatz.

Apropos Platz: Spielplatz. Ein depressives leicht bierbesoffenes Milchgesicht sitzt auf einer Schaukel. Eine junge hübsche Frau um die 30, mit Kleinkind und Migrationshintergrund, beansprucht die Schaukel zurecht für ihr Kind. Das Milchgesicht, etwa im selben Alter, bleibt zunächst sitzen, kommt der Aufforderung aber bald nach und murmelt etwas verbittert hinterher. Das mag eine fremdenfeindliche Phrase gewesen sein, durchaus, aber das Milchgesicht guckt traurig zu Boden und beginnt sich - völlig harmlos - zu entfernen. Da ist aber Heinz zustelle. Heinz will wissen, welche Worte der Beleidigung das Milchgesicht der Frau hinterherflüsterte, und Heinz ist nicht allein. Ein Dutzend Heinze umstellen das Milchgesicht, provozieren, reden auf den depressiven Jungalkoholiker ein. Heinz rempelt ihn an, schlägt ihn ins Gesicht. Es wird gelacht und Beifall geklatscht. Das Milchgesicht verzieht sich, Heinz wird für seine Zivilcourage gedankt.

Heinz geht fröhlich nach Hause - ein langjähriger Traum ist für ihn in Erfüllung gegangen! Endlich hat er im Beisein vieler Leute eine junge hübsche Frau beschützt - dass die vermeintliche Bedrohung von einem harmlosen Milchgesicht ausgegangen war, unterschlägt Heinz natürlich. Er freut sich die Scheiße aus dem Arsch, als die drei jugendlichen Hartzer, die er vorgestern am Bahnhof beim Mord an einem sozial kalten rechten Reichen beobachtete, ihn anrempeln und Geld von ihm fordern. Kein Heinz kommt Heinz zu Hilfe - erstens ist die Bedrohung nicht harmlos genug für Zivilcourage, zweitens ist Heinz keine hübsche junge Frau. Da kommt aber das bekannte Milchgesicht um die Ecke und ruft demonstrativ die Polizei an. Die Gewalttäter wollen ihn zunächst kaltmachen, sehen aber die Verzweiflung und den Nichts-zu-verlieren-Ausdruck in seinen Augen und stimmen überein, dass sie ihm nur einen Gefallen tun, wenn sie ihn erstechen. Sie verziehen sich und hartzen woanders zusammen, das Milchgesicht setzt sich auf eine Kinderschaukel und hartzt auf ihr allein und Heinz geht beschämt nach Hause.